Die Laienrichter gingen entgegen der Anklage mit 7:1 Stimmen davon aus, dass es der zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alten Schulabbrecherin zwar gezielt darauf ankam, Melissa M. schwer zu verletzen. Tötungsvorsatz habe sie beim Zustechen aber keinen gehabt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Während die mittlerweile 16-Jährige das Urteil nach kurzer Beratung mit ihrem Verteidiger Lennart Binder annahm, legte Staatsanwältin Isabelle Papp umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein.
"Sie hat mich erniedrigt. Sie hat mich verletzt", hatte die 16-Jährige in der Beschuldigteneinvernahme über die von ihr zu Tode gebrachte Melissa M. gesagt. Die ein paar Monate Ältere hatte eine Beziehung mit einem Ex-Freund der Angeklagten begonnen und soll diese deswegen gehänselt und bemerkt haben, sie sei "schöner". Nachdem die beiden eine Nacht in einer Wohnung eines Bekannten verbracht und dabei Alkohol und die Designerdroge MCE konsumiert hatten, soll Melissa M. am nächsten Morgen ihre Anwürfe wiederholt haben, als der 36 Jahre alte Mann seine Wohnung verließ und einen Arzt aufsuchte, um sich krankschreiben zu lassen.
Das hatte einen Streit zufolge, an dessen Ende die Täterin aus einer Küchenlade ein Messer ergriff, das der Inhaber der Wohnung zum Fischfiletieren zu verwenden pflegte. Das stieß sie dem nur 42 Kilogramm schweren Opfer von hinten durch die Rumpfwand. Die Klinge beschädigte Lunge, Milz, Magen und Herzbeutel. "Mit einem zwei Zentimeter großen Loch in der linken Herzkammer, da blutet man in wenigen Minuten aus", stellte Gerichtsmediziner Christian Reiter hinsichtlich der Todesursache fest.
Nur Minuten später, nachdem sie noch ebenso vergeblich wie verzweifelt versucht hatte, die Sterbende zu reanimieren, postete die 16-Jährige auf Facebook folgende Nachricht: "Es tut mir leid. Jetzt komme ich in den Häf'n. Jetzt habe ich meine beste Freundin abgestochen." Bereits am 16. Mai hatte sie in dem sozialen Netzwerk ihrem virtuellen Freundeskreis anvertraut: "Beste Freundin hängt mit Ex herum. Leben oder Tod??? Auf was tippt ihr?" Als einer ihrer Facebook-Kontakt darauf mit "Toood?" reagierte, erwiderte sie: "Jackpot! Der Gewinner kriegt sie von mir tot geschenkt. Na Spaß."
Die beiden Mädchen kannten einander seit der Volksschule. Die zwei waren in schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen und gaben einander Halt, wie die Staatsanwältin in ihrem Eingangsplädoyer dargelegt hatte: "Sie haben Kummer, Sorgen, das tägliche Leid miteinander geteilt." Beide hätten sich "in einem schwierigen Alter, mitten in der Pubertät" befunden, gab die Anklagevertreterin zu bedenken.
Die Angeklagte war ihrer Darstellung zufolge mit 13 mit Drogen in Kontakt gekommen: "Am Anfang war's Gras. Dann ist MMC dazu gekommen." Im Jänner 2013 habe sie nach einem Trip "einen Filmriss gehabt" und sich danach im AKH in Behandlung begeben. Die verordneten Medikamente habe sie aber "eher schlampig" genommen: "Die Drogen waren interessanter."
Auch am Abend vor der inkriminierten Tat habe sie gesnieft. Wie schon öfters zuvor habe sie davon "paranoide Schübe, Wahnvorstellungen" bekommen: "Ich habe immer Männer gesehen, die mich verfolgen." In der Früh, als Melissa vor ihr stand und - angeblich - "Du weißt, dass ich schöner und besser bin" sagte, habe sie "wirklich Angst bekommen", versicherte die Angeklagte. Um nach einer kurzen Pause schluchzend "Und dann habe ich hingestochen" hinzuzufügen.
"Ich hab' mich so gehasst in dem Moment. Ich wollte, dass sie wieder lebt", setzte die Angeklagte fort. Sie habe erfolglos Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht: "Ich weiß nur noch, wie sie die Augen verdreht hat. Sie hat vibriert."
Die psychiatrische Sachverständige stufte die behaupteten paranoiden Wahnvorstellungen als "nicht nachvollziehbar" ein. Der Drogenmissbrauch habe lediglich eine "sensitive Überempfindlichkeit" und eine "aggressive Triebenthemmung" bewirkt, sagte die Gutachterin Gabriele Wörgötter. In der Persönlichkeit des Mädchens sei "sehr viel Wut, Aggression und Neid aufgestaut".
Die Designerdroge MEC habe zu einer "geminderten Steuerungsfähigkeit" geführt. Im Tatzeitpunkt sei jedoch Zurechnungsfähigkeit und damit Schuldfähigkeit gegeben gewesen, widersprach die Gutachterin dem Verteidiger. Dieser hatte damit argumentiert, das Mädchen wäre "vollgepumpt mit Drogen" und damit außerstande gewesen, das Unrecht ihrer Tat einzusehen.
(Quelle: salzburg24)