Der Adressat des makabren Selfies befinde sich in Syrien, verlautete am Sonntag aus Ermittlerkreisen. Die Ermittler hatten das Selfie bereits am Samstag entdeckt. Demnach hatte der mutmaßliche Islamist Yassin Salhi das Foto über den Chat-Dienst WhatsApp an eine kanadische Nummer geschickt.
Von Beginn an vermuteten die Ermittler, dass es sich dabei nur um eine Vermittlungsnummer handelte. Sie waren überzeugt, dass sich der wahre Adressat in Syrien oder dem Irak aufhält, wo sich Hunderte Franzosen an den Kämpfen radikalislamischer Milizen beteiligen.
Bisher gibt es laut Anti-Terror-Staatsanwalt Francois Molins keine Hinweise, dass es Komplizen gab. Seine Ehefrau und seine Schwester wurden nach zwei Tagen in Polizeigewahrsam am Sonntag wieder freigelassen.
Salih soll den Anschlag am vergangenen Freitag auf ein Gaslager in der Nähe von Lyon begangen haben. Er hat inzwischen gestanden, seinen Arbeitgeber Herve Cornara zuvor getötet und enthauptet zu haben. Polizisten entdeckten nach dem Anschlag den abgetrennten Kopf des 54-jährigen Transportunternehmers am Zaun der Industrieanlage befestigt, daneben zwei islamistische Flaggen. Nach einer ersten Explosion in dem Lager konnten Feuerwehrleute den 35-jährigen mutmaßlichen Attentäter überwältigen, bevor er weitere Explosionen auslösen konnte.
Noch ist unklar, ob der Attentäter sein Opfer enthauptet hat oder den Kopf erst nach dessen Tod abtrennte. Bei einer ersten Autopsie seien Würgemale am Hals festgestellt worden, hieß es.
Salhi soll am Freitagmorgen auf das Gelände der auf Gasprodukte spezialisierten Firma Air Products in Saint-Quentin-Fallavier nahe Lyon vorgedrungen sein und in einer Halle voller Gasflaschen eine Explosion verursacht haben. Feuerwehrleute konnten den Mann überwältigen, als er weitere Explosionen auslösen wollte. Anschließend entdeckten Polizisten Cornaras abgetrennten Kopf sowie seine Leiche.
Nach Angaben aus Ermittlungskreisen hatte Salhi zwei Tage vor dem Anschlag einen Streit mit seinem Arbeitgeber. Salhi habe eine Palette mit wertvollem Material fallen lassen, sein Chef habe daraufhin eine Bemerkung gemacht, dann habe ein Wort das andere ergeben, sagte demnach ein Angestellter des Transportunternehmens aus.
Der mutmaßliche Attentäter schwieg zunächst zu der Tat, am Samstagabend dann stellte er sich doch den Fragen der Ermittler. Am Sonntagnachmittag wurde er an den Sitz der Anti-Terror-Polizei nach Paris überstellt.
Der französische Premierminister Valls warnte vor einer "großen terroristischen Bedrohung", deren Bekämpfung lange dauern werde. Die Frage sei nicht, ob es einen weiteren Anschlag geben werde, sondern "wann und wo". Seine Regierung sei dem Kampf gewachsen. Im Fernsehen sprach Valls erstmals von einem "Krieg der Zivilisation". Dabei handle es sich aber nicht um einen Krieg des Westens gegen den Islam, sondern um einen Kampf um die "universellen Werte des Humanismus".
Frankreich war bereits mehrfach Zielscheibe islamistischer Anschläge, zuletzt im Jänner, als drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo", auf eine Polizistin und auf einen jüdischen Supermarkt im Großraum Paris insgesamt 17 Menschen töteten. Hunderte Franzosen schlossen sich überdies den Jihadisten in Syrien und im Irak an. Zu dem Anschlag bei Lyon bekannte sich jedoch zunächst keine Jihadistengruppe.
Die Zeitung "Le Figaro" schrieb, der mutmaßliche Attentäter sei ab dem Jahr 2000 durch den Kontakt zu einem Salafisten in seinem früheren Wohnort Pontarlier radikalisiert worden sein. Dieser Mann namens Frederic Jean Salvi werde verdächtigt, vor fünf Jahren mit Aktivisten des Terrornetzwerks Al-Kaida Anschläge in Indonesien geplant zu haben. Dieser Kontakt sei den französischen Sicherheitsdiensten aufgefallen, weshalb Yassin Salhi zwischen 2006 und 2008 unter Beobachtung gestellt worden sei. Anschließend wurde die Beobachtung jedoch nicht fortgesetzt.
Noch am Freitag hatte Frankreichs Präsident Francois Hollande die höchste Sicherheitsstufe für 158 Industriebetriebe der Region Rhone-Alpes angeordnet, die wegen der Verarbeitung gefährlicher Materialien der sogenannten Seveso-Richtlinie unterliegen. Außerdem kündigte die Regierung eine Aufstockung der Sicherheitskräfte an. Bei Polizei und Gendarmerie sollen 500 neue Stellen pro Jahr geschaffen werden, die Nachrichtendienste mit 1.500 neuen Mitarbeitern verstärkt werden.
Die rechte und extrem rechte Opposition in Frankreich verlangte weitere Schritte. Der Chef der konservativen Republikaner, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, forderte schärfere Sicherheitsmaßnahmen. Die Chefin der rechtsradikalen Front National (FN), Marine Le Pen, verlangte, verdächtige Islamisten aus dem Ausland auszuweisen und islamistischen Franzosen, die Straftaten begangen hätten, die Staatsangehörigkeit zu entziehen.
Die wichtigsten Vertreter der Muslime in Frankreich riefen für 18.00 Uhr zu einer Trauerkundgebung vor der Moschee von Villefontaine unweit des Tatorts auf. Am Samstag war bereits bei mehreren Kundgebungen des Opfers Cornara gedacht worden.
(Quelle: salzburg24)