"Der wichtigste Aspekt dieser Gespräche ist, dass sie stattfinden und alle Staaten daran teilnehmen, die Einfluss auf den aktuellen Konflikt in Syrien haben", sagt de Mistura und verweist insbesondere auf die Präsenz des Iran, von Saudi-Arabien, der Türkei sowie von Russland und USA in Wien. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon habe seit langer Zeit derartige Verhandlungen gefordert, betont der schwedisch-italienische Diplomat, der mit am Verhandlungstisch im Wiener Hotel Imperial sitzt.
"Wir alle haben die Pflicht, dass es am Freitag etwas Licht am Ende des Tunnels gibt, auf das sich die Syrer beziehen können", erklärt de Mistura: "Im Idealfall wäre das ein echter Waffenstillstand sowie eine Diskussion über die Zukunft Syriens, wo über die Einheit und Souveränität des Landes, über Demokratie und eine Regierungsform mit Beteiligung aller Gruppen Einigkeit herrscht".
Als UNO-Sondergesandter führte de Mistura in den vergangenen Monaten mit allen syrischen Gruppen und Parteien Gespräche, ausgenommen blieben lediglich der Islamische Staat und der Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front, die beide von den Vereinten Nationen als Terrororganisationen geführt werden. Wie ein Waffenstillstand ohne diese zwei militärisch einflussreichen Gruppierungen aussehen könnte, müsste laut dem Diplomaten Gegenstand der Verhandlungen am Freitag und auch danach sein.
Dass es bis zu den nunmehrigen Syrien-Gesprächen mehrere Jahre gedauert habe, begründet de Mistura damit, dass viele Staaten lange Zeit im Widerspruch zu ihren öffentlichen Bekenntnissen insgeheim nicht an eine politische Lösung gedacht hätten. "Es gab wahrscheinlich die Hoffnung, dass militärische Positionierungen der einen oder anderen Seite später eine stärkere Verhandlungsposition nach sich ziehen könnten", erklärt der UNO-Sondergesandte. Dies sei jedoch nicht passiert und militärische Erfolge hätten sich nach einigen Monaten wieder in ihr Gegenteil verkehrt.
"Selbst die russische Initiative, die die Spielregeln verändert hat, reicht nicht aus, um eine Lösung des Konflikts herbeizuführen. Ich denke, dass das auch die Russen verstehen", erklärt de Mistura. Daher gebe es Bedarf eines parallelen und schnelleren politischen Prozesses. Man könne zwar den Islamischen Staat (IS) bekämpfen, aber ohne eine politische Lösung, die alle berücksichtige, könne dieser Kampf letztlich nicht gewonnen werden, sagt er.
Dass am Freitag keine Vertreter aus Syrien an den Wiener Verhandlungen teilnehmen, erachtet de Mistura als kein Problem. Zwar könne es keine Lösung ohne syrische Verantwortung und Teilnahme geben, unterstreicht er. "Die Syrer haben uns aber wiederholt gesagt, dass ohne eine Einigung der Staatengemeinschaft und insbesondere jener Länder, die einen Einfluss auf den aktuellen Konflikt haben, sie es nicht alleine schaffen werden", erzählt der Diplomat. Deshalb sei es auch nicht falsch zunächst einen politischen Horizont bei einigen Parameter zu haben, über die sich die internationale Staatengemeinschaft einigt, um damit Verhandlungen unter Syrern Schwung zu verleihen.
Die Syrer seien sehr stolz, gleichzeitig aber auch sehr müde, beschreibt de Mistura aktuelle Erfahrungen. Nach mehr als vier Jahren Konflikt glaubten daher viele nicht mehr an Veränderungen zum Positiven und hätten sich deshalb auch für eine Flucht aus ihrem Land entschieden, erzählt der Diplomat, der Syrien als das "komplizierteste Umfeld" seiner beruflichen Karriere bezeichnet. Vor seinem aktuellen Einsatz als UN-Sondergesandter für Syrien war der 68-jährige Karrierediplomat in analogen Funktionen im Irak und in Afghanistan tätig.
(Quelle: salzburg24)