Richtigerweise wird deshalb die Aufführung als "Tanzoper" bezeichnet und Choreografin Mei Hong Lin noch vor dem Komponisten genannt. Die antike Sage der tiefen Liebe zwischen Orpheus und Euridike, die Verzweiflung des Orpheus über den Tod der geliebten Frau, der Gang in die Unterwelt, um die Tote ins Leben zurückzuholen und letztlich das Scheitern wird von den Sängerinnen und dem Chor musikalisch interpretiert, vom Ballett aber nicht nur begleitet, sondern vielmehr mit unglaublicher körperlicher Intensität noch gesteigert.
Mei Hong Lin hat für jeden Tänzer, jede Tänzerin ihres Ensembles individuell choreografiert. Solistisch oder in Gruppen leisten die 18 Damen und Herren Unglaubliches - bis hin zu menschlichen "Skulpturen", die an antike Bildhauerkunst erinnern. Dann aber wieder wirbeln sie temporeich als Furien der Unterwelt über die Bühne. Liebe und Trauer, himmlische Gefühle und Gräuel der Unterwelt kommen höchst eindrucksvoll zum Ausdruck. Man müsste das gesamte Tanzensemble namentlich loben.
Befürchtungen, dass angesichts der choreografischen Leistungen die Sängerinnen in den Hintergrund treten, erwiesen sich als unbegründet. Mei Hong Lin fügte sie gleichrangig in die Bewegungsregie ein. Und auch stimmlich blieben keine Wünsche offen: Martha Hirschmann als Orfeo, Fenja Luka als Euridice und auch die erst 14-jährige Viola Geißelbrecht als Amor gestalteten ihr Partien mit makelloser Stimme und auch gestalterisch berührend. Beeindruckend die Leistung des Extrachores des Landestheaters, der damit erstmalig eigenständig und nicht nur als Verstärkung für den Haus-Chor eingesetzt wurde. Unter der Leitung von Daniel Linton-France konnte das Bruckner Orchester Linz einmal mehr seine Qualität ausspielen.
Dirk Hofacker gestaltete die Bühne mit einem gewaltigen Rahmen im Hintergrund, in dem sich auch irdische und Unterwelt spiegeln konnten. Harmonisch unterstrichen die Kostüme von Christian Schmidleithner das Handlungsgeschehen.
Alles in allem ist diese Tanzoper ein musikalisches, choreografisches und sängerisches Gesamtkunstwerk und gehört zweifellos zu den herausragenden Produktionen dieser Saison am Linzer Musiktheater.
(Quelle: salzburg24)