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LSE-Studie zeigt vier Modelle für Sozialversicherung auf

Sozialminister Stöger ist mit dem österreichischen System zufrieden
Veröffentlicht: 24. August 2017 10:10 Uhr
Die London School of Economics (LSE) schlägt in ihrer Effizienzstudie über die österreichischen Sozialversicherungen vier alternative Modelle für die künftige Struktur vor. Drei davon sehen eine teilweise Zusammenlegung von Trägern vor, eines eine verstärkte Kooperation. Voraussetzung für alle ist aber eine Harmonisierung der unterschiedlichen Leistungen.

Studienautor Elias Mossialos stellte bei der Präsentation der mehr als 1.000 Seiten umfassenden Studie gemeinsam mit Sozialminister Alois Stöger und Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner (beide SPÖ) klar, dass das österreichische System sehr gut funktioniere und der Zufriedenheitsgrad deutlich höher als in anderen Ländern sei. Es brauche daher "keine Revolution", sondern vorsichtige, aufeinander aufbauende Veränderungen.

Qualität des Systems verbessern

Wichtiger als die Diskussion über die Anzahl der Träger ist nach Ansicht des Wissenschafters, die Qualität des Systems weiter zu verbessern. Die Politik müsse sich darauf konzentrieren, dass die Österreicher länger gesund leben. Andernfalls würden die Kosten explodieren. Die Lebenserwartung werde in Österreich zwar bis 2030 um 2 bis 2,5 Jahre steigen, in anderen Ländern aber wesentlich stärker.

Vier Modelle werden vorgeschlagen

Für die Struktur der Sozialversicherungen schlägt die LSE vier Modelle vor.

Modell 1 sieht je einen bundesweiten Träger für die Unfall- und die Pensionsversicherung sowie je einen Krankenversicherungsträger für alle unselbstständig Beschäftigten und einen für die Selbstständigen (SVA und SVB) vor.

Modell 2 beinhaltet eine ähnliche Struktur wie Modell 1, allerdings gibt es für die Kranken- und die Unfallversicherung einen eigenen Träger für die öffentlich Bediensteten. In diesem Szenario wäre ein Risikostrukturausgleich zwischen dem Sonderträger für die öffentlich Bediensteten und der Krankenversicherung für unselbstständig Beschäftigte erforderlich.

Modell 3 sieht einen bundesweiten Träger für die Pensionsversicherung und einen Träger für die Kranken- und die Unfallversicherung vor, der aus neun Landesträgern besteht. Hier könnte es allerdings verfassungsrechtliche Probleme geben, weil nicht zwischen Selbstständigen und Unselbstständigen unterschieden wird.

Modell 4 würde die derzeitige Struktur beibehalten. Allerdings sollte dabei das System durch mehr Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern verbessert und die Koordination zwischen den Trägern durch die Einrichtung gemeinsamer Servicezentren erhöht werden.

"Die richtige Lösung gibt es nicht"

Mossialos wollte sich nicht auf ein Modell festlegen. "Es gibt nicht die eine richtige Lösung." Er stellte aber klar, dass die Harmonisierung der unterschiedlichen Leistungen der Krankenkassen eine Voraussetzung sei. Bevor man über die Struktur der Träger diskutiere, müsse man gleiche Leistungen sicherstellen. Außerdem müsse man das Tarifsystem harmonisieren und auch den niedergelassenen Bereich kodifizieren. Unterschiedliche Systeme könne man nicht einfach zusammenführen, betonte der Wissenschafter.

Berechnet wurden in der Studie auch die Kosten einer Harmonisierung der Leistungen. Wenn die Leistungen auf ein durchschnittliches Niveau "sanft" harmonisiert werden, dann würde dies 171 Millionen Euro kosten. Bei einer Vereinheitlichung der Leistungen nach oben auf 70 Prozent der höchsten werden 390 Mio. Euro angegeben. Diese Kosten könnten aber durch Effizienzsteigerungen wie etwa durch Verlagerungen von Leistungen vom Spital in den niedergelassenen Bereich hereingebracht werden.

Selbstbehalte sind "Steuern für Kranke"

Selbstbehalte im Gesundheitswesen sind für Mossialos "Steuern für Kranke". Das System werde damit nicht effizienter, "Kranke werden bestraft". Die Studie schlägt eine Begrenzung der Selbstbehalte nach dem Einkommen vor. Menschen mit niedrigem Einkommen sollten maximal 1,5 Prozent davon für Selbstbehalte aufwenden müssen, jene mit mittlerem Einkommen 2 Prozent und jene mit hohem Einkommen nicht mehr als 2,5 Prozent.

Zur Entlastung der Spitäler fordert auch diese Studie einen Ausbau des niedergelassenen Bereiches. So sollte es Anreize für Ärzte geben, Praxen in entlegenen, benachteiligten Gebieten zu eröffnen. Eine Möglichkeit dazu wäre etwa ein garantiertes Einkommen für eine gewisse Zeit. Das Geld dafür könnte u.a. durch eine Verlagerung von Leistungen vom Spital zu den niedergelassen Ärzten kommen.

Kostenersparnis bei Reduktion der Spitalsaufenthalte

Wenn man die Spitalsaufenthalte um zehn Prozent verringern würde, könnten laut der Studie theoretisch 1,2 Milliarden Euro eingespart werden. Davon können allerdings nur 30 bis 40 Prozent - also 360 bis 480 Millionen Euro - tatsächlich lukriert werden, weil der Rest in Ambulanzen und den Aufbau von Primärversorgungseinheiten investiert werden muss.

Bei den Verwaltungskosten liegt Österreich mit 3,7 Prozent der Gesundheitsausgaben (wobei nur 2 Prozent auf die gesetzliche Krankenversicherung entfallen) hinter Japan an zweiter Stelle. Bei einer möglichen Reduktion von weiteren zehn Prozent könnten noch knapp 46 Mio. Euro eingespart werden.

Millionen an Einsparungen möglich

Bei den Medikamentenkosten im Spital sieht die Studie ein Einsparungspotenzial von knapp 14 bis 27,7 Mio. Euro und bei den Generika wären nochmals 65 Mio. Euro drinnen. Könnte man Betrug und Irrtum im Gesundheitswesen um 30 oder gar 50 Prozent reduzieren, könnte man weitere knapp 80 Mio. bis 132 Mio. Euro einsparen.

Insgesamt kommt die Studie damit bei einer Steigerung der Effizienz auf ein Einsparungspotenzial von 692 Mio. bis 845 Mio. Euro jährlich - und das bei konservativer Schätzung, wie Mossialos betonte. Der Studienautor betonte, dass damit eine Angleichung der Leistungen nach oben sehr gut möglich wäre.

(APA)

(Quelle: salzburg24)

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