In Österreich hat sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres die Zahl der Einbürgerungen mehr als verdoppelt. Dabei sind knapp 40 Prozent der Eingebürgerten Nachkommen von NS-Opfern, für die es seit September 2020 Erleichterungen gibt. So wurde die Staatsbürgerschaft bis Ende März an 4.865 Personen verliehen, darunter an 1.925 im Ausland lebende Menschen. Das bedeutet eine Steigerung von 102,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahrsquartal (2.402).
Van der Bellen fordert Lockerungen
Im europäischen Vergleich ist Österreich bei der Vergabe der Staatsbürgerschaft aufgrund strenger Regelungen dennoch Schlusslicht. Diesen Umstand nahm vergangene Woche Bundespräsident Van der Bellen zum Anlass – der erst kürzlich die Wiederkandidatur bei der Bundespräsidenten-Wahl im Herbst bekannt gab – und sagte, dass seiner Ansicht nach die Hürden zur Erlangung der Staatsbürgerschaft "zu hoch" seien.
Strenge Einbürgerungsregeln in Österreich
Um einen österreichischen Pass zu erhalten, muss nämlich eine ganze Reihe von Forderungen erfüllt werden, etwa entsprechende Deutschkenntnisse, ein finanziell gesicherter Lebensunterhalt, ein mindestens zehnjähriger Aufenthalt in Österreich sowie Unbescholtenheit. Kritiker der geltenden Regelungen weisen dabei auch auf ein demokratiepolitisches Problem hin, da Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft hierzulande nicht wählen dürfen.
Einbürgerungen: ÖVP gegen Aufweichen
Zur Forderung Van der Bellens nahm am Wochenende auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Stellung. Er stellte klar, dass es mit ihm kein Aufweichen der Staatsbürgerschaft geben werde. Ähnlich meldete sich zuvor bereits ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner auf Twitter zu Wort. Sie wies darauf hin, dass es bei der Staatsbürgerschaft um "ein hohes Gut" handle, für "deren Erwerb es sinnvolle Regeln" gebe.
Grüne stellen sich hinter Van der Bellen
Unterstützung erhält der Bundespräsident hingegen von den Grünen: "Die grüne Position ist ganz klar, wir sehen es wie der Bundespräsident", sagte Alma Zadic in einem "ZiB2"-Interview. Erleichterungen beim Erlangen der Staatsbürgerschaft seien vorstellbar, allerdings gebe es keine parlamentarische Mehrheit für das Vorhaben, weshalb man dies in der aktuellen Legislaturperiode nicht zusammenbringen werde.
Fachkräftemangel entgegenwirken
Wifo-Chef Gabriel Felbermayer bringt hingegen ein wirtschaftliches Argument in die Diskussion ein. So müsse der Standort Österreich attraktiv gemacht werden, um dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können. "Das heißt schon, dass eine großzügigere Handhabe bei der Staatsbürgerschaft helfen kann", so der Ökonom in der ORF-"Pressestunde".
Regeln auch für in Österreich geborene Kinder
Der schwierige Zugang zur Staatsbürgerschaft in Österreich wirkt sich laut der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch auch auf hier geborene Kinder aus. So auch der Nachwuchs von Menschen, die schon seit Jahren hier leben, einen Einkommensnachweis erbringen, um eine Chance auf die Staatsbürgerschaft haben. "Das sei sozial ausgrenzend und extrem unfair gegenüber den betroffenen Kindern", teilt die Organisation in einer Aussendung mit.
(Quelle: salzburg24)