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Private Sicherheitsfirmen im Schubhaftzentrum rechtswidrig

In Vordernberg wurde Lösung gefunden
Veröffentlicht: 26. Juni 2015 13:37 Uhr
Die Betreuung von Anhaltezentren durch private Sicherheitsfirmen ist zum Teil rechts- bzw. verfassungswidrig. Das hat die Prüfung des Schubhaftzentrums im obersteirischen Vordernberg durch die Volksanwaltschaft ergeben. Private Unternehmen dürften keine hoheitlichen Aufgaben übernehme, das "ist nicht privatisierbar". Das Innenministerium sieht keinen Bedarf für eine eigene gesetzliche Regelung.

Durch die Beauftragung privater Sicherheitsfirmen mit der Betreuung des Schubhaftzentrums seien hoheitliche Aufgaben, etwa die Durchsetzung der Hausordnung oder Streitschlichtung, ausgelagert worden, heißt es in dem Prüfbericht. Aus Sicht der Volksanwaltschaft gibt es aber keine verfassungsmäßige Möglichkeit, solche Aufgabe auszulagern. "Das ist nicht privatisierbar", sagte Volksanwalt Peter Fichtenbauer (FPÖ). Das sei ein "Grundsatz, der nicht berührt werden darf". In den USA werden zum Beispiel ganze Gefängnisse privat geführt, für europäische Vorstellungen "wäre das ein Horror", so Fichtenbauer. In diese Richtung dürfe es auf keinen Fall gehen, mahnen die Volksanwälte.

Wie problematisch die Einbindung privater Sicherheitskräfte bzw. deren eingeschränkten Befugnisse seien, zeige die gelungene Flucht eines Schubhafthäftlings. Dieser habe flüchten können, weil die privaten Sicherheitskräfte keine Befugnis gehabt hätten, ihn aufzuhalten. Dieses Problem sei in Vordernberg durch die ständige Präsenz von Exekutivbediensteten bereinigt worden. Das Innenministerium lehne diese Lösung allerdings ab, so die Volksanwaltschaft. Andere Vorschläge seien vom Ressort bis jetzt aber nicht gekommen.

Das Problem in Vordernberg sei aufgrund der Kritik der Volksanwaltschaft zwar vertraglich bereinigt worden. Den Volksanwälten ist das aber zu wenig, sie wollen eine klare gesetzliche Regelung. Denn diese Grundsatzfrage stelle sich auch in anderen Bereichen wie etwa Krankenanstalten. Auch dort werden "private Sicherheitsleute mit Aufgaben betraut, die ausschließlich Gesundheitsberufen vorbehalten sind". Dazu zähle etwa die Medikamentenausgabe, körpernahe Tätigkeiten oder die Begleitung beim Toilettengang. Solche Tätigkeiten in die Hand ungeschulter Personen zu geben, "geht nicht". "Das ist nicht zulässig", sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ). Hier müsse der Gesetzgeber klare Grenzen ziehen und Standards setzen. Als Vorbild einer solchen gesetzlichen Regelung könne das Justizbetreuungsagentur-Gesetz oder das Luftfahrtsicherheitsgesetz dienen.

Eine saubere rechtliche Klarstellung sei nicht zuletzt deswegen so wichtig, weil sich die Menschen nicht freiwillig in den Anhaltezentren aufhalten. Da es sich bei Schubhäftlingen aber nicht um Straftäter handle, dürfen die Anstalten nicht Gefängnissen gleichgesetzt werden. Bei Verfehlungen brauche es daher klare gesetzliche Rechtsschutzkriterien.

Das Schubhaftzentrum Vordernberg ist für rund 200 Personen ausgerichtet. Mit den baulichen Gegebenheiten und der medizinischen Versorgung dort zeigte sich die Volksanwaltschaft sehr zufrieden. Die Zahl der Angehaltenen variiert sehr stark, weil Schubhafthäftlinge dort nur wenige Tage angehalten werden dürfen. Der Personalstand 2014 betrug 37 Personen. Die Kosten für das Zentrum beziffert das Innenministerium mit 4,7 Mio. Euro, 2,3 Mio. Euro davon sind Personalaufwand.

Fichtenbauer äußerte die Befürchtung, dass durch eine noch ausstehende VfGH-Prüfung das Schubhaftzentrum zu einem "Megaflop" werden könnte. Der Verfassungsgerichtshof prüfe nämlich, ob Dublin-Fälle dort angehalten werden dürfen. Wenn das verneint wird, würden dort vier bis sechs Insassen übrig bleiben, so Fichtenbauer.

Nach Ansicht des Innenministeriums hingegen war die Trennung zwischen hoheitlichen und privaten Aufgaben "von Beginn an ausreichend gegeben". Im laufenden Verfahren seien in formaler Hinsicht in den einzelnen Verträgen Präzisierungen gewünscht worden, die erfolgt seien. Man prüfe den Bericht der Volksanwaltschaft noch im Detail, "aufgrund der Diskussion während des Prüfverfahrens teilen wir die Perspektive einer eigenen gesetzlichen Regelung aber nicht, weil die Aufgabenteilung ausreichend präzisiert ist und gleichzeitig der Rechtsschutz nach Ansicht des Innenministeriums völlig eindeutig ist: Dieser ist in der vollen Verantwortung des Innenministeriums", sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck auf APA-Anfrage.

Derzeit sind laut dem Ressort nur zwei Schubhäftlinge in Vordernberg untergebracht. Grund für diese geringe Zahl sei die Tatsache, dass derzeit nicht nach Griechenland und Ungarn abgeschoben werden könne, für die Verhängung von Schubhaft sei nämlich eine konkrete Perspektive für eine Abschiebung notwendig. Neben den zwei Schubhäftlingen sind aktuell noch 59 weitere Personen aufgrund sonstiger fremdenpolizeilicher Anhaltungen in Vordernberg untergebracht. Dabei handelt es sich etwa um Menschen ohne Aufenthaltstitel, die irgendwo aufgegriffen worden sind.

Die Grünen sahen sich durch den Bericht der Volksanwaltschaft in ihrer Kritik bestätigt. Die faktische Ausgliederung von Hoheitsbefugnissen an das Privatunternehmen G4S sei verfassungsrechtlich höchst problematisch. Die vielen Graubereiche, die sich durch die geltenden Verträge ergeben, seien "besorgniserregend", kritisiert Menschenrechtssprecherin Alev Korun.

Sie verlangte neue Verträge. "Man darf nicht zuwarten, bis es zu ersten ernsten Zwischenfällen kommt. Das Innenministerium muss aus diesen gepfuschten Verträgen aussteigen. Mit einer neuen, sauberen Ausschreibung, die Hoheitsbereiche von Anfang an bei den Sicherheitsbehörden belässt, würde das Schubhaftzentrum eine ernst zu nehmende Rechtsgrundlage haben anstatt bloßes Flickwerk wie derzeit."

(Quelle: salzburg24)

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