Das israelische Militär hatte zuvor erklärt, die Evakuierung des Shifa-Krankenhauses geschehe auf Wunsch von deren Direktor. Krankenhausleiter Mohammed Abu Salmiya hatte zuvor erklärt, er sei von der israelischen Armee angewiesen worden, "die Evakuierung von Patienten, Verletzten, Vertriebenen und medizinischem Personal" sicherzustellen. Die Armee betonte dagegen, zu keinem Zeitpunkt die Evakuierung von Patienten oder medizinischem Personal angeordnet, sondern lediglich dem "Ersuchen" des Direktors stattgegeben zu haben, die Evakuierung weiterer Menschen aus dem Krankenhaus zu ermöglichen.
Menschen suchen Schutz in Shifa-Spital
Es gehe darum, weiteren Menschen, die in der Klinik Schutz gesucht hätten, zu ermöglichen, "dies über den sicheren Weg zu tun". Medizinisches Personal werde im Krankenhaus bleiben, um sich um Patient:innen zu kümmern, die die Klinik nicht verlassen könnten, hieß es weiter. Auch Mitarbeitende von "Ärzte ohne Grenzen" und deren Angehörige sind nach Angaben der Hilfsorganisation in der Nähe des Shifa-Krankenhauses eingeschlossen. Insgesamt gehe es um 137 Menschen, darunter 65 Kinder, denen es wegen der anhaltenden heftigen Kämpfe nicht möglich sei, das Gebiet sicher zu verlassen, erklärte die Organisation am Samstag. Bisherige Versuche, die Mitarbeitende und deren Familien zu evakuieren, seien gescheitert.
Die israelische Armee durchsuchte den vierten Tag in Folge den weitläufigen Gebäudekomplex des Krankenhauses, unter dem sie eine Kommandozentrale der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas vermutet. UNO-Angaben zufolge befanden sich vor der jüngsten Evakuierung rund 2.300 Patient:innen, Verletzte und Vertriebene in dem Krankenhaus.
Tote bei Angriffen auf Flüchtlingsstadt
Bei zwei israelischen Angriffen auf die hauptsächlich von Flüchtlingen bewohnte Stadt Jabalia im Gazastreifen sind nach Angaben des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums am Samstag mehr als 80 Menschen getötet worden. Die von der UNO betriebene und als Flüchtlingsunterkunft genutzte Al-Fachura-Schule in Jabalia sei am Samstag früh beschossen worden, sagte ein Ministeriumsvertreter der Nachrichtenagentur AFP. Dabei seien 50 Menschen getötet worden. Bei einem zweiten Angriff auf ein weiteres Gebäude wurden laut Ministeriumsvertreter 32 Mitglieder einer Familie getötet.
Online verbreitete Aufnahmen zeigten mit Staub und Blut befleckte Leichen in der Al-Fachura-Schule, wo Matratzen unter Schulbänken ausgebreitet waren. Die Echtheit der Aufnahmen ließ sich nicht verifizieren. Das Gesundheitsministerium veröffentlichte eine Liste mit den Namen aller beim zweiten Angriff getöteten Familienmitglieder. Den Angaben nach waren 19 der Todesopfer Kinder. Die israelische Armee antwortete auf Bitten um eine Stellungnahme zunächst nicht.
Flucht in Süden von Gaza
Israel ruft die Menschen in Gaza und dem nördlichen Gazastreifen seit Wochen dazu auf, aus Sicherheitsgründen in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu fliehen. Am Samstag forderte die Armee die Bewohnenden mehrerer Viertel der Stadt Gaza erneut zur Evakuierung auf. Bis 16 Uhr Ortszeit (15 Uhr MEZ) sollten Anrainer:innen zu ihrer eigenen Sicherheit aus den Stadtteilen im nördlichen Gazastreifen in den Süden fliehen, schrieb ein Sprecher der Armee am Samstag auf Arabisch auf der Plattform X, vormals Twitter. Zur Evakuierung aufgerufen waren auch Bewohnende des Flüchtlingsviertels Jabalia. Zivilist:innen, die von der Terrororganisation Hamas an der Flucht gehindert würden, könnten sich per Telefon oder über die Plattform Telegram an die israelische Armee wenden, hieß es. Die Armee kündigte zudem eine vierstündige "taktische" Kampfpause im Flüchtlingslager Shabura in Rafah im Süden des Gazastreifens aus humanitären Gründen an. In der Gegend liegt auch der Grenzübergang nach Ägypten.
Im Westjordanland tötete Israels Armee indes eigenen Angaben zufolge "mehrere Terroristen" in einem Flüchtlingslager in der Stadt Nablus. Ein Fluggerät habe bei dem Einsatz in Balata deren Versteck angegriffen, teilte das Militär am Samstag mit. Palästinensischen Angaben zufolge wurden bei dem Drohnenangriff der israelischen Armee in der Nacht auf Samstag fünf Männer getötet. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA wurden dabei auch zwei Menschen verletzt.
Die getöteten Palästinenser planten nach Darstellung der Armee Anschläge gegen israelische Zivilist:innen und militärische Ziele. Einer der Toten sei in der Vergangenheit bereits an Anschlägen beteiligt gewesen. Während der Razzia in dem Flüchtlingslager hätten Angreifer auf die Einsatzkräfte geschossen. Die Soldaten erwiderten Armeeangaben zufolge das Feuer.
Nach einem WAFA-Bericht wurde auch in Tubas im Norden des Westjordanlands ein Palästinenser bei Konfrontationen im Zuge einer Razzia des israelischen Militärs getötet. Die Lage im Westjordanland hat sich seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas am 7. Oktober deutlich zugespitzt. Rund 200 Palästinenser:innen wurden seither nach Angaben des Gesundheitsministeriums getötet.
(Quelle: apa)