"Ich bin froh, dass es vorbei ist", sagte McCarthy kurz nach der Wahl ins dritthöchste Amt der USA. US-Präsident Joe Biden gratulierte McCarthy. "Ich bin bereit, mit Republikanern zusammenzuarbeiten, wenn ich es kann", sagte der Demokrat Biden am Samstag. Es sei an der Zeit, "verantwortungsvoll zu regieren und sicherzustellen, dass wir die Interessen amerikanischer Familien vorne anstellen", fügte er hinzu. Die Wähler hätten "klargestellt", dass sie "von den Republikanern erwarten, dass sie genauso bereit sein müssen, mit mir zusammenzuarbeiten", betonte der US-Präsident.
Abstimmung hauchdünn gewonnen
McCarthy gewann die Abstimmung letztlich mit 216 zu 211 Stimmen. Der Verbündete des Ex-Präsidenten Donald Trump wird damit zum mächtigsten politischen Gegenspieler Bidens. McCarthy ist damit nämlich die neue Nummer drei der staatlichen Rangfolge nach dem US-Präsidenten und dessen Vize und folgt in dem mächtigen Amt auf die Demokratin Nancy Pelosi. Die parteiinterne Rebellion gegen McCarthy hatte das Repräsentantenhaus über Tage gelähmt und ins Chaos gestürzt. Das langwierige Verfahren gilt als Zeichen für die interne Zerstrittenheit der Republikaner.
Nach den Parlamentswahlen im November war der Kongress bereits am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammengekommen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben Bidens Demokraten weiter eine knappe Mehrheit.
"Unser System basiert auf checks and balances", sagte McCarthy in seiner Antrittsrede mit Blick auf die staatliche Gewaltenteilung. "Es ist Zeit für uns, eine Kontrolle zu sein und der Politik des Präsidenten ein gewisses Gleichgewicht zu verleihen."
Was McCarthy nun angehen will
Er werde "Gesetze verabschieden, um die Herausforderungen des Landes zu bewältigen". McCarthy nannte die "weit geöffnete Grenze im Süden", die von ihm mit "Amerika zuletzt" bezeichnete Energiepolitik der Regierung sowie die "Woke-Indoktrinierung an unseren Schulen" als primäre Herausforderungen. Der Begriff "woke" beschreibt das "wach sein" gegenüber rassistischen und diskriminierenden Tendenzen in einer Gesellschaft.
Bei den "langfristigen Herausforderungen" wie der Staatsverschuldung und "dem Aufstieg der Kommunistischen Partei Chinas" müsse der Kongress "mit einer Stimme" sprechen, forderte der 57-jährige Politiker aus dem US-Bundesstaat Kalifornien.
Üblicherweise ist die Wahl zum Vorsitzenden der Kongresskammer eine Formalie. Doch mehrere Parteikollegen vom Rechtsaußen-Flügel der Fraktion lehnten sich gegen McCarthy auf und verweigerten ihm ihre Unterstützung. Angesichts einer nur knappen Mehrheit der Republikaner in der Kammer schaffte es McCarthy daher in diversen Wahlgängen nicht, auf ausreichend Stimmen zu kommen.
Demütigung für Republikaner
Es war eine Demütigung von historischem Ausmaß für den Republikaner: Seit dem 19. Jahrhundert haben die Abgeordneten im Repräsentantenhaus nicht mehr so viele Anläufe gebraucht, um einen neuen Vorsitzenden zu wählen wie diesmal. Mehr Wahlgänge gab es zuletzt nur 1859/1860. Damals wurde der Republikaner William Pennington erst im 44. Wahlgang zum Vorsitzenden der Kongresskammer gewählt. Das Prozedere dauerte damals mehrere Wochen. In McCarthys Fall zog sich der Abstimmungsmarathon nun über vier Tage hin.
Schon der harte Widerstand einiger Parteikollegen in den Wochen vor der Wahl war eine öffentliche Bloßstellung für ihn. Daher geht McCarthy auch trotz der am Ende erfolgreichen Wahl geschwächt ins Amt und muss sich in den kommenden Jahren bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer auf große Schwierigkeiten einstellen. Außerdem hat McCarthy seinen parteiinternen Gegnern für die Abberufung eines Vorsitzenden mehr Macht versprochen - also dafür, ihn im Zweifel wieder aus dem Amt zu entfernen.
Auf die Frage, wie sicher er sich überhaupt sei, dass er sich im Amt halten könne, sagte McCarthy nach dem Wahlsieg: "1.000 Prozent." Er bemühte sich auch, die internen Gräben innerhalb seiner Fraktion kleinzureden. Man habe einen Weg gefunden, um zusammenzuarbeiten, sagte er mit Blick auf potenzielle Kämpfe dieser Art bei künftigen Abstimmungen.
Chaotische Szenen
McCarthy hatte bereits über Wochen gegen den Widerstand in den eigenen Reihen angekämpft und seinen Gegnern allerlei Zugeständnisse angeboten, um sie zu besänftigen und sie auf seine Seite zu ziehen. Doch sie ließen sich den Showdown im Plenum nicht nehmen. Der 57-Jährige musste noch weitere Zugeständnisse machen, um seine Gegner hinter sich zu vereinen. Erst dann konnte er das Blatt wenden und ausreichend Parteikollegen umstimmen.
Bei der Sitzung in der Nacht auf Samstag spielten sich im Plenarsaal dramatische und chaotische Szenen ab: hitzige Auseinandersetzungen und verzweifelte Verhandlungen in letzter Minute. Am Ende stimmten 216 Republikaner für McCarthy, sechs Parteikollegen enthielten sich. Auf Stimmen für alternative Kandidaten aus den eigenen Reihen verzichteten McCarthys Widersacher im letzten Durchgang aber.
Die Zugeständnisse wie etwa Ausgabenkürzungen, die McCarthy für seine Wahl machen musste, dürften Turbulenzen in den kommenden Monaten bedeuten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Kongress eine weitere Aufstockung der 31,1 Billionen Dollar schweren Kreditbefugnis der USA absegnen muss. McCarthy hat aber auch weniger Macht als seine demokratische Vorgängerin Pelosi. Seine Konzession an die Hardliner in den eigenen Reihen, dass jede und jeder einzelne Abgeordnete jederzeit eine Abstimmung zur Absetzung des Speakers fordern kann, räumt dieser Gruppe einen immensen Einfluss ein. Absprachen mit den Demokraten dürften damit schwieriger werden.
(Quelle: apa)