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UNO-Ankläger: Schuld von Karadzic bewiesen

Karadzics Schuld für UNO-Ankläger augenscheinlich
Veröffentlicht: 29. September 2014 12:49 Uhr
Die Anklage des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag sieht die Schuld des früheren bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic im Prozess wegen Völkermordes im Bosnien-Krieg als erwiesen an. Der Beweis sei "durch Hunderte von Zeugen und Beweisen" vollkommen erbracht worden, sagte Ankläger Alain Tieger am Montag in seinem Schlussplädoyer.

Karadzic sei "die treibende Kraft" hinter der "Politik der ethnischen Säuberung" im Bosnien-Krieg gewesen, betonte der Ankläger. Er bezeichnete den Ex-Präsidenten, der im Jahr 2008 nach jahrelanger Flucht unter einer Tarnidentität in Belgrad gefasst worden war, als "Lügner und Mafioso". "Er wusste, welche Gewalt er einsetzen wird", betonte Tieger. ".

Das UNO-Tribunal hatte am Freitag das auf knapp 800 Seiten verfasste Schlussplädoyer der Anklage veröffentlicht, in dem eine lebenslange Haft für den Angeklagten verlangt wird.

Karadzic sei "führender politischer und militärischer Führer der bosnischen Serben und ihrer Truppen" gewesen, heißt es in dem Plädoyer. Unter der Befehlsgewalt und Kontrolle von Karadzic hätten seine Untergeordneten samt Mitarbeitern Hunderte Bosniaken (Muslime) und Kroaten vertrieben, getötet, gefoltert und auf sonstige Weisen misshandelt.

Karadzic habe wiederholt gesagt, dass Kroaten und Muslime (Bosniaken) verschwinden würden, da sie die Unabhängigkeit gefordert hätten. "Er ist jemand, der sein Versprechen, ein Volk zu vernichten, umgesetzt hat", unterstrich Tieger, die einstigen Worte von Karadzic zitierend: "Europa hat uns in diese Lage gebracht und jetzt müssen wir dies tun."

Der im Juli 2008 in Belgrad festgenommene Karadzic - er war dort unter dem Namen Dragan Dabic womöglich gar jahrelang als Heilpraktiker tätig -, hatte sich vor dem UNO-Tribunal in elf Anklagepunkten wegen Völkermordes in Srebrenica und in mehreren anderen Gemeinden, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Verstöße gegen das Kriegsrecht zu verantworten.

Im Prozess wurden die dunkelsten Seiten des dreijährigen Bosnien-Krieges (1992-95) thematisiert. Sie wurden im Schlussplädoyer der Anklage erneut angeführt: Das von bosnisch-serbischen Truppen im Juli 1995 angerichtete Massaker an rund 8.000 muslimischen Einwohnern von Srebrenica, die gut dreijährige Granatbeschießung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, in der 16.500 Menschen, darunter mehr als 1.600 Kinder, ums Leben gekommen waren, die Geiselnahme der UNO-Soldaten und manches mehr. Erneut geschildert wurden die Ereignisse in etlichen anderen bosnischen Ortschaften.

Am Schlussplädoyer nahmen am Montag auch Familienangehörige der Opfer teil. Sie hoffe, dass es ein gerechtes Urteil geben und Karadzic nie wieder in Freiheit gelangen werde, sagte Munira Subasic, Leiterin der nicht-staatlichen Organisation Mütter von Srebrenica. Sie hoffe auch, dass der 69-jährige Angeklagte "nicht vor der Urteilsverkündung, wie dies mit dem früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic der Fall war", sterben werde. Milosevic hatte sich wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo zu verteidigen. Nach seinem Tod im März 2006 wurde der Prozess eingestellt.

Die Anklage hatte bis Mai 2012 ihre Beweise anhand der Aussagen von 195 Zeugen präsentiert. Karadzic, der sich vor dem UNO-Tribunal selbst verteidigte, stellte seine Entlastungsbeweise zwischen Oktober 2012 und Mai 2014 vor. Einer von 238 vorgeladenen Zeugen war auch sein Kriegsgefährte Ratko Mladic. Der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben verweigerte jedoch jegliche Aussage. "Ich erkenne dieses Gericht nicht an und kann vor ihm nicht aussagen", sagte Mladic im Jänner. Er hat sich wegen derselben Kriegsverbrechen wie Karadzic zu verteidigen.

Die Schlussplädoyers sollen bis Donnerstag vorgetragen werden. Am 7. Oktober werden die Ankläger und der Angeklagte noch einmal die Gelegenheit haben, ihre Gegenargumente vorzutragen. Mit einem Urteil im Fall Karadzic wird Ende 2015 gerechnet.

(Quelle: salzburg24)

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