Erste Runde geschafft

Sondierungsgespräche gestartet: Schwarz-Rot vor Comeback?

(v.l.n.r.) Andreas Babler (SPÖ) und Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag, 24. Oktober 2024, anlässlich der Konstituierenden Sitzung des Nationalrats im Parlament in Wien.
Veröffentlicht: 25. Oktober 2024 07:20 Uhr
Die erste Sondierungsrunde zwischen ÖVP und SPÖ hat noch keine Hinweise gebracht, ob sich ein Comeback einer schwarz-roten Koalition ausgeht. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sprach im Anschluss von einem "langen und wahrscheinlich steinigen Weg", der vor den Verhandlern liege. Von SPÖ-Chef Andreas Babler gab es Lob für die Atmosphäre der ersten Unterredung.

"Professionell und korrekt in der Durchführung" sei der Austausch gewesen, erklärte Nehammer in einer Pressekonferenz nach der 4,5-stündigen Runde. Nicht einfach sei es, weil es "eine große Unterschiedlichkeit" zwischen den beiden Parteien gebe. Als besonders wichtige Themen für die Verhandlungen nannte der VP-Chef Stärkung des Standorts und Zuwanderung. "Ein weiter wie bisher darf es nicht geben und wird es mit uns auch nicht geben", bemühte Nehammer sein neues Credo. Österreich brauche Veränderung und Reform.

Babler nach erstem Gespräch optimistisch

Gar nicht so viel anders fiel Bablers Analyse aus: "Ein weiter wie bisher, das wollen wir nicht, aber auch kein Zurück in die Vergangenheit", unterstrich der SP-Vorsitzende. Und: "Niemand braucht eine Regierung, die streitet und keine Probleme löst."

Insgesamt bilanziert er in einer eigenen Pressekonferenz die erste Sondierungsrunde mit der ÖVP durchaus optimistisch: "Ich bin positiv darin gestimmt, dass die Verhandlungen so zu einer Regierung führen können." Jedoch schränkte er ein, dass die heutige Besprechung in erster Linie atmosphärisch geprägt gewesen sei. Der Ausgang sei daher offen.

Stimmung laut SPÖ-Chef "gut"

Die Stimmung sei jedenfalls "gut" gewesen: "Stand heute sind wir atmosphärisch da auf einem guten Weg." Babler sieht sich bestätigt, die Hand für Gespräche ausgestreckt zu haben. Er erinnerte auch an "Glanzpunkte" aus der Vergangenheit, die SPÖ und ÖVP gemeinsam gesetzt hätte. Als Beispiele dafür nannte Babler etwa den EU-Beitritt und die Bewältigung der Finanzkrise. Es werde aber nicht reichen, das Bestehende zu verwalten.

Daher wolle man die großen Herausforderungen in den Vordergrund stellen. Die SPÖ werde nur in eine Regierung gehen, wenn dies dazu führe, dass das Leben für die Menschen leichter und leistbarer werde. Angesichts der wirtschaftlich nicht positiven Lage bezeichnete er eine Regierungsbeteiligung auch als herausfordernd: "Es ist nicht nur sehr attraktiv, in den nächsten Jahren Verantwortung politisch zu übernehmen."

 

"Ein weiter wie bisher, das wollen wir nicht, aber auch kein Zurück in die Vergangenheit", unterstrich Babler. Und: "Niemand braucht eine Regierung, die streitet und keine Probleme löst." Wie es nun weitergeht, ließ Babler in weiten Teilen offen. "Es wird weiter noch Sondierungsrunden brauchen." Es gebe Kontakte beider Seiten auch mit NEOS und Grünen, "aber die Frage einer zukünftigen Dreierkoalition und mit wem, da muss man abwarten, was uns und die ÖVP betrifft", so der SPÖ-Obmann.

Rund 4,5 Stunden trafen sich die Teams von Volkspartei und Sozialdemokraten im Palais Epstein nahe dem Parlament. In einem Pressestatement im Bundeskanzleramt hatte ÖVP-Obmann Karl Nehammer davor redliche Gespräche versprochen. Beim Eintreffen zu der Unterredung meinte SPÖ-Chef Andreas Babler, es handle sich um einen "ersten Austausch über die großen Herausforderungen".

Nehammer trifft auch Meinl-Reisinger und Kogler

Stellungnahmen nach dem Gespräch wird es getrennt im Laufe des Nachmittags geben. Während die ÖVP unbemerkt den Tagungsort betrat und verließ, kam die SPÖ im Team durch den Vordereingang und verließ das Palais am selben Weg. Begleitet wurde Babler von Frauenchefin Eva Maria Holzleitner, ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian, der Dritten Nationalratspräsidentin Doris Bures, Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder und Vize-Klubchef Philip Kucher. Die ÖVP stellt sich mit Nehammer, Generalsekretär Christian Stocker, dem geschäftsführenden Klubobmann August Wöginger, Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und Staatssekretärin Claudia Plakolm auf.

Der Kanzler hat im Anschluss noch Einzel-Termine mit NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger und Grünen-Bundessprecher Werner Kogler vor sich, die sich bis in die Abendstunden ziehen werden. Geplant ist ja, eine der beiden Parteien noch hinzuzuziehen, da Schwarz-Rot im Nationalrat nur ein Mandat Überhang hätte.

