"Erster Schritt"?

60 Euro mehr: Das sagen NGOs über neues Entlastungspaket

Veröffentlicht: 17. Mai 2023 13:46 Uhr
Das neue Entlastungspaket, das finanziell Schwächeren 60 Euro mehr im Monat bringen soll, wird von den NGOs wohlwollend zur Kenntnis genommen. Sie fordern aber weitere strukturelle Reformen.
SALZBURG24 (jp)

Das am Mittwoch von der Bundesregierung vorgestellte neue Entlastungspaket für finanziell schwächere Familien und Sozialhilfeempfänger hat bei NGOs und Opposition für sanftes Lob und zahlreiche weitere Forderungen gesorgt. Zwar zeigte man sich bei Caritas, Diakonie, Volkshilfe und Rote Kreuz erfreut über diesen "ersten wichtigen Schritt", gleichzeitig wurden weitere strukturelle Reformen eingefordert. Diese forderten u.a. auch die Opposition, ÖGB und AK.

60 Euro mehr pro Monat: Regierung schnürt Paket für finanziell Schwächere

Ein Paket zur Unterstützung finanziell schwächerer Menschen hat die Regierung heute Vormittag präsentiert. Wer Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe oder Ausgleichszulage bezieht, soll …

Auch Salzburger Sozialeinrichtungen haben sich in einem S24-Rundruf bereits zu den neuen Hilfsmaßnahmen geäußert.

Entlastungspaket für Kinder und Familien

Caritas-Präsident Michael Landau zeigte sich erfreut, dass bei dem Paket "endlich Kinder im Fokus stehen und hier Menschen und Familien, die über besonders wenig Einkommen verfügen, besonders zielgerichtet geholfen wird". Das ist ein erster wichtiger Schritt für Kinder und Familien, ergänzt Klaus Schwertner, Direktor der Caritas Wien. Klar sei aber auch, dass trotz der Erhöhungen und der Maßnahmen viele Menschen und Kinder weiter unter der Armutsgefährdungsschwelle bleiben werden. "Diese heute präsentierten Maßnahmen können also nicht alles sein", so die Caritas in einer Aussendung.

"Dieses erneute Nachschärfen der Bundesregierung verdeutlicht, dass das Sozialnetz in Österreich Menschen, speziell Kinder und Familien, nicht mehr ausreichend vor Armut schützt", sagte Landau. Es sei unerlässlich, "an den grundsätzlich notwendigen Reformen der Sozial- und Versicherungsleistungen zu arbeiten". Konkret fordert die Caritas eine Reform der Sozialhilfe, die Anhebung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sowie eine Erhöhung der Ausgleichszulage.

Ähnlich kommentierte die Diakonie die Maßnahmen: "Die heute auf den Weg gebrachten Unterstützungen für armutsbetroffene Kinder helfen im Alltag der Teuerungen, auch wenn sie eine grundlegende Reform der schlechten Sozialhilfe und eine Verbesserung der Arbeitslosenversicherung nicht ersetzen". Das Paket solle der "erste Schritt zu einem Gesamtpaket gegen Kinderarmut in Österreich sein", forderte Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk. Auch Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger zeigte sich erfreut, betonte aber ebenfalls, dass die Maßnahmen gegen die Teuerung nicht strukturelle Reformen ersetzen - etwa beim Arbeitslosengeld. Auch sei eine "Totalreform" der Sozialhilfe notwendig.

Rotes Kreuz formuliert Forderung

Auch seitens des Roten Kreuzes wurden am Mittwoch Strukturreformen gefordert. "Die bisherigen Einmalzahlungen der Bundesregierung haben den Betroffenen zwar temporär geholfen, ein nachhaltiger Effekt ist aber nicht zu spüren", so die Hilfsorganisation in einer Aussendung. "Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Politik langfristige Lösungen und Strukturen überlegt. Aktuell sagen uns Wirtschaftsprognosen, dass die Inflation weitere Jahre hoch bleiben wird. Daher machen Befristungen bei Unterstützungsleistungen keinen Sinn", sagte Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes.

