Alexander Van der Bellen ist Donnerstagvormittag vor der Bundesversammlung wieder als Bundespräsident angelobt worden. Das Staatsoberhaupt sprach die von der Verfassung vorgegebene Formel "Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde" wie schon vor sechs Jahren ohne den möglichen religiösen Zusatz. Van der Bellen wurde mit stehenden Ovationen gefeiert.
FPÖ mit verhaltenem Beifall bei Angelobung
Einzig die Freiheitlichen begnügten sich mit einem sehr kurzen Beifall, was wohl unter anderem einem Interview des Präsidenten geschuldet war, in dem er die Angelobung eines FPÖ-Kanzlers zumindest in Zweifel zog. Zu dem Festakt im historischen Sitzungssaal des Parlaments war nicht nur die Bundesversammlung, also das Gremium von National- und Bundesrat sondern auch zahlreiche Ehrengäste wie Vorgänger Heinz Fischer und Altkanzler wie Wolfgang Schüssel (ÖVP), etliche frühere Minister, die Vorsitzenden der Höchstgerichte und religiöse Würdenträger wie der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Franz Lackner erschienen. Die musikalische Begleitung kam von Studierenden der Universität für Musik und darstellende Kunst.
Der mittlerweile 79-jährige Van der Bellen hatte sich bei der Wahl am 17. Oktober des Vorjahres bereits in der ersten Runde mit 56,7 Prozent der Stimmen durchgesetzt. Er wurde damit für weitere sechs Jahre in die Hofburg gewählt.
Absage an antidemokratische Tendenzen
In einer - mit Ausnahme der FPÖ - mit Standing Ovations bedachten Rede betonte er, dass der Grundkonsens der Republik für ihn außer Frage stehe und man antidemokratische Tendenzen entschlossen stoppen müsse.
Einmal mehr stellte Van der Bellen die von ihm bekannten Themen Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit in den Vordergrund, machte aber auch klar, dass aus seiner Sicht nicht alles so bleiben könne, wie es ist. "Wir werden unseren gewohnten Alltag verändern müssen. Denn sonst laufen wir Gefahr, unsere Zukunft abzuschaffen", sagte er. Seinen Wählern dankte er für das Vertrauen: "Ich freue mich, für weitere sechs Jahre Ihr Bundespräsident sein zu dürfen."
Glaube man den aktuellen Umfragen, "so scheint es fast, als hätten wir alles, außer die Hoffnung". Doch nicht die Angst dürfe das Bild der Zukunft diktieren, sondern die Zuversicht: "Wir kriegen das hin - das sind keine leeren Worte." Der Bundespräsident erinnerte als Beispiele daran, dass trotz Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ("Putin attackiert unsere Art zu leben") die Wirtschaft gewachsen, die Arbeitslosenquote gesunken und die Gasspeicher voll seien. "Wir haben es geschafft", betonte er: "Das waren wir alle gemeinsam."
Noch mehr könne geschafft werden, "wenn wir unsere Demokratie hochhalten und verteidigen". Deren zentralster Baustein sei die gemeinsame Lösung, der Kompromiss. Nicht zuletzt an die anwesenden Parlamentarier appellierte er, auch mit jenen auszukommen, "die mit unserer persönlichen Weltsicht sehr wenig zu tun haben". Es müsse gelingen, "über die Grenzen hinwegzusehen und die Fähigkeiten des anderen zu sehen".
Appell an Politik: "Regieren, nicht nur reagieren"
Van der Bellen legte in diesem Zusammenhang ein Plädoyer für eine intakte Medienlandschaft ab, denn es brauche ein gemeinsames Verständnis über die Beschaffenheit der Wirklichkeit und nicht "alternative Fakten". Das bestimmte politische Player schlichte Tatsachen oder bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse bestritten, sei bestürzend. "Wenn wir hier nicht klar auftreten und die Dinge beim Namen nennen, steht eines Tages unser gesamtes Gesellschafts-und Wertesystem in Frage."
An die Politik appellierte er, dass sie Orientierung geben und Lösungen vorschlagen müsse, "regieren, nicht nur reagieren" und auch die unbequeme Wahrheit aussprechen müsse. Hier verwies er auf die Klimakatastrophe, wo naturwissenschaftliche Tatsachen von vielen mit "bequemen Geschwätz" geleugnet worden seien. Jahrzehntelang sei die Reduktion der Treibhausgasemissionen versäumt worden. "Wir müssen etwas tun", unterstrich Van der Bellen, der Ausstieg aus der fossilen Energie müsse so schnell wie möglich kommen.
Van der Bellen mit Bekenntnis zu europäischer Solidarität
Zum Abschluss bekannte sich der Bundespräsident einmal mehr zur europäischen Solidarität, aber auch "nach bestem Wissen und Gewissen" zum Zusammenhalt innerhalb Österreichs und seiner Institutionen. Unantastbar seien Grund- und Freiheitsrechte, die Menschen- und Minderheitenrechte, zu respektieren die Institutionen der liberalen Demokratie. Der verheerende Nationalsozialismus dürfe sich niemals wiederholen. "Und deshalb müssen wir alle sehr genau hinsehen und alles tun, um antidemokratische, die Würde der Menschen verletzende, autoritäre Tendenzen rechtzeitig und entschlossen zu stoppen", sagte er.
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(Quelle: apa)