FPÖ und ÖVP verhandeln seit Jahresbeginn bekanntlich um eine Regierungszusammenarbeit im Bund. Nachdem es diese Woche schon etwas gerumpelt hat, kritisiert nun die blaue Vizeparteichefin Marlene Svazek den geschäftsführenden ÖVP-Chef Christian Stocker. "Wer ernsthaft und seriös verhandeln will, der tut das im dafür vorgesehenen Rahmen", warf Svazek am Samstag Stocker wegen eines Hintergrundgesprächs mit Journalist:innen einen "medialen Alleingang" vor.
Das fordert die ÖVP von der FPÖ
ÖVP-Chef Christian Stocker hat am Freitag von den Freiheitlichen eine Bewegung "vom rechten Rand in die Mitte" gefordert. Ansonsten werde sich eine Regierung mit der ÖVP nicht ausgehen, meinte er. Als Knackpunkte nannte Stocker erneut ein klares Bekenntnis zur EU sowie Sicherheitsfragen, ohne jedoch konkrete rote Linien oder Verhandlungsdetails zu nennen. Bis zu einem Abschluss sei "noch einiges an Verhandlungsaufwand zu leisten" – bisher habe es aber noch keinen "Deal Breaker" gegeben.
Ein klares Bekenntnis zur EU, Sicherheit und Landesverteidigung, Rechtsstaat, liberale Demokratie, Medienfreiheit und der Kampf gegen Antisemitismus müssten gewährleistet sein. Mit den bisherigen Verhandlungen zeigte sich Stocker vorerst zufrieden: Die FPÖ habe diese auf Augenhöhe geführt, und es habe mehr Konsens als Dissens gegeben. Das heiße aber noch nichts: "Verhandlungen können auch an fünf Prozent der Dinge scheitern."
Svazek reagiert auf Stocker
Mit Unverständnis reagierte Salzburgs FPÖ-Landesparteiobfrau und Bundesparteiobmann-Stellvertreterin Marlene Svazek auf den "medialen Alleingang von ÖVP-Parteiobmann Christian Stocker", wie es in einer Aussendung am Samstag heißt: Svazek lehne "das etwaige Ausrichten von Positionen oder Ergebnissen über die Medien strikt" ab, ließ die Salzburger Landeshauptmann-Stellvertreterin, die auch im Bund mit verhandelt, in einer Aussendung wissen. Die ÖVP sei am 29. September "eben nicht zur stärksten Partei gewählt worden" und werde "die geänderten Vorzeichen akzeptieren müssen", richtete Svazek ihrerseits aus. "Das Ausrichten, wer sich wohin bewegen müsse", bringe "auch als Juniorpartner keinen Verhandlungsvorteil, im Gegenteil".
FPÖ-Schelte aus Bundesländern
In weiteren Teilen der FPÖ kamen Stockers Ausführungen gar nicht gut an: Er habe "nicht nur eine unzulässige Standortbestimmung über die Freiheitliche Partei" getroffen, sondern der ÖVP-Chef "gefährdet auch die Gesprächsbasis für konstruktive Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung", warnte die steirische FPÖ. "Zu ernst gemeinten Verhandlungen gehört, dass beide Partner sich im Rahmen von vertraulichen Gesprächen austauschen und sich nicht über Medien und andere Dritte gegenseitig Standpunkte ausrichten", meinte Landeshauptmann Mario Kunasek.
"Die ÖVP muss auch auf Bundesebene lernen, Wahlergebnisse zu akzeptieren und einsehen, dass sie nicht mehr die stärkste Kraft in diesem Land ist und daher auch zu Kompromissen bereit sein muss", mahnte Kunasek. Es sei nachvollziehbar, dass sich Stocker wohl angesichts seiner bevorstehenden Wahl zum Bundesparteiobmann der ÖVP Ende März "mit öffentlichkeitswirksamen Kanten gegen die Freiheitlichen zu positionieren versucht", doch "parteitaktische Überlegungen" dürften "niemals über dem Wohle Österreichs stehen".
"Wir stehen zu unseren Prinzipien", betonte auch der niederösterreichische Landesparteichef und Landeshauptfrau-Stellvertreter Udo Landbauer. Alles andere wäre "Verrat am Wähler und dafür sind wir nicht zu haben". Die ÖVP müsse "endlich verstehen, dass die FPÖ durch diese Ehrlichkeit die Nationalratswahl gewonnen hat und dass das jetzt exhumierte Nehammer-Wording der 'angeblichen' Mitte abgewählt wurde", polterte er. "Verhandelt wird am Verhandlungstisch."
Die ÖVP werde ihre neue Rolle erst finden, die FPÖ stehe "längst staatspolitisch in der Mitte", befand auch Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp. "Der Wahlkampf ist vorbei", jetzt sei die "Zeit von seriösen Verhandlungen", meinte er. "Politische Verhandlungen gehören an den Verhandlungstisch und nicht in die Zeitungsspalten. Wer ernsthafte Lösungen anstrebt, muss direkt und sachlich kommunizieren, anstatt über die Öffentlichkeit Stille Post zu spielen."
"Manche Parteien scheinen aus ihren herben Niederlagen der letzten Monate nichts gelernt zu haben", hieß es aus der burgenländischen FPÖ. "Stille Post oder Hinterzimmergespräche über die Bande schaden in Wahrheit nur der ÖVP selbst und bringen unser Land gleichzeitig keinen Millimeter weiter." Die FPÖ sei "längst in der Mitte angekommen", glaubt auch der burgenländische Landesparteiobmann Alexander Petschnig. "Es ist höchste Zeit, dass die Volkspartei ihre neue Rolle als Verhandlungspartner nicht nur versteht, sondern auch ernst nimmt."
Auch Kickl meldet sich zu Wort
Deutlich sanfter als seine Länderkollegen klang Samstagnachmittag FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl. Er fand in einem Posting zwar Stockers Aussagen im Medien erstaunlich, wonach man eine Regelung finden wolle, auf EU-Ebene einheitlich zu handeln. "Eigentlich würde man sich erwarten, dass ein Verhandlungspartner - in unserem Fall die ÖVP - zuerst mit uns über ihre Absichten spricht. Leider wählte man hier einen gänzlich anderen Weg..." Allerdings, gab sich Kickl milde, "auch die FPÖ spricht sich für ein einheitliches und klares Auftreten der Bundesregierung auf EU-Ebene aus - ein Prinzip, das bis zur Causa Gewessler (Stichwort: EU-Renaturierung) stets selbstverständlich war".
Dieses gemeinsame Handeln müsse "auf einem klaren Bekenntnis zum Einstimmigkeitsprinzip und zur Subsidiarität beruhen", betonte Kickl. Klar sei damit auch, "Österreich wird künftig keine weiteren Kompetenzerweiterungen der EU mehr unterstützen und sich aktiv für die Rücknahme bereits erfolgter Fehlentscheidungen, wie der Schuldenunion, einsetzen".
So reagiert die Volkspartei
Die ÖVP versuchte, betont gelassen auf das blaue Gewitter zu reagieren: Alle sollten einen "kühlen Kopf bewahren", empfahl Generalsekretär Alexander Pröll in einer schriftlichen Stellungnahme. Es sei klar, dass die Volkspartei die Mitte repräsentiere. "Ob sich ÖVP und FPÖ in der Mitte treffen können, werden die Verhandlungen zeigen."
Am Montag werden die Verhandlungen fortgesetzt, ein akkordiertes Papier aller Gruppen wird laut APA-Informationen für das Monatsende erwartet.
(Quelle: salzburg24)