Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), vertreten durch Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic, konfrontiert Rathgeber mit zwei Vorwürfen. Zum einen soll sie von 2009 bis 2012 bei der Geltendmachung von Mitteln des Katastrophenfonds des Bundes zahlreiche Schadensfälle teilweise fingiert haben, sodass ohne gesetzlicher Voraussetzung rund zwölf Millionen Euro aus dem Katastrophenfonds an Gemeinden und das Land Salzburg gezahlt wurden. Laut Anklage hat sich Rathgeber nicht selbst bereichert.
Zum anderen soll sie zwischen 2008 und 2012 insgesamt 96 Geschäftsbestätigungen für Finanzinstrumente - es handelte sich um Zins- und Währungsswaps - durch Hineinkopieren einer Unterschrift eines Mitarbeiters gefälscht haben.
Rathgeber-Prozess für zwei Tage anberaumt
Wie der neue Anwalt von Rathgeber, der Salzburger Strafverteidiger Kurt Jelinek, in einem kurzen Statement vor Prozessbeginn zur APA sagte, werde sich seine Mandantin in beiden Anklagepunkten teilgeständig zeigen. "Sie hat aber keinerlei Vorsatz gehabt, sich selbst zu bereichern. Beim Katastrophenfonds hat sie Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Mittel durch den Bund gesehen. Dabei hat sie sich mit ihren Handlungen aber selbst ins Unrecht gesetzt." Wie sich Rathgeber selbst rechtfertigt, wird mit Spannung erwartet. Sie wirkte zu Prozessbeginn gefasst. Ihre Einvernahme ist für zwei Tage vorgesehen. Weitere Prozesstage wurden bisher noch nicht anberaumt.
Die Ermittlungen der WKStA im Salzburger Finanzskandal sind aber noch nicht abgeschlossen. Bei dem Prozess wird nur ein Teilbereich verhandelt. Drei Sachverhaltskomplexe inklusive eines Finanzstrafverfahrens nach zwei Selbstanzeigen des Landes werden derzeit noch von der Staatsanwaltschaft geprüft. Im Visier der Ermittlungen stehen insgesamt zehn Personen. Es handelt es sich dabei neben Rathgeber noch um andere Ex-Mitarbeiter der Landes-Finanzabteilung sowie auch um ehemalige und aktive Politiker. Im Fokus der Erhebungen stehen 700 hochspekulative Finanzgeschäfte des Landes sowie ein Swap-Deal zwischen Stadt und Land Salzburg im September 2007, bei dem das Land sechs negativ bewertete Zinstauschgeschäfte von der Stadt übernommen hat. Da es offenbar keine Gegenleistung gab, soll dem Land ein Schaden von mehreren Millionen Euro entstanden sein.
Rathgeber: "Ich habe viele Fehler gemacht"
Rathgeber wirkte zu Beginn ihrer Einvernahme gefasst, doch ihre innere Anspannung war an ihrer leicht zittrigen Stimme erkennbar. "Es tut mir wahnsinnig leid, ich bedauere, was passiert ist. Ich habe viele Fehler gemacht", sagte die Angeklagte, die sich "teilweise" schuldig bekannte. "Zur damaligen Zeit war mir die Tragweite meines Verhaltens nicht bewusst."
Zuvor hat Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic von der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) anhand einer Power-Point-Präsentation die Anklage im Detail erörtert. Um gesetzwidrig Mittel aus dem Katastrophenfonds des Bundes für das Land, für Gemeinden oder andere Förderungswerber zu lukrieren, habe sie Schadensfälle in großem Ausmaß verändert, erhöht oder auch gänzlich frei erfunden. Adamovic zählte einige Beispiele auf: Einen gemeldeten Schadensbetrag in Höhe von 1.600 Euro habe Rathgeber abgeändert und dann 67.000 Euro an den Bund weitergeleitet, aus 26.000 Euro wurden 86.000 Euro. "Es ist geradezu die Regel gewesen, dass massiv willkürlich Beträge dazugeschlagen wurden."
Anklage erörtert "Betrugs"-Beispiele im Detail
Adamovic nannten noch andere "Betrugs"-Beispiele: Für das Entfernen von Bäumen auf der Pass-Gschütt-Straße wurden Kosten von 248 Euro aufgelistet, doch Rathgeber habe von dem für den Katastrophenfonds zuständigem Finanzministerium 277.248 Euro gefordert. Die Gemeinde Rußbach machte 155.441 Euro für die außerordentliche Schneeräumung geltend, doch weil der geforderte Schadensfall nicht förderungsfähig war, habe die Angeklagte "Schäden an Gemeindestraße und Brücken" angegeben, um Gelder vom Bund zu erhalten. "Von Schneeräumung war da nicht mehr die Rede", sagte Adamovic und räumte ein, dass hier die Gemeinde offenbar den "Schwarzen Peter" der Finanzabteilung des Landes zuschieben wollte, um doch noch Mittel aus dem Katastrophenfonds zu erhalten.
