"Feuer, Geschrei, Blut, Prügeleien: Ich habe Menschen gesehen, die in Panik vor den Flammen ins Meer gesprungen sind. Das werde ich niemals vergessen. Wir haben alle unter Todesangst gelitten", berichtet Hazir, der mit seiner Mutter Nuriye am Ende eines Besuches bei Verwandten in Istanbul am Sonntag in die Fähre in Griechenland eingestiegen war, um die Heimreise anzutreten. Die beiden hatten keine Kabine und schliefen im Auto im Bauch der Fähre, als das Feuer ausbrach. "Eine Rauchwolke hat uns geweckt, wir sind sofort aufs Deck rausgelaufen. Das Schiff war überladen. Ich vermute, dass ein Kabel gebrannt und das Feuer ausgelöst hat. Wir haben furchtbar viel Rauch eingeatmet", sagt Hazir.
Die größte Sorge habe er um seine herzkranke Mutter gehabt. Sie zählte zu den ersten Passagieren, die per Helikopter die brennende Fähre verlassen konnten. Danach begann für Hazir das lange Warten auf Hilfe. Dabei beteiligte er sich an der Koordinierung der Rettungsaktion an Bord. "Ich habe bis zu 50 Kindern geholfen, in den Hubschrauber einzusteigen. Dabei habe ich schreckliche Szenen erlebt, unter anderem Raufereien unter Leuten, die sich vordrängen wollten, um in den Helikopter einzusteigen", erzählt der Vater von zwei kleinen Kindern, die in Dornbirn auf ihn warten.
"Ich habe erst dann geglaubt, ich bin in Sicherheit, als ich in den Hubschrauber eingestiegen bin und zum italienischen Marineschiff 'San Giorgio' geflogen wurde. Das italienische Personal hat uns wirklich vorbildhaft betreut. Ich habe keine Dokumente mehr, sie sind im Auto verbrannt", so Hazir. An Bord der "San Giorgio" traf er auch kurz den Salzburger Erwin Schrümpf, der ebenfalls als einer der Letzten evakuiert wurde.
Hazir hat schon öfter die Fähre zwischen Griechenland und Italien genommen. "Jetzt wird es eine Weile dauern, bis ich wieder in ein Schiff einsteige", sagte der Vorarlberger bei seiner Ankunft im Hafen der süditalienischen Stadt Brindisi. Hier wartete seine Mutter Nuriye auf ihn, die wegen Unterkühlung in ein Krankenhaus eingeliefert worden war, mittlerweile aber wieder wohlauf ist, sowie Hazirs 41-jähriger Bruder Mustafa, der aus Dornbirn in die süditalienische Stadt gereist ist.
"Es war eine Riesenfreude, Mutter und Bruder zu umarmen. Jetzt denke ich nur daran, nach Hause zurückzukehren, um meine Frau und meine Kinder wiederzusehen. Ich werde heuer zwei Mal Silvester feiern", sagt Hazir strahlend.
Am Mittwoch werden die Österreicher aus Brindisi in die Heimat zurückreisen. Der Heimflug wurde vom Personal der österreichischen Botschaft in Rom organisiert, das die Schiffbrüchigen in Brindisi betreut hat. "Zum Glück haben wir es noch geschafft, für alle die Rückreise vor Silvester zu organisieren. Es war nicht einfach, weil in Brindisi mehr als 200 Schiffbrüchige und ihre Angehörige eingetroffen sind. Jetzt können alle zu Hause feiern", zeigte sich ein Mitarbeiter der österreichischen Botschaft erleichtert.
Alle drei Österreicher, die den Brand an Bord der Autofähre am Sonntag überlebt haben und am Dienstagabend in Brindisi eingetroffen waren, konnten mittlerweile die süditalienische Hafenstadt verlassen und die Heimreise antreten. Schneefall hatte einen direkten Abflug verhindert. Der Vorarlberger, seine Mutter und ein Salzburger stiegen am Mittwoch in ein Flugzeug nach Rom, von dort werden sie nach Österreich weiterreisen, berichtete Personal der österreichischen Botschaft in Rom.