ÖVP-Obmann mit Verständnis für "gewisse Aufregung"

Nehammer hatte am Vormittag noch einmal klargestellt, dass auch er selbst zunächst für einen Regierungsbildungsauftrag an die stärkste Partei gewesen sei und zeigte sich dessen bewusst, dass "bei manchen eine gewisse Aufregung um das Thema der Vergabe des Regierungsauftrags herrscht". FPÖ-Chef Herbert Kickl habe jedoch in den von Bundespräsident Alexander Van der Bellen beauftragten Gesprächen mit ÖVP und SPÖ keinen Partner für eine Regierungsbildung gefunden. "Und damit ist die Kickl-FPÖ nicht regierungsfähig." Die Regierungsverhandlungen wolle er mit großer Ernsthaftigkeit und Redlichkeit führen und Lösungen finden, bei denen auch "die, die uns nicht gewählt haben", mitgenommen werden können, betonte Nehammer. Österreich brauche eine stabile Regierung mit einer starken parlamentarischen Mehrheit, um die großen Zukunftsfragen des Landes zu lösen. "Faktum ist: Die radikalen Kräfte haben sich selbst aus dem Spiel genommen."

Warnung vor Protest am 9. November

Gleichzeitig hatte Nehammer vor einer für 9. November geplanten Demonstration von Gegnern einer Koalition ohne FPÖ gewarnt. Der ÖVP-Obmann erinnerte daran, dass die Demonstration unter dem Motto "Macht euch bereit" just am Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome von 1938 stattfinden soll. "Wofür machen sich die Menschen bereit, und wessen Wille geschieht hier?", fragte er in Anspielung an den Slogan "Euer Wille geschehe" der FPÖ im Nationalratswahlkampf, der offenbar auf das Vaterunser ("dein Reich komme, dein Wille geschehe") rekurrierte. Für den ÖVP-Chef und Bundeskanzler ist diese Demonstration "ein Schlag ins Gesicht der Demokratie, des Rechtsstaates, der Versammlungsfreiheit, unserer freien Gesellschaft", aber auch für die Angehörigen der Opfer dieser Pogrome. "Aus meiner Sicht ist das unerträglich", so Nehammer. Er forderte daher alle Parteien dazu auf, sich von dieser Demonstration zu distanzieren.

 

Nehammer sei offenbar "zu feig", Verhandlungen mit FPÖ-Chef Herbert Kickl aufzunehmen, reagierte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Stattdessen schlage der ÖVP-Chef nun den Weg einer "Austro-Verlierer-Ampel" ein. Eine stabile Regierung in den kommenden fünf Jahren könne es aber nur mit der FPÖ mit Herbert Kickl geben, die bei der Nationalratswahl schließlich klar stärkste Kraft geworden sei.

Kritik an gewähltem Demo-Datum

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim forderte die FPÖ hingegen dazu auf, die Entscheidung Van der Bellens zu respektieren. "Kickl hat seine Partei mit ihrer Politik und radikalen Rhetorik selbst aus dem Spiel genommen." Kickl solle sich außerdem von der angekündigten Demo distanzieren und zur Deeskalation beizutragen. Mache er das nicht, wäre das "ein weiterer Beweis, dass mit dieser Partei kein Staat zu machen ist". Kritik an der geplanten Demo übten auch die Grünen. Diese zeige erneut, "welche Geister die Kickl-FPÖ weckt". "Würden Kickl und Rosenkranz die Abgrenzung zur rechtsextremen Szene ehrlich meinen, müssten sie sich glaubwürdig von den Organisator:innen und deren verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rechtsextremen Auslassungen distanzieren", so Grünen-Chef Werner Kogler auf X.

Bildergalerien

SP\u00d6-Chef Andreas Babler am Freitag, 25. Oktober 2024, nach dem ersten Sondierungsgespr\u00e4ch mit der \u00d6VP in Wien.
SP\u00d6-Chef Andreas Babler am Freitag, 25. Oktober 2024, nach dem ersten Sondierungsgespr\u00e4ch mit der \u00d6VP in Wien.
\u00a0vlnr.: SP\u00d6-Chef Andreas Babler, Vize-Klubchef Philip Kucher und SP\u00d6 Frauenchefin Eva Maria Holzleitner am Freitag, 25. Oktober 2024, nach dem ersten Sondierungsgespr\u00e4ch mit der \u00d6VP in Wien.\u00a0
vlnr.: SP\u00d6-Chef Andreas Babler, Vize-Klubchef Philip Kucher und SP\u00d6 Frauenchefin Eva Maria Holzleitner am Freitag, 25. Oktober 2024, nach dem ersten Sondierungsgespr\u00e4ch mit der \u00d6VP in Wien.\u00a0
vlnr.: SP\u00d6-Chef Andreas Babler und Vize-Klubchef Philip Kucher am Freitag, 25. Oktober 2024, nach dem ersten Sondierungsgespr\u00e4ch mit der \u00d6VP in Wien.

(Quelle: apa)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken