Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hat am Dienstag verschiedene Änderungsvorschläge bei der boomenden Bildungskarenz vorgelegt. Bisher hat Kocher die Reformoptionen mit den Sozialpartnern besprochen. Nun sollen Verhandlungen mit dem grünen Regierungspartner starten. Der Arbeitsminister will unter anderem im "Regelfall keinen unmittelbaren Anschluss" von Bildungskarenz an die Elternkarenz mehr erlauben und eine verpflichtende Bildungsberatung einführen.
Bildungskarenz aktuell "nicht zielgerichtet"
"Die Bildungskarenz ist eine wichtige Weiterbildungsmaßnahme, die in ihrer aktuellen Form aber leider nicht zielgerichtet genug ist", sagte Kocher am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit Wifo-Ökonomen anlässlich der Präsentation einer Wifo-Studie zur Bildungskarenz. "Das Instrument ist ein Gutes aus meiner Sicht. Es soll besser werden, es soll erhalten bleiben." Bei den Reformvorschlägen gehe es nicht um ein "Sparpaket". Ziel sei unter anderem eine bessere Absicherung von Geringverdienerinnen und Geringverdienern und eine Stärkung von "anspruchsvollen Weiterbildungsformaten".
Studienleistung soll verdoppelt werden
Zu den Reformvorschlägen von Kocher zählt auch die Erhöhung des täglichen Weiterbildungsgeld-Tagsatzes von derzeit 14,5 Euro auf 32,2 Euro, bessere Kontrollmöglichkeiten der Weiterbildungskurse-Anwesenheiten, eine verpflichtende Angabe des gewählten Ausbildungsziels und eine Verdoppelung der Studienleistung auf 16 ECTS-Punkte. Prüfungen im Rahmen der Bildungskarenz sollen künftig zumindest angetreten werden müssen, ansonsten muss das Weiterbildungsgeld zurückbezahlt werden. Die Prüfungen müssen aber nicht erfolgreich bestanden werden.
Grüne „strikt gegen“ Verschärfung
Grünen-Sozialsprecher Koza kann sich die Anhebung des Weiterbildungsgeld-Tagsatzes, die Bildungsberatung und eine stärkere Qualitätskontrolle der Bildungsmaßnahmen vorstellen. "Strikt gegen" Verschärfungen ist Koza beim Übergang von Elternkarenz in Bildungskarenz. "Ich sehe den Sinn nicht", sagte der Grünen-Politiker zur APA. ÖVP und Grüne haben in ihrem Regierungsprogramm 2020-2024 das Weiterbildungsgeld nicht extra erwähnt.
Die NEOS fordern eine umfassende Bildungskarenz-Reform von Kocher. "Die Kernprobleme lässt er unberührt: Die Bildungskarenz wird derzeit völlig zweckentfremdet", kritisierte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Vor allem junge und bereits gut ausgebildete Arbeitskräfte würden in Bildungskarenz gehen. Die Bildungskarenz sei "auch nicht erfunden worden, um die Babypause von Jungeltern zu verlängern", so Loacker.
ÖGB fordert Anhebung des Karenzgelds
Der ÖGB pocht auf Verbesserungen bei der Bildungskarenz, etwa die Anhebung des Bildungskarenzgelds auf 33 Euro pro Tag. "Die Bildungskarenz ist ein wichtiges Instrument, gerade weil es das einzige ist, bei dem Arbeitnehmer:innen selbst entscheiden können, welche Weiterbildung für sie wichtig ist", so die ÖGB-Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl in einer Aussendung. Bildungskarenz und Bildungsteilzeit würden vor allem von Frauen in Anspruch genommen und dürften "nicht drastisch eingeschränkt werden".
Die Industriellenvereinigung (IV) sprach sich für "eine effiziente und arbeitsmarktorientierte" Bildungskarenz aus. "In Zeiten sich rasch ändernder Qualifikationsbedarfe und eines spürbaren Fachkräftemangels ist die Förderung von Aus- und Weiterbildung unabdingbar", sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die Bildungskarenz könne "hier einen wertvollen Beitrag leisten, wobei aber sichergestellt werden muss, dass ein effizienter, praxisorientierter und arbeitsmarktpolitisch sinnvoller Einsatz des Instruments erfolgt".
Kombinationsmodell boomt seit 2019
Seit 2019 boomt die Kombination von zwölf Monate einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld und dann zwölf Monate Weiterbildungsgeld. Die Ausgaben des Arbeitsmarktservice (AMS) für Bildungskarenz inklusive Sozialversicherungsbeiträge schnellten zwischen 2019 und 2023 von rund 200 auf über 500 Mio. Euro nach oben. Zuletzt bezogen monatlich durchschnittlich mehr als 18.000 Frauen und 4.000 Männer Weiterbildungsgeld.
Laut Wifo ging zuletzt mehr als jede zehnte Frau nach der Elternkarenz in Bildungskarenz, bei den Gesamtbeschäftigten nimmt jährlich eine Person von 1.000 Weiterbildungsgeld in Anspruch. Es gibt Weiterbildungsanbieter die im Internet mit Slogans wie "BabyPause verlängern - 1 Jahr mehr!" werben. Zwischen "einigen Wochen" und drei Monaten sollten Eltern nach der Babykarenz wieder in die Arbeit retour kommen und dann erst auf Bildungskarenz gehen dürfen, sagte Kocher.
Wifo legt Analyse vor
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) hat im Auftrag des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums die Bildungskarenz und Bildungsteilzeit evaluiert. Die im Oktober 2023 fertiggestellte quantitative und qualitative Analyse im Ausmaß von 200 Seiten wurde am Dienstag offiziell vorgestellt. "Die Bildungskarenz ist ein wichtiges Instrument zur Förderung der Weiterbildung", sagte Wifo-Ökonom Rainer Eppel. Laut Wifo gibt es positive Langfristeffekte auf das Einkommen durch die Bildungskarenz. Das Wifo empfiehlt die Effektivität der Bildungskarenz und Bildungsteilzeit zu optimieren, unter anderem mit einer "Stärkung der Bildungskomponente" durch die Zertifizierung der Weiterbildungsangebote, die Unterstützung der Teilnahme von weniger bildungsaffinen Gruppen und älteren Personen sowie "die Stärkung einer zielkonformen Nutzung".
(Quelle: apa)