Welt

Syriens Opposition traf in Genf erstmals UN-Vermittler

Veröffentlicht: 31. Jänner 2016 19:10 Uhr
Nach der Ankunft zu den Friedensgesprächen in Genf haben sich Syriens Regimegegner am Sonntag erstmals mit UN-Sondervermittler Staffan de Mistura getroffen. Die Vertreter der Opposition seien von de Mistura besucht worden, sagte Oppositionssprecher Salem Muslit in Genf. "Wir sind optimistisch, und wir sind hier, um eine Lösung zu finden."

Allerdings herrscht zwischen Regierung und Opposition sowie ihren regionalen Unterstützern nur in zwei Punkten Einigkeit: der Ablehnung der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und der grundsätzlichen Befürwortung von Verhandlungen zur Beendigung des jahrelangen Bürgerkriegs. In allen anderen Fragen dagegen gehen die Meinungen zwischen dem Westen, Russland und den Regionalmächten Saudi-Arabien, Türkei und Iran weit auseinander.

Wer zählt zu den "Terroristen" in Syrien? Welche Rolle soll dem Machthaber Bashar al-Assad zukommen? Und was sind die Prioritäten? Seit dem Frühjahr 2011 hat sich der Konflikt von einer friedlichen Protestbewegung zu einem blutigen Bürgerkrieg entwickelt, bevor er sich durch die Intervention iranischer "Militärberater" und der libanesischen Hisbollah-Miliz aufseiten Assads sowie der Türkei, Katars und Saudi-Arabiens aufseiten der Rebellen internationalisierte.

Im vergangenen September griff dann auch Russland mit Luftangriffen zur Unterstützung der bedrängten Regierungstruppen ein und ist heute eine bestimmende Kraft in dem Konflikt. Parallel dazu fliegt ein Bündnis westlicher und arabischer Staaten Angriffe auf die IS-Miliz und andere Jihadisten. Wer aber Jihadist ist und wer ein legitimer Gesprächspartner, darüber herrscht im Bündnis keine Einigkeit. Besonders Saudi-Arabien unterstützt auch radikale Islamistengruppen.

Die Türkei wiederum betrachtet die Kurdenmilizen, die eine zentrale Rolle im Kampf gegen den IS im Norden spielen, als "Terroristen". Eine Beteiligung der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) an den Friedensgesprächen lehnt Ankara ab, da es sich aus seiner Sicht um den syrischen Ableger der verbotenen türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) handelt, gegen die die Armee seit dem Sommer eine blutige Offensive führt.

Die USA schließlich unterstützen seit Jahren die moderaten Rebellen, doch ist diese Unterstützung halbherzig geblieben. Die einst mächtige Freie Syrische Armee ist heute kaum noch präsent und ein US-Programm zur Ausbildung gemäßigter Kämpfer in der Türkei endete im Fiasko. Im September 2013 verzichtete Washington auf Luftangriffe gegen die Regierungstruppen, obwohl diese in der Region Ost-Ghuta bei Damaskus massiv Chemiewaffen einsetzten.

Auch wenn der Westen Assad weiterhin als Hauptverantwortlichen in dem Konflikt betrachtet, hat sein Rücktritt nicht länger Priorität. Die Europäer wollen inzwischen vor allem den Flüchtlingsandrang stoppen, der zunehmend zu einer politischen und sozialen Herausforderung wird - mit oder ohne Assad. Zudem sehen sie sich - allen voran Frankreich - durch in Syrien radikalisierte und trainierte Islamisten bedroht, die Anschläge in Europa planen.

Assads Rücktritt hat auch deshalb keine Priorität, weil weiterhin unklar ist, wer ihn ersetzen soll. Der in zahllose Gruppen zersplitterten Opposition ist es auch fast fünf Jahre nach Beginn des Konflikts nicht gelungen, eine repräsentative und durchsetzungsstarke Dachorganisation aufzubauen. Wie es gelingen soll, die tief verfeindeten Konfliktparteien in Syrien zur Bildung einer stabilen Übergangsregierung zu bewegen, ist völlig offen.

Zudem ist klar, das der Iran und Russland nicht gewillt sein werden, ihren Verbündeten Assad fallen zu lassen, solange ihre Interessen in Syrien nicht gewahrt bleiben. Für Teheran ist Assad der wichtigste Verbündete in der Region und sein Verbleib an der Macht die Bedingung, um die Hisbollah im Libanon mit Waffen versorgen zu können. Für Russland wäre der Verlust Assads ein politischer Rückschlag, nachdem sich Moskau so massiv militärisch für ihn engagiert hat.

Das Assad-Regime hat der Opposition bei den Friedensgesprächen indes mangelnde Ernsthaftigkeit vorgeworfen. Durch ihre verspätete Anreise zu den Gesprächen habe die Delegation des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) den Beginn der Konferenz hinausgezögert, sagte der Leiter der Regierungsdelegation, Syriens UN-Botschafter Bashar al-Jaafari, am Sonntag in Genf.

Die Oppositionsvertreter des HNC waren nach langem Zögern am Samstagabend in der Schweiz eingetroffen. Ohne einen "ernsthaften Willen zu verhandeln und zu arbeiten" könne eine Lösung des Konflikts nicht gelingen, sagte Jaafari. Die Regierung von Präsident Bashar al-Assad wolle "das Leiden des syrischen Volkes beenden". "Wir sind bereit zu arbeiten und eine Lösung zu finden", sagte der Diplomat. Vorbedingungen für die Gespräche erteilte er zugleich eine Absage.

Das Oppositionsbündnis HNC hatte ein Ende der Luftangriffe auf Zivilisten sowie der Belagerung syrischer Orte durch Regierungstruppen verlangt. Dies war auch ein Grund, weshalb die HNC-Delegation ihre Teilnahme an den Gesprächen zuvor tagelang offen gelassen hatte.

Jaafari nannte die HNC-Delegation "unglaubwürdig". Es gebe keine vollständige Liste ihrer Delegierten. "Wir wissen nicht, wer an den Gesprächen teilnimmt", selbst der UN-Vermittler Staffan de Mistura wisse dies nicht. Seine Regierung werde keine Verhandlungen mit "Terroristen" führen. Als "Terroristen" bezeichnet Damaskus pauschal die gegen Assad kämpfenden Rebellen- und Islamistengruppen, darunter auch die zum HNC gehörende Jaish al-Islam (Armee des Islam).

Die USA haben die Vertreter von Regierung und Opposition bei den Genfer Syrien-Gesprächen beschworen, die sich bietenden Chancen nicht zu verspielen. In den diplomatischen Bemühungen um eine Lösung des Syrien-Konflikts, der mit Hunderttausenden Toten eine der schwersten humanitären Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg sei, beginne eine entscheidende Phase, sagte Außenminister John Kerry am Sonntag.

Ziel müsse es sein, in den nächsten Tagen "konkrete, messbare Fortschritte" zu erzielen. Am Ende könne es keine militärische Lösung dieses Konflikts geben, so Kerry. "Ohne Verhandlungen wird das Blutvergießen weitergehen, bis die letzte Stadt in Trümmern und praktisch jedes Haus, jede Art von Infrastruktur und jedes Zeichen von Zivilisation zerstört ist."

Nichts könne auch der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stärker den Boden entziehen als eine politische Verhandlungslösung. Das syrische Volk verdiene eine wirkliche Möglichkeit der Wahl über ihre Zukunft - "nicht eine Wahl zwischen blutiger Unterdrückung (durch die Assad-Regierung) auf der einen oder Terroristen auf der anderen Seite."

(Quelle: salzburg24)

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