Zuschüsse an die Länder gab es laut Katastrophenfondsgesetz für die Behebung von tatsächlich eingetretenen Schäden, zum Beispiel an Straßen, aber nicht für Standardverbesserungen oder vorbeugenden Katastrophenschutz. Die Angaben von Rathgeber, den Gemeinden helfen zu wollen, wertete die Staatsanwaltschaft als Schutzbehauptung. Sie habe gewusst, dass beispielsweise die Sicherung von Landstraßen gegen Felsstürze nicht förderungsfähig seien. Im Auszahlungszeitraum 2008 bis 2011 habe Rathgeber insgesamt 11,9 Mio. Euro betrügerisch herausgelockt und 7,2 Mio. Euro rechtmäßig aus dem Katastrophenfonds bezogen, fasste Adamovic zusammen. Die widerrechtlich lukrierten Beträge habe sie zur Mittelfinanzierung verwendet, zur Förderung von grundsätzlich nicht förderungsfähigen Projekten. So seien 1,7 Mio. Euro für das Hochwasserschutz-Projekt Urslau im Pinzgau geflossen. Betrügerisch bezogene Gelder habe die Angeklagte auf ein von ihr verwaltetes Rücklagenkonto gegeben.
Urkundenfälschung in 96 Fällen
Der zweite Vorwurf an die bisher unbescholtene Angeklagte betraf das Delikt der Urkundenfälschung. Rathgeber soll 96 Geschäftsbestätigungen für Finanzinstrumente - es handelte sich um Zins- und Währungsswaps - gefälscht haben. Für die Rückbestätigungen an Bankinstitute hat sie laut Staatsanwalt die nach dem Vier-Augen-Prinzip dafür erforderliche zweite Unterschrift eines Mitarbeiters der Finanzabteilung hineinkopiert. "Dadurch stellte sie eine falsche Urkunde her", sagte Adamovic. Auf den sichergestellten Urkunden sei auch in leichter Schattenstrich erkennbar, das spreche auch für das Kopieren der Unterschrift. Zudem habe der Mitarbeiter glaubhaft erklärt, dass die Unterschriften nicht von ihm stammten.
"Rathgeber ist Juristin. Sie wusste, dass sie eine falsche Urkunde zum Beweis eines rechtswirksames Vertrages gebrauchte", so der Staatsanwalt. Wie auch beim betrügerischen Lukrieren von Geldern aus dem Katastrophenfonds sei auch bei der Urkundenfälschung über die Jahre hinweg eine ständig steigende Tendenz feststellbar, erklärte Adamovic. Ein Motiv ihrer Handlungen könne darin liegen, dass die Finanzgeschäftslage in den Jahren 2011 und 2012 aufgrund von Verboten immer schwieriger geworden seien und sie Währungsgeschäfte vor ihren Mitarbeitern wahrscheinlich verheimlichen wollte, meinte der Staatsanwalt.
Adamovic merkte noch an, dass es sich im Fall des Katastrophenfonds um einen "atypischen" Betrugsfall handle. Rathgeber, der im Falle eines Schuldspruches wegen schweren Betruges eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren droht, habe sich nicht selbst bereichert, und auch keine Angehörige, betonte Adamovic. Das Geld sei an Dritte, an Gebietskörperschaften geflossen. Diese Verhalten sei wohl auf die Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten zurückzuführen. Weiters erklärte der Staatsanwalt noch, dass es in diesem Verfahren nur um zwei Teilaspekte in der Salzburger Finanzcausa geht. Nach Auftauchen von Millionenverlusten im Dezember 2012 sei der Ruf nach rascher Aufklärung laut geworden. Doch der Tatzeitraum umfasse fast zehn Jahre und die Materie sei sehr komplex, begründete Adamovic, warum die Ermittlungen des "Gesamtbereiches" noch nicht abgeschlossen sind.
Der Salzburger Finanzskandal im Jahr 2012
Der Finanzskandal ist am 6. Dezember 2012 geplatzt. In einer Pressekonferenz berichtete der damalige LHStv. David Brenner (SPÖ) von eigenmächtigen, riskanten Finanzgeschäften einer Referatsleiterin der Finanzabteilung. Der kolportierte Schaden: bis zu 340 Mio. Euro. Das folgende politische Erdbeben führte zum Regierungswechsel in Salzburg und einem kostspieligen Abbau der Spekulationsgeschäfte.
Viele der politischen Protagonisten von damals sind heute nicht mehr im Amt. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller trat nach massiven Verlusten der SPÖ nach der vorgezogenen Landtagswahl im Mai 2013 zurück. Auch die ÖVP verlor Wählerstimmen, erklomm aber mit Wilfried Haslauer den Landeshauptmann-Sessel. Salzburg wird nun von einer Dreier-Koalition aus ÖVP, Grünen und dem parteifreien Landesrat Hans Mayr, ehemals Team Stronach, regiert.
(APA)
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(Quelle: salzburg24)