Die Grünen sehen die Koalition durch die Aussagen von Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) belastet. Gleichzeitig schränkte die Grüne Fraktionsführerin im ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss, Nina Tomaselli, aber ein, dass sich die Aussagen Schmids auf Personen "aus der Vergangenheit" beziehen. Gegen die aktuellen Personen im Kanzleramt gebe es dagegen keine neuen Vorwürfe. "Die große Täuschung von Sebastian Kurz und seinem Machtzirkel ist aufgeflogen", betonte Tomaselli vor der heutigen Ausschusssitzung vor Journalisten. "Mit dieser These sind wir in den Ausschuss gestartet, diese These hat sich nun auch für die schwer Überzeugbaren bestätigt."
Sobotka soll Ausschussvorsitz abgeben
Mit steuerfinanzierten Fake-Umfragen hätten Ex-Kanzler Kurz (ÖVP) und seine Entourage nicht nur die Bevölkerung täuschen wollen, sondern sogar die eigenen Parteifreunde. Im Zentrum der Affäre würden eben Kurz, Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und "junge Männer" um sie herum stehen - diese seien aber "nicht mehr da".
An Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der den Vorsitz im Ausschuss innehat, appellierte Tomaselli erneut, den Ausschussvorsitz abzugeben. "Es liegt in seiner Hand, Schritte zu setzen. Er sollte langsam, aber sicher in sich gehen, ob das Bild, das er hier zeigt, sich die Österreicher von einer verantwortungsvolle Politik erwarten." Am Mittwoch führte Sobotka selbst nicht den Ausschuss - das sei aber "schon lange geplant" gewesen, so ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger.
Akten liegen U-Ausschuss nicht vor
Für diesen zeichnet die Aussage von Schmid ein Bild, dass er "strikt" ablehne. Das sei nicht sein Verständnis von Politik. Bemerkenswert ist aus Hangers Sicht, dass die Akten bereits den Medien, aber nicht dem U-Ausschuss vorliegen. Daher könne er sie auch nicht beurteilen. Hanger forderte von Justizministerin Alma Zadic (Grüne), diese möglichst schnell dem U-Ausschuss zu übermitteln.
ÖVP will Schmid im November laden
Was Schmid anbelangt, will ihn die ÖVP am 3. November laden, so Hanger: "Damit er unter Wahrheitspflicht aussagt." Kritik übte er in diesem Zusammenhang an der WKStA: "Wir verstehen nicht, dass er 15 Tage für die WKStA Zeit hat, für den U-Ausschuss aber nicht." Bei Sobotka, der die Vorwürfe zurückweise, ortet Hanger ein "offensichtliches Anpatzen" und daher keinen Grund für Konsequenzen.
Kogler fühlt sich bestätigt
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fühlt sich nach den Aussagen von Ex-Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in seinem Vorgehen im letzten Jahr bestätigt. Fragen nach der Bedeutung der Aussagen Schmids für die aktuelle Koalition beantwortete er vor dem Ministerrat am Mittwoch nicht. ÖVP-Chef Kanzler Karl Nehammer forderte in einer Stellungnahme gegenüber der APA "volle Aufklärung" durch die Justiz.
Aktuellen Handlungsbedarf sieht Nehammer offenbar nicht: Die Vorwürfe von Thomas Schmid gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere würden "die Vergangenheit betreffen", meinte Nehammer in einer knappen schriftlichen Stellungnahme. "Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann ist das nicht in Ordnung."
Nehammer für "volle Aufklärung"
Es stünden "jetzt viele konkrete und unkonkrete Aussagen von Thomas Schmid gegen viele Personen im Raum, deren Wahrheitsgehalt niemand von uns überprüfen kann", betonte der ÖVP-Chef, der unter Kurz in die Spitzenpolitik kam, aber gleichzeitig. "Es braucht nun volle Aufklärung, die von den Ermittlungsbehörden zu leisten ist", so Nehammer. "Die Justiz soll diese Ermittlungen sorgfältig führen, ich habe das Land durch eine Krise zu führen." Für seine eigene politische Arbeit seien "Transparenz, Klarheit und Aufklärung die Grundlage", verwies Nehammer auf bereits gesetzte Reformschritte wie das neue Parteiengesetz oder die Vorlage eines neuen Medientransparenzgesetzes.
Vizekanzler Kogler wiederum meinte beim Eintreffen ins Kanzleramt zum Ministerrat, mit dem Ultimatum an den damaligen Kanzler und ÖVP-Chef Kurz zum Rückzug vergangenen Herbst habe man die richtigen Konsequenzen gezogen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und er hätten immer gesagt, dass die Justiz in Ruhe arbeiten können müsse, so Kogler. Das habe diese nun akribisch getan.
An die Nationalratsabgeordneten und speziell die NEOS appellierte Kogler, den ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschuss zu verlängern. Dort könnten noch Aspekte geklärt werden, welche die Strafjustiz eventuell nicht im Auge habe.
NEOS wollen U-Ausschuss nicht verlängern
Die NEOS bleiben bei ihrer Entscheidung, den U-Ausschuss nicht verlängern zu wollen. Auch in Schmids Aussagen hätten sich keine neuen Sachverhalte, keine "neuen Spielarten der Korruption" gezeigt. Der U-Ausschuss habe die politische Verantwortung geklärt, so Krisper: "Das Bild ist klar, die ÖVP hat ein Korruptionsproblem". Es gebe aber keinen Verlängerungsbedarf, weil alle Schlupflöcher klar identifiziert seien und damit auch, welche Reformen es braucht.
Für den FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker ist mit der Aussage Schmids der "Missing Link" gefunden. "Liebe ÖVP, es ist vorbei." Zuletzt habe die ÖVP immer wieder die "verrückt gewordene Beamtenschaft" für die Vorgänge um Umfragen etc verantwortlich gemacht. "Bisher war das Bindeglied zwischen Kurz und der Beamtenschaft nicht da, das ist es jetzt mit Thomas Schmid."
Verlängerung für Hafenecker sinnvoll
Auch für Hafenecker ist "nicht nachvollziehbar", warum Schmid 15 Tage bei der WKStA sitzen könne - "und auf der anderen Seite ist der Innenminister vergeblich auf der Jagd", um ihn dem Ausschuss vorführen zu lassen. Offenbar würden Justiz- und Innenministerium nicht miteinander sprechen. An die NEOS appellierte Hafenecker, den Ausschuss zu verlängern. "Ich verstehe nicht, warum die Führung der NEOS hergeht und mutwillig den Ausschuss abdreht, nur um vielleicht in Niederösterreich in eine Regierungsverantwortung zu kommen." Auch Tomaselli ist für eine einmalige Verlängerung.
Für SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer füllen die bekannt gewordenen Aussagen von Schmid die Lücken zwischen den Chats und den E-Mails im U-Ausschuss und komplettieren damit das "Bild von der Korruption der ÖVP". "Mittlerweile ist es schwierig, dieses Bild nicht zu sehen", so Krainer: "Eine Reihe von ÖVP-Politikern sollte beginnen, ihre Schreibtische zu räumen." Angesichts der Verdachtslage habe Leugnen irgendwann keinen Sinn mehr, betonte Krainer.
(Quelle: apa)