"Politische Mitte verliert"

Was die Wahlen in Deutschland für die NR-Wahl in Österreich bedeuten

Veröffentlicht: 02. September 2024 16:22 Uhr
Die Landtagswahlen in den deutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen sind geschlagen und brachten vor allem für die AfD sowie das Bündnis Sahra Wagenknecht starke Zugewinne. Dem Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck zufolge macht sich hier ein Vertrauensverlust in die etablierten Parteien bemerkbar. Uns hat er erklärt, was das für die anstehende Nationalratswahl in Österreich bedeutet.

In den deutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen wurde am Sonntag gewählt. Deutliche Zugewinne konnten die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verzeichnen. So konnte die AfD in Thüringen mit 32,8 Prozent der Stimmen Platz 1 holen, das BSW landete mit 15,8 Prozent auf Platz 3. In Sachsen konnte die CDU mit 31,9 Prozent die Wahl für sich entscheiden, dahinter landete die AfD (30,6 Prozent) und das BSW (11,8 Prozent). Die bundesweit regierenden Ampel-Parteien kassierten herbe Niederlagen.

Wenig überrascht von diesem Ergebnis zeigt sich der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck. Die Umfragen im Vorfeld und die Trends aus der EU-Wahl hätten diese Ergebnisse bereits vorgezeichnet. Dem zugrunde liege eine große Skepsis gegenüber den etablierten Parteien. "Die politische Mitte verliert an Zustimmung und fließt in die Ränder aus, die wiederum von der aktuellen politischen Lage profitieren", so Mühlböck im Gespräch mit SALZBURG24 am Montag.

Stimmungslage bei Salzburger Landtagswahl zu erkennen

Diese Stimmungslage habe sich bereits im vergangenen Jahr unter anderem bei der Landtagswahl in Salzburg bemerkbar gemacht, die deutliche Zugewinne für die FPÖ und die KPÖ Plus brachte, während die etablierten Parteien verloren. "Viele Menschen sind unzufrieden mit den politischen Kräften der Mitte, insbesondere mit den regierenden. Die Unzufriedenen sind in zwei Richtungen gegangen. Und genau das haben wir auch bei den Landtagswahlen in Thüringen und in Sachsen. Auf der einen Seite geht es zur AfD, auf der anderen Seite zum BSW."

Armin Mühlböck NEUMAYR/ARCHIV
Der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck analysierte im Gespräch mit SALZBURG24 die Wahlen in Thüringen und Sachsen. (ARCHIVBILD)

AfD und FPÖ setzen auf Krisen

Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und Migrationskrise hätten bei den Menschen Spuren hinterlassen. Viele würden sich mit ihren Sorgen und Nöten nicht mehr abgeholt fühlen. Hier setzen FPÖ und AfD gleichermaßen an und nutzen die Krisen thematisch aus. Beide Parteien schafften es, mit Kritik an den Regierungsparteien potentielle Wähler:innen für sich zu gewinnen. Dabei schlug man stets einen anderen Weg als die jeweilige Regierung ein – so etwa beim Ukraine-Krieg, bei dem sich beide Parteien russlandfreundlich zeigten. Das dürfte gerade bei den Wahlen in Deutschland vielen Menschen zugesagt haben, wie das gute Abschneiden des BSW veranschaulicht.

AfD und FPÖ hätten es als rechtspopulistische Parteien zudem geschafft, sich als Alternative zu den "Eliten" zu positionieren. "Die AfD präsentiert sich als die wahre Vertretung des Volkes. Das ist typisch für rechtspopulistische Parteien, das hat auch die FPÖ", führt Mühlböck aus. Die Elitenkritik zeigt sich auch bei der Klimakrise, die beide verharmlosen. Damit eint die beiden Parteien mehr als sie unterscheidet, lediglich in der Parteigeschichte – die FPÖ gibt es seit dem Jahr 1955, die AfD seit über elf Jahren – gibt es Unterschiede. Außerdem wird die AfD in Deutschland vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Die FPÖ hingegen gilt trotz ihrer Nähe zur Identitären Bewegung nicht als rechtsextrem.

Keine FPÖ-Regierung ohne ÖVP?

Die aktuelle Stimmungslage spielt damit vor allem der FPÖ in die Hände – sie hat Umfragen zufolge bei der Nationalratswahl klar die Favoritenrolle inne. Bei der Regierungsbildung führe dennoch kein Weg an der ÖVP vorbei. "Es sieht so aus, als würde die ÖVP – trotz erheblicher Verluste – in puncto Regierungsbildung in einer ausgesprochen guten Position sein, weil sich keine rechnerisch und politisch mögliche Regierungsvarianten ohne sie ausgehen werden." Dass die ÖVP derzeit eine Koalition mit Kickl ausschließt, hält Mühlböck für weniger bedeutend. "Das ist vor allem dem Wahlkampf geschuldet. Dabei geht es darum, sich selbst möglichst gut zu positionieren. Die Regierungsbildung nach der Wahl folgt anderen Gesetzen."

Chancen, von dieser politischen Stimmungslage zu profitieren, sieht Mühlböck hingegen bei neuen Parteien, die aktuell noch nicht im Nationalrat vertreten sind. "Beispielsweise die Bierpartei, da glaube ich am ehesten, dass es die Chance gibt. Aber auch die anderen Parteien wie die Liste Madeleine Petrowic, die KPÖ und KEINE werden Stimmen an sich binden." Selbst wenn diese Parteien nicht in den Nationalrat einziehen, würden sie laut Mühlböck vor allem dem linken Spektrum, also der SPÖ und den Grünen, Stimmen kosten.

Damit dürfte Österreich in den verbleibenden vier Wochen bis zur Nationalratswahl ein spannender Wahlkampf bevorstehen. Wie sich die künftige Regierung tatsächlich zusammensetzt, darüber entscheiden die Wählerinnen und Wähler am 29. September.

(Quelle: salzburg24)

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