Fragen und Antworten

Was steckt hinter dem "Dick-Pic-Paragrafen"?

Veröffentlicht: 23. Juli 2024 13:40 Uhr
Der Koalitionsstreit um den sogenannten "Dick-Pic-Paragrafen" ist in den vergangenen Tagen in Österreich wieder aufgeflammt. Doch was steckt überhaupt dahinter, wo werden unerwünschte Genitalbilder bereits bestraft und warum werden sie trotzdem verschickt, wenn es die allermeisten Empfängerinnen als unangebracht und unangenehm empfinden? Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen.

Viele Frauen haben in ihrem Leben wohl schon einmal unaufgefordert das Bild eines männlichen Geschlechtsteils zugeschickt bekommen – und kaum eine Frau fand das wahrscheinlich gut. ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm hat dem von Alma Zadic (Grüne) geführten Justizministerium beim Verbot von ungefragt versendeten Penisbildern – auch "Dick-Pics" genannt – zuletzt Untätigkeit vorgeworfen. Hintergrund ist ein umfassendes Gewaltschutzgesetz in der Europäischen Union, das auch ein Verbot von ungefragt versendeten Penisbildern vorsieht. Die Mitgliedsstaaten haben drei Jahre Zeit, die Regelung in nationales Recht umzuwandeln. Das Justizministerium hat eine Umsetzung im Verwaltungsstrafrecht bereits prüfen lassen, woran sich Plakolm massiv stört.

"Dick Pics" als Beweis der Männlichkeit?

Aber was genau sind überhaupt "Dick Pics"? Solche Genitalbilder würden zumeist von Männern ungefragt verschickt, belegen mehrere wissenschaftliche Studien. Konkrete Zahlen für Österreich gibt es allerdings nicht. "Männer, die Bilder von ihrem Geschlechtsteil versenden, haben ein Problem mit ihrer Männlichkeit", sagte Sozialpsychologin Barbara Krahé dem Magazin "Spiegel" und erklärt das Phänomen: "Sie wollen sich selbst vergewissern, wie männlich sie sind und es dann gegenüber Frauen unter Beweis stellen." Sie hätten das Bedürfnis, Macht auszuüben: "Ich bin ein echter Mann, weil ich entscheide, wo die Grenzen sind – und ich überschreite sie ganz bewusst. Einfach nur, weil ich es kann." Die Absender solcher "Dick Pics" seien sich zumeist bewusst darüber, dass dieses Verhalten nicht in Ordnung ist. "Es trotzdem zu machen, bedeutet Mut, Dominanz", so Krahé. Die Anonymität des Internets dürfte die Schwelle für ein solches Verhalten senken – und zwar "in allen gesellschaftlichen Gruppen", wie Krahé betont.

Warum "Dick-Pics" höchstproblematisch sind

Das Phänomen des "Dick Pics" hat seine Wurzeln in verschiedenen Aspekten der menschlichen Kultur und Kommunikation und wird insbesondere durch die Verbreitung digitaler Technologien und sozialer Medien verstärkt. Es wurde Forschenden zufolge ein Umfeld geschaffen, in dem das Versenden solcher Bilder für einige Menschen zur Praxis geworden ist, auch wenn dies von den meisten – vor allem Empfängerinnen – als unangebracht und unangenehm empfunden wird.

  • Digitale Technologie: Mit der Verbreitung von Smartphones und Messaging-Apps wurde es unglaublich einfach, Fotos aufzunehmen und sofort zu versenden. Das hat die Barrieren für das Versenden von intimen Bildern erheblich gesenkt.
  • Soziale Medien und Dating-Apps: Plattformen wie Snapchat, Instagram, Tinder und andere haben den Austausch von Fotos und persönlichen Nachrichten erleichtert, was teilweise zu einem lockeren Umgang mit der Privatsphäre und Intimität geführt hat.
  • Anonymität im Internet: Das Internet bietet eine gewisse Anonymität, die es einigen Menschen leichter macht, Verhalten zu zeigen, das sie in persönlichen Interaktionen möglicherweise nicht ausleben würden.
  • Kulturelle und psychologische Faktoren: Manche Menschen könnten das Versenden solcher Bilder als eine Form der sexuellen Kontaktaufnahme oder auch als eine Machtdemonstration begreifen. In einigen Fällen mögen auch Missverständnisse über soziale Normen und Einvernehmlichkeit eine Rolle spielen.
  • Mediale Darstellung und Pornografie: Ein durchgängiger Einfluss von pornografischen Inhalten in den Medien könnte teilweise dafür verantwortlich sein, dass einige Personen die Schwelle zu solchen Handlungen niedriger setzen.

Strafrecht gegen Verwaltungsstrafrecht

Zurück ins Hier und Jetzt: Grund für die schon länger schwelende Debatte in der Koalition aus ÖVP und Grünen ist der Ort der Verankerung einer entsprechenden gesetzlichen Regelung: Plakolm verlangt eine Umsetzung über das Strafrecht, die Grünen wollen Verstöße über das Verwaltungsstrafrecht sanktionieren, was Plakolm wiederum ablehnt.

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Im Verwaltungsstrafrecht werden Übertretungen bestimmter Gesetze nicht durch Gerichte, sondern durch Verwaltungsbehörden geahndet. Das können Übertretungen in der Straßenverkehrsordnung, im Baurecht oder bei Ladenöffnungszeiten sein. In erster Instanz sind die Bezirksverwaltungsbehörden – die Bezirkshauptmannschaften oder Magistrate bzw. Landespolizeidirektionen zuständig, in deren Wirkungsbereich die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Bei einem rechtskräftigen Urteil nach dem Strafrecht, das von einem Gericht verhängt wird, drohen Gefängnisstrafen, die eine Vorstrafe mit sich bringen.

Koalitionsstreit um "Dick-Pic-Paragraf"

Die Grünen reagierten unterdessen verärgert und warfen Plakolm "billige Showpolitik" vor. "Leider will Staatssekretärin Plakolm mit dem Thema offenbar kurz vor der Wahl nur politisches Kleingeld wechseln und sich auf Kosten von betroffenen Mädchen und Frauen profilieren", so die stellvertretende Klubobfrau Meri Disoski. "Anders ist nicht zu erklären, wieso das Büro der Staatssekretärin unseren Gesetzesentwurf für ein Dick-Pic-Verbot seit fast einem Jahr ignoriert, unbeantwortet lässt und auch keine Verhandlungstermine dazu anbietet." Dort wiederum erwartet man sich einen neuen Vorschlag und beharrt auf der strafrechtlichen Verankerung. Aus dem Büro der Staatssekretärin heißt es, man habe erst Mitte Juni nach einem Stand der Dinge und einer Begründung für die Ablehnung der Verankerung im Strafrecht gefragt – ohne Antwort.

"Das Versenden solcher Bilder ist eine Grenzüberschreitung, eine Machtdemonstration und laut Expertinnen und Experten klar als sexuelle Belästigung einzustufen", sagte SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim unlängst und führte aus: "Für Betroffene entsteht oft eine große psychische Belastung. Rechtliche Möglichkeiten dagegen vorzugehen gibt es in Österreich allerdings kaum, da es keine gerichtlich strafbare sexuelle Belästigung darstellt."

Entsprechende gesetzliche Regelungen gegen unerwünschte Genitalfotos gibt es bereits in etlichen europäischen Ländern, wie etwa in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Finnland, Schweden, Niederlande und Belgien.

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(Quelle: salzburg24)

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