Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger (77). Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. Zeilinger wird gemeinsam mit dem französischen Physiker Alain Aspect und dem US-Physiker John F. Clauser u.a. für Experimente mit verschränkten Photonen geehrt. Die Auszeichnung ist heuer so wie im Vorjahr mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro) dotiert.
Anton Zeilinger gewinnt Nobelpreis
Sie geht an die drei Laureaten unter anderem für Pionierarbeiten in der Quanteninformation. Die Physiker hätten den von Albert Einstein als "spukhafte Fernwirkung" abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, "aus der Theorie in die Praxis gebracht", heißt es seitens des Komitees.
Er habe gerade bei ihm zu Hause an einer Publikation gearbeitet, als am Dienstag um 11.00 Uhr der Anruf des Nobelpreiskomitees kam, erklärte Zeilinger in einer ersten Reaktion gegenüber der APA. Die Zuerkennung sei eine "großartige Anerkennung". Im Rahmen der Pressekonferenz in Stockholm erklärte der Quantenphysiker zuvor u.a., dass der Begriff der "Teleportation", mit dem Zeilinger oft verbunden wird, weit ab von dem bekannten Science-Fiction-Trick aus "Raumschiff Enterprise" ist.
Ihm sei zuerst in Wien, dann in Innsbruck und dann erneut wieder in der Bundeshauptstadt die Chance gegeben worden "Dinge abseits des Mainstreams" zu machen. In der Anfangsphase seiner Karriere sei er öfters gefragt worden, wofür das gut sein solle. "Ich kann ihnen ganz stolz sagen: Das ist für nichts gut. Das mache ich nur aus Neugierde", betonte Zeilinger. An der Universität Innsbruck habe er dann jene Experimente mit verschränkten Photonen durchführen können, für die er am 10. Dezember in Stockholm ausgezeichnet wird.
Pionier der Übertragung von Quanteninformation
Der am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geborene Physiker gilt als Pionier der Übertragung von Quanteninformation zwischen Photonen. In diesem Bereich hat er in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Durchbrüche erzielt und Übertragungsrekorde aufgestellt. Diese Art der Informationsweitergabe sei zum Beispiel "fundamental wichtig zum Informationstransport in Quantencomputern", sagte Zeilinger, der im Laufe des Nachmittags mit Kollegen an seiner Fakultät der Universität Wien und dem Institut für Quanteninformation und Quantenoptik (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf die Zuerkennung des Nobelpreises anstoßen und sich der Presse stellen wird. An der Uni Wien ist er emeritierter Professor, am IQOQI hat er weiterhin eine Forschungsgruppe.
Er sei immer von Quantenmechanik fasziniert gewesen - "vom ersten Moment, an dem ich davon gehört habe". Zeilinger, der vor allem mit seinen 1997 vorgestellten Experimenten zur Quantenteleportation über seine Fachrichtung hinaus bekannt wurde, würdigte am Dienstag auch seinen im Jahr 2019 verstorbenen Doktorvater Helmut Rauch als "Pionier in Quantenphysik", der ihm ermöglicht habe, seine Forschungen in Wien voranzutreiben. Damals sei vieles in dem Feld noch "komplett philosophisch" gewesen.
"Spinnereien ein bisschen vertrauen"
"Man muss seinen Spinnereien ein bisschen vertrauen", sagte Zeilinger vor Journalisten in Wien. Befragt, ob es denn bereits konkrete Anwendungen seiner Arbeit gebe, sagte Zeilinger: "Die Anwendung, die am weitesten gediehen ist, ist Quantenkryptographie" - eine Technologie, die Effekte der Quantenphysik nutzt, um grundsätzlich abhörsicher Information zu übertragen. Vielversprechende Entwicklungen seien auch Quantensimulatoren, um bestimmte Prozesse in Festkörpern nachahmen zu können. Konkrete Anwendungen für "Otto Normalverbraucher" seien noch nicht so weit.
Preis als Ermutigung für Junge
Alain Aspect, John Clauser und Anton Zeilinger hätten in ihren "bahnbrechenden Experimenten mit verschränkten Quantenzuständen", wie es das Nobelpreis-Komitee ausdrückte, allerdings viele praktische Fragen um das rätselhafte Phänomen der Verschränkung Stück für Stück beantwortet. Damit haben sie "den Weg für neue Technologien auf der Grundlage von Quanteninformationen geebnet" und wichtige Grundlagen für das heute florierende Forschungsgebiet rund um "Quantencomputer, Quantennetzwerke und sichere quantenverschlüsselte Kommunikation" geschaffen.
Er sehe den Preis auch als "Ermutigung für junge Menschen", sagte Zeilinger, und riet ihnen: "Denkt nicht zu viel an künftige Anwendungen." Ohne die vielen Mitarbeiter hätte man den Weg in Richtung Anwendung nicht beschreiten können. Was man in den nächsten 20 Jahren sowohl im Feld der Grundlagen der Quantenphysik als auch bezüglich Anwendungen sehen wird, sei "absolut offen", sagte Zeilinger, der am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, zusammen mit Aspect und Clauser in Stockholm den Preis entgegennehmen wird.
Van der Bellen gratuliert Nobelpreisträger
Unterdessen gratulierte das offizielle Österreich und diverse Akteure aus dem Feld der Wissenschaften ausgiebig: Zu den ersten Gratulanten gehörte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der via Twitter seiner Freude Ausdruck verlieh: "Diese Auszeichnung gilt einem Pionier der Quantenphysik, einem großen Wissenschaftskommunikator, einem Forscher, wie er im Buche steht." Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) gratulierte ebenfalls: "Das ist nicht nur eine große Ehre für ihn selbst, sondern auch für unser Land."
Zu einer "unglaublichen Leistung" beglückwünschte Wissenschafts-und Forschungsminister Martin Polaschek (ÖVP) Zeilinger, den er als eine "Koryphäe auf seinem Gebiet" bezeichnete. Zeilingers Nachfolger als ÖAW-Präsident, Heinz Faßmann, bezeichnete die Auszeichnung als "Sensation und hochverdient". Unter anderem durch Zeilingers Mithilfe habe "das Forschungsland Österreich hat wieder an die internationale Spitze aufgeschlossen".
Wer ist Anton Zeilinger?
Anton Zeilinger (* 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis) ist ein österreichischer Quantenphysiker und Hochschullehrer an der Universität Wien. Im Jahr 2022 wurde ihm gemeinsam mit Alain Aspect und John Clauser der Nobelpreis für Physik zuerkannt für den Nachweis, dass Korrelationen zwischen Quantenobjekten stärker sein können als die Bell-Ungleichung erlaubt, und die dadurch möglichen Experimente mit verschränkten Photonen und die Grundlagen der Quanteninformation.
(Quelle: apa)