Die albanischen Behörden haben unterdessen das Abschleppen der ausgebrannten Fähre nach Italien genehmigt. Das Wrack wurde am Mittwoch in der süditalienischen Stadt Brindisi erwartet. Befürchtet wurde, dass in den Decks mehr Opfer sind, da sich auf der Fähre laut Behörden blinde Passagiere versteckt hatten.
Das Feuer war am Sonntag nordwestlich der griechischen Insel Korfu im Fahrzeugdeck ausgebrochen. 427 Menschen wurden nach mehr als 36 Stunden voller Angst und Panik gerettet, mindestens 13 Menschen starben, darunter zwei Einsatzkräfte. Die Abschleppaktion des Schiffs der griechischen Anek Lines gestaltete sich wegen hoher Wellen und schlechtem Wetter sehr schwierig.
Der Kapitän Argilio Giacomazzi wurde nach der Ankunft in Brindisi in der Nacht mehr als fünf Stunden befragt. Gegen ihn und die italienische Reederei Visemar, die das Schiff verchartert hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Herbeiführens einer Havarie. Laut Nachrichtenagentur Ansa erklärte der Kapitän, zunächst wie vorgesehen die Besatzung alarmiert und dann - um keine Panik auszulösen - den Alarm im ganzen Schiff ausgelöst zu haben. Passagiere hatten kritisiert, dass es keinen Alarm auf der Fähre gegeben habe.
Spekuliert wird weiter über die Ursache des Feuers, das im Fahrzeugdeck ausbrach. Dort waren laut Zeugen viele Laster mit Olivenöl geparkt. Spekulationen, wonach blinde Passagiere sich mit einem Feuer wärmen wollten und so den Brand auslösten, bestätigten die Behörden bisher nicht.
Alles sei voll mit Olivenöl gewesen, sagte auch die Münchnerin Kilger. Auch sie sei mit einem Bekannten aus München in Griechenland zur Olivenernte gewesen. Beim Betreten des Schiffes habe sie bereits ein schlechtes Gefühl gehabt, sagte die 54-Jährige. "Das Schiff war alt und klein, nicht wie eine richtige Fähre." Eigentlich hätten sie ein anderes Schiff gebucht.
"Eine Rauchwolke hat uns geweckt, wir sind sofort aufs Deck rausgelaufen", schilderte der Vorarlberger. "Das Schiff war überladen. Ich vermute, dass ein Kabel gebrannt und das Feuer ausgelöst hat. Wir haben furchtbar viel Rauch eingeatmet", sagte Hazir.
Zwei ebenfalls gerettete Tiroler werden am Mittwoch nach Österreich zurückkehren. Dies sagte einer der beiden Passagiere, Mehmet Ali Güyen, der APA in einem Telefonat. Die nicht miteinander verwandten Tiroler waren zur Abklärung in einem Krankenhaus in der griechischen Kleinstadt Igoumenitsa. Er könne derzeit nicht schlafen und habe Angst, stand der im Zillertal wohnhafte zweifache Familienvater noch ganz unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse. Immer wieder würden ihm die Bilder mit Rauch und Feuer ins Gedächtnis kommen. "Ich habe gedacht, ich sterbe", meinte der Tiroler. Deshalb habe er etwa auch noch seine Frau angerufen, um sich von ihr zu verabschieden.
Er habe gerade in der Kabine geschlafen, als er am Sonntag um rund 3.00 Uhr den Brand wahrgenommen habe. Niemand habe nähere Auskunft geben können, auch nicht der Kapitän. Dieser sei auch unter Schock gestanden. Zwischenzeitig habe er nur noch den Sprung ins Wasser als einzig möglichen Ausweg gesehen. 14 Stunden lang habe er daraufhin auf die erlösende Rettung gewartet. Diese kam schließlich in Form eines Helikopters, der ihn zu einem Rettungsschiff ausflog.
Brindisi hat unterdessen wegen des Fährunglücks in der Adria die Silvesterfeiern verschoben. Sowohl das Neujahrskonzert als auch Feuerwerk seien auf den 4. Jänner verlegt worden, teilte die Kommune am Mittwoch mit. In der süditalienischen Hafenstadt sind viele Überlebende und Opfer der Schiffskatastrophe angekommen. Auch das Wrack der "Norman Atlantic" sollte nach Brindisi geschleppt werden.
(Quelle: salzburg24)