Wohnprojekt in Seekirchen

Wie neun junge Menschen in einer besonderen WG Selbstständigkeit lernen

Veröffentlicht: 15. Oktober 2024 15:56 Uhr
Gemeinsam kochen, Ausflüge unternehmen und Party machen – ein klassisches WG-Leben eben. Seit Juni 2023 leben in Seekirchen neun Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen unter einem Dach. Unterstützt werden sie von Betreuer:innen von „Jugend am Werk“. Warum die Bereichsleiterin will, dass die Bewohner:innen früher oder später ausziehen – obwohl alles gut läuft, lest ihr hier.
Moni Gaudreau

Rund 99.400 Menschen in Salzburg haben laut einer Erhebung des Gesundheitsministeriums eine Behinderung, das ist etwa jede:r Fünfte. 30.400 von ihnen leben mit starken Einschränkungen – sie haben zum Beispiel Schwierigkeiten beim Treppensteigen und Gehen von längeren Distanzen. Vor allem junge Menschen mit Behinderungen leben oft daheim mit ihren Eltern, die sie im Alltag unterstützen. Um die Angehörigen zu entlasten, aber auch Menschen mit Beeinträchtigungen ein Stück mehr Selbstständigkeit mitgeben zu können, wurde im Juni 2023 ein neues Projekt in der Behindertenbetreuung gestartet. Von Seiten der Bewohner:innen als auch von den Betreuer:innen läuft das Vorhaben seit mehr als einem Jahr sehr erfolgreich. Warum das so ist, haben wir uns näher angesehen.

In einer Wohngemeinschaft (WG) in Seekirchen (Flachgau) leben neun Bewohner:innen mit schweren körperlichen und leichten kognitiven Beeinträchtigungen gemeinsam unter einem Dach. Das Konzept dafür hat der Verein „Rolling Home“ 2018 entwickelt, die Idee wurde schließlich vom Land Salzburg aufgegriffen und ausgeschrieben. Den Zuschlag, dass sie die WG betreuen können, hat der Sozialdienstleister „Jugend am Werk“ erhalten. Finanziert wird die Gemeinschaft vom Land Salzburg. Dafür sind 13 Fachsozialbetreuer:innen und Alltagsbegleiter:innen eingestellt.

Intensive Betreuung morgens und nachmittags

„Besonders morgens und nachmittags werden immer viele Hände gebraucht“, erzählt Carina Grabmüller, Leiterin des Bereichs Menschen mit Behinderungen bei Jugend am Werk, im Gespräch mit SALZBURG24 am Dienstag. Bis zu fünf Mitarbeiter:innen helfen erst beim Anziehen, Frühstücken und Co. Später, wenn die Bewohner:innen von der Arbeit zurückkommen, wird wieder beim normalen Alltag unterstützt – Arzttermine wahrnehmen, Einkaufen oder einfach Kaffee trinken mit Freundinnen und Freunden. Untertags steht auch immer jemand auf Abruf bereit, sollten Bewohner:innen krank werden und deshalb zu Hause bleiben.

WG in Seekirchen mit 700 Quadratmetern

Eine WG mit neun Menschen hört sich recht turbulent an – wie kann das funktionieren? „Mit 700 Quadratmetern haben wir ein recht großes Haus, da kann man sich gut aus dem Weg gehen“, schmunzelt Grabmüller. Jede:r Bewohner:in hat eine Art Garconniere mit 35 Quadratmetern für sich, in die sie sich zurückziehen können. Zusätzliche Schalldecken dämmen auch die Geräuschkulisse, sollte mal eine Party in der Gemeinschaftsküche steigen.

Außerdem gab es vor dem Einzug auch ein Kennenlernen unter den Bewohnerinnen und Bewohnern – wie eben in einer „echten“ WG. „Das hat zwischen allen recht schnell gematcht“, freut sich die Bereichsleiterin. Außerdem lebe man in der Wohngemeinschaft ein „richtiges Miteinander“. Beim Kochen würden zum Beispiel alle zusammenhelfen, so gut wie eben jede:r kann.

Auszug aus WG als langfristiges Ziel

Auch wenn die WG in Seekirchen für die dauerhafte Betreuung ausgelegt ist, ist das Ziel ein anderes: „Wir wollen, dass die Bewohnerinnen dadurch mehr Selbstständigkeit erlangen und irgendwann in das Wohnen mit Assistenz übergehen“, erklärt Grabmüller. Die sechs Frauen und drei Männer, die aktuell in der WG leben, sind recht jung. Das Durchschnittsalter liegt bei 30 Jahren. Für den Großteil sei das die erste Wohnung ohne Eltern, da müsse man in Sachen Haushalt und Co „bