Nach Jahren der Dominanz ist die Skination Schweiz in eine tiefe Krise gerutscht. Zahlreiche Verletzungen und beendete Karrieren von Topläufern wie Didier Cuche haben dazu geführt, dass die Herren von Swiss Ski die schlechteste Weltcup-Saison aller Zeiten hinter sich haben. Reagiert hat der einstige ÖSV-Erzrivale u.a. mit dem Engagement weiterer Coaches aus Österreich.
Ex-Atomic-Chef trainiert Schweizer
So ist der langjährige Atomic-Rennchef Rudolf "Rudi" Huber seit 1. April 2013 Alpinchef der Schweizer. Der 50-jährige Salzburger soll zusammen mit Walter Hlebayna die Herren rund um Carlo Janka und Co. zu alter Stärke zurückführen. Spätestens bei der Heim-WM 2017 in St. Moritz wollen die Eidgenossen dank Know-how aus Österreich wieder vorne mitmischen. Mit dem staatlich geprüften Skilehrer Huber, als Rennfahrer in den 1980er-Jahren Teamkollege von Armin Assinger, Leo Stock und Peter Wirnsberger, greift Swiss Ski auf 40 Jahre Erfahrung im Skirennsport zurück.
Interview mit Rudolf Huber
APA: Nach ihrem Weggang von Atomic ist es ruhig geworden um Sie. Was hat Sie bewogen, als Coach ins Ski-Business zurückzukehren?
Huber: "Eigentlich wollte ich nicht mehr. Letztlich war es aber eine tolle Herausforderung. Eine Führungsposition in einem Top-Verband, so etwas kommt nicht alle Tage. Und hätte gefehlt in meinem Lebenstagebuch, wenn man 40 Jahre im Rennsport war und selbst renngefahren ist. Ich habe dafür ein großes Immobilien-Projekt zurückgestellt."
APA: Wie sieht Ihr Leben seitdem aus?
Huber: "Ich sitze sehr viel in Autos, im Flieger und in Büros. Ich mache viele Kilometer und Sitzungen, um das System kennenzulernen, ich bin ja auch Mitglied der Geschäftsleitung bei Swiss Ski. Das ist eine sehr umfassende, aber auch extrem spannende Aufgabe. Ich habe Informationen gesammelt, damit ich nicht nur mithören sondern auch mitreden und entscheiden kann."
APA: Warum, denken Sie, ist die Wahl auf Sie gefallen?
Huber: "Weil ich nicht aus dem üblichen Trainerbusiness, sondern aus der Wirtschaft komme und unternehmerisch denke. Meine Aufgaben sind nicht, Korrekturen auf dem Schnee zu machen oder Trainings zu organisieren, sondern ein ganzes Umfeld zu optimieren, Budgets mit erstellen, Strukturen zu schaffen und nach vor zu denken."
APA: Wie lautet Ihre bisherige Analyse, was sind die Gründe für die Probleme im Alpinbereich der Schweizer?
Huber: "Zunächst einmal war da das Problem, dass Didier Cuche aufgehört hat, Janka massive Gesundheitsprobleme bekam, Daniel Albrecht einen schweren Unfall und Beat Feuz 15 Knieoperationen hatte. Wenn man so viele potenzielle Gesamtweltcupsieger, Weltmeister und Olympiasieger innerhalb weniger Jahre vorgeben muss, verkraftet das kein Verband der Welt. Irgendwann hat sich das Rad komplett in die falsche Richtung gedreht hat und dann ist speziell bei den Herren eine große Verunsicherung aufgetreten. Mit Feuz und Janka haben wir derzeit nur zwei Athleten in den Top 15 der Weltrangliste und das auch nur wegen deren Verletztenstatus. Das sagt alles."
APA: Gibt es auch tiefer liegende Problemzonen?
Huber: "Im Nachwuchsbereich wird in den Verbänden und Kantonen generell sensationell gut gearbeitet. Deshalb sind die Schweizer im Europacup-Bereich gut. Wir haben aber an der Schnittstelle zum Weltcup zu viele Läufer verloren."
APA: Warum?
Huber: "Ich kann das nur rückwärts betrachten, ich war damals ja nicht dabei. Aber es gab sehr viele Kleingruppen und zu wenig Konkurrenz innerhalb der Teams sowie zu wenig Zusammenhalt. Besser wäre gewesen, sich mehr zu vergleichen."
APA: Was haben Sie als erster Maßnahme geändert?
Huber: "Wir haben jetzt nur noch fünf statt sechs Herren-Gruppen. Die Fahrer der Future-Gruppe, die jungen Wilden, wurden in die Weltcupgruppen integriert. Damit lernen die Jungen von den Alten und die Alten bekommen Druck. Außerdem haben wir an der Schnittstelle zum Weltcup jetzt einen Europacup-Koordinator eingesetzt, der direkt an Cheftrainer Walter Hlebayna berichtet. Damit ist die Kommunikation möglichst kurz. Wir hoffen, damit schneller und besser reagieren zu können. Zudem ist Sepp Brunner nun Individualcoach, derzeit von Feuz."
APA: Apropos. Mit Ihnen, Herrenchef Walter Hlebayna, Abfahrtscoach Walter Hubmann, Damenchef Hans Flatscher sowie Brunner stehen an vielen Schlüsselstellen österreichische Trainer. Warum?
Huber: "Einige waren ja schon vorher da und insgesamt sind die Schweizer immer noch klar in der Überzahl. Aber ja, es ist auffallend, dass die Österreicher in Führungspositionen sind. Das ist auch nicht durchgehend superpositiv angenommen worden. Es hat den Start gar nicht so einfach gemacht, aber auch ein Marcel Koller hatte es im ÖFB-Team anfangs nicht leicht. Sport ist international geworden. Ich bin sicher, die richtigen Leute auf den richtigen Positionen zu haben. Die Stunde der Wahrheit kommt im Winter."
APA: Die USA haben ähnliche viele Coaches aus Österreich, sind damit zur Nummer eins bei der Schladming-WM geworden und dort als "Österreich II" bezeichnet worden. Ist die Schweiz denn nun "Österreich III?"
Huber: "Die Amerikaner haben da sicher sehr viel richtig gemacht. Es hilft sicherlich, wenn alle Trainer an einem Strang ziehen, gleich denken und dem gleichen Technik-Leitbild folgen. Es ist ein Vorteil, wenn die Leute aus einem Land kommen und die gleiche Ausbildung gemacht haben. In der Schweiz gibt es viele hervorragende Leute und jeder gibt sein Bestes. Aber wegen des föderalistischen Denkens und der unterschiedlichen Auffassungen vom Skirennsport hier geht vieles in verschiedene Richtungen."
APA: Wann könnten die Schweizer Herren wieder ganz oben stehen?
Huber: "Die Nummer eins zu sein, muss immer das Ziel sein. Die Olympiasaison kommt aber viel zu früh. Wir sind derzeit Siebente in der Nationenwertung, das ist für ein Skisportland wie die Schweiz eine Katastrophe. Wir wollen wieder unter die ersten drei oder vier, vor allem aber spätestens 2017 bei der Heim-WM in St. Moritz wieder ein schlagkräftiges Team haben. Alles was vorher gelingt, ist positiv und schön. Man kann eben nicht sagen, jetzt kommen drei oder vier Österreicher und jetzt gewinnen wir bei Olympia." (lacht)
APA: Im vergangenen Winter hat ein schweizerischer Radiosender Janka und Co in Österreich zum Skikurs angemeldet. Lustig oder unpassend?
Huber: "Wenn du am Boden liegst springen sie auf dich drauf. So ist das eben. Aber wir sind dabei, uns aufzurappeln. Wir sind jetzt bei der Talstation angekommen und wollen jetzt mit dem Lift Station für Station nach oben fahren. Der Weg ist steinig und hart."
APA: Ist Trainer-Legende Karl Frehsner noch für Swiss Ski aktiv?
Huber: "Er hat ein sogenanntes Mandat, einen Werksvertrag, und kümmert sich um Spezialprojekte sowie die Entwicklung der Rennanzüge. Da hat er viele und gute Kontakte, ist sehr fit auf diesem Gebiet. Für Walter und mich ist er schon auch ein Mentor, gerade weil er in seiner Laufbahn auch Fehler gemacht hat. Wir können ihn immer wieder anrufen und nach seiner Meinung fragen."
APA: Das Problem mit den reduzierten Olympia-Quoten für große Skinationen ärgert Sie auch, richtig?"
Huber: "Wir waren die ersten, die deshalb in Südamerika Rennen organisiert haben. Das Ganze ist total aus dem Ruder gelaufen. Denn der sportliche Aspekt ist in diesem Quali-System geringer. Die größte Platzvergabe erfolgt bei den Platzierungen zwischen 100 und 500, also bei den weniger sportlichen Skifahrern. Die Schweiz könnte deshalb bis auf zehn fallen, das ist Wahnsinn. Natürlich sind wir damit nicht einverstanden. Es kann nicht sein, dass fünf Österreicher daheimbleiben müssen, damit drei Armenier fahren oder dass 55 Prozent der Quali-Plätze an Leute gehen, die noch nie ein FIS-Rennen gewonnen haben. Ich muss mich fragen, ob ich die besten Sportler bei Olympia am Start haben oder ein Geschäft machen will."
(Das Gespräch führte Hans Gödel/APA)
(Quelle: salzburg24)