Als "unzureichend" bezeichnete das Paket der Gewerkschaftsbund. "Wesentliches fehlt", sagte ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende Korinna Schumann in einer Aussendung. "Der Familienzuschlag für Arbeitslose ist seit Ewigkeiten nicht valorisiert worden. Zudem muss das Arbeitslosengeld dringend auf 70 Prozent der Nettoersatzrate erhöht werden. Hier braucht es dringend Absicherung gegen Armut." Und einmal mehr betonte Schumann die Notwendigkeit für preissenkende Maßnahmen und verwies u.a. auf die Forderung nach einem Aussetzen der Mehrwertsteuer auf die wichtigsten Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs.

Lob und Kritik

Seitens der Arbeiterkammer (AK) erklärte Präsidentin Renate Anderl, es sei "gut, dass die Regierung hier in die Gänge kommt". Sie kritisierte aber u.a., dass das Paket befristet ist. "Es ist ein kleines Pflaster auf eine große Wunde." Die Regierung solle "den längst fälligen Nationalen Aktionsplan gegen Kinderarmut vorlegen und ein Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, das sicherstellt, dass in Österreich niemand hungern oder frieren muss". Für nachhaltige Armutsbekämpfung brauche man "mehr als Geld": "Sachleistungen wie Kinderbildung und -betreuung müssen ausgebaut werden", so Anderl.

Lob kam von Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker: "Ich habe das Prinzip Gießkanne immer kritisiert. Der Staat kann nicht unendlich viel Geld verteilen. Darum müssen die Hilfen für jene bereitgestellt werden, die sie wirklich brauchen." Der Rechnungshof trete immer dafür ein, "Hilfsmaßnahmen gezielt einzusetzen". Erfreut zeigte sich auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr: "Sehr positiv & hilft. Fokus auf Kinder ist genau richtig, weil zielgerichtet", schrieb er via Kurznachrichtendienst Twitter. "Der nächste Schritt könnte sein, dauerhafte Lösungen zu finden, damit Kinderarmut erst gar nicht entsteht", sprach auch er strukturelle Reformen an.

Opposition sieht "keinen Grund zum Jubeln"

Die SPÖ kritisierte, dass die Regierung nicht die Ursache bekämpfe: "Wieder kein Markteingriff, um die Preise zu senken. Wieder versucht die Regierung heute nur, die Symptome zu lindern. Menschen durch verfehlte Politik in die Armut zu treiben und ihnen dann Almosen zu geben ist weder gerecht noch ökonomisch sinnvoll. Und es ist unmoralisch", schrieb SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner auf Twitter. "Ein weiterer Tag vergeht, ohne dass die Inflation bekämpft wird", erklärte auch Sozialsprecher Josef Muchitsch. Die Regierung rücke aktuell jeden zweiten Tag aus "um den selbst verursachten Totalschaden mit Pflastern behelfsmäßig zu kaschieren", sagte er via Aussendung. Strukturelle Maßnahmen forderten auch SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner und SPÖ-Familiensprecherin Petra Wimmer.

"Keinen Grund zum Jubeln" sah am Mittwoch auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Aufgrund der Rekordteuerung seien nicht mehr nur sozial Schwache in ärgster Bedrängnis, sondern immer öfter auch Familien, die dem Mittelstand zuzurechnen waren. "Die Verdienstgrenze von 2.000 Euro brutto greift viel zu kurz, wenn man sich vor Augen hält, wie sich die Preise in den letzten eineinhalb Jahren in fast allen Bereichen entwickelt haben", sagte die blaue Vizeklubchefin. 60 Euro pro Kind und Monat seien nur "ein Tropfen auf den heißen Stein".

Lob für Entlastungspaket, Ruf nach Reformen

Erfreut darüber, dass die Regierung "diesmal die Gießkanne nicht ausgepackt hat", zeigten sich die NEOS. "Treffsichere Hilfen, die wirklich dort ansetzen, wo sie dringend gebraucht werden, haben wir NEOS immer gefordert", so Familiensprecher Michael Bernhard. Auch er vermisst allerdings strukturelle Reformen und forderte einmal mehr eine Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer, insbesondere für Alleinerzieher.

"Positiv" bewertete die Bundesjugendvertretung (BJV) das Paket. Allerdings will auch die BJV eine "langfristige Strategie". "Wir plädieren für die Einführung einer Kindergrundsicherung, um Kinderarmut präventiv und nachhaltig zu bekämpfen", sagte BJV-Vorsitzende Rihab Toumi.

(Quelle: apa)

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