„Er hat vor allem seine Erwartungen an den Verhandlungspartner ÖVP adressiert. Er erwartet sich Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und dass akzeptiert wird, dass er der Erste ist und deswegen bei der Verhandlung den Ton angeben wird“, fasst der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck im S24-Interview seinen ersten Eindruck nach Herbert Kickls Rede am Dienstagnachmittag zusammen. Es gehe darum, die Fronten klarzumachen. Sollte keine Vertrauensbasis geschaffen werden, könne es zu Neuwahlen kommen, erklärte der FPÖ-Chef. Seine Partei sei dafür gerüstet, betonte er. Kickls Auftreten beschreibt Mühlböck als „nicht überraschend“. Dass er Österreich ehrlich und für das Volk regieren möchte, seien keine neuen Dinge. "Zuerst das Volk, dann der Kanzler": Diese Ansage habe Herbert Kickl bereits gemacht, so der Politologe.
"Positiver Verhandlungsabschluss wahrscheinlich"
Der Politikwissenschafter geht davon aus, dass die ÖVP das Angebot für Verhandlungen annehmen wird. Die Volkspartei habe das bereits klargemacht. „Ich denke, dass man versuchen wird, aufeinander zuzugehen, eine Regierung zu verhandeln und zu einem positiven Abschluss kommen wird. Das ist die wahrscheinlichere Variante.“ Bei Neuwahlen würde die Volkspartei noch schlechter aussteigen als jetzt den Juniorpartner unter Kanzler Kickl zu machen, so Mühlböck. „Stand heute würde die Volkspartei bei Neuwahlen noch mehr verlieren und die freiheitliche Partei noch mehr gewinnen. Unabhängig davon würde sich an der Ausgangssituation bei der Regierungsbildung wenig ändern. Wir würden nicht sehr viel gescheiter werden.“
Der nun geplante Weg sei rational und vernünftig. Dennoch wirft der Experte ein: „Politik funktioniert nicht immer rational, wie wir alle gerade erlebt haben. Das Ende der Verhandlungen der Dreier-Variante war überraschend und nicht sinnbringend. Aber dennoch ist es passiert.“ Das Wort „nie“ dürfe man in der Politik nicht sagen, da immer Unvorhersehbares passieren könne.
Gemeinsamkeiten und Hürden bei FPÖ und ÖVP
„Wir können gespannt sein, was auf uns zukommt und was die beiden Parteien alles aushandeln. Die Herausforderungen sind groß – unabhängig davon, wer die Regierung verhandelt.“ Gemeint sind die budgetären Schwierigkeiten und die Ankurbelung des Wirtschaftsmotors. Diese Punkte würden jede Regierung treffen. Im Bereich der Wirtschaftspolitik sieht der Salzburger Politologe große inhaltliche Überschneidungen und rechnet mit einer schnellen Einigung – genauso wie bei der Migrationspolitik.
An welchen Schrauben im Rahmen der Budgetsanierung gedreht werden soll und wie, werde hingegen Reibungspunkte verursachen. Das gelte auch für den Umgang mit der Teuerung. „Die FPÖ hat staatliche Eingriffe gefordert, beispielsweise durch Preisdeckel bei Mieten, Lebensmittel- und Energiekosten oder Spritpreisen. Schauen wir, wie das zusammengeht.“ Auch bei der Sicherheits- und Außen- bzw. EU-Politik könnte es schwierig werden. „Die Freiheitlichen sind strikt gegen Sky Shield, die ÖVP hat es forciert. Es geht auch um die Position von Österreich im Ukraine-Krieg und die Russland-Sanktionen sowie die Europapolitik.“
Nicht zu vergessen sei die Medienpolitik und in diesem Zusammenhang den ORF und die Haushaltsabgabe. „Für die freiheitliche Partei ist es eine Zwangssteuer, die weggehört. Mal schauen, wie man in Richtung Medienpolitik miteinander umgeht.“ Auch wenn dieses Thema vermutlich nicht das erste in den Verhandlungen sei, dürften die Medien durchaus eine Rolle spielen, so Mühlböck abschließend.
(Quelle: salzburg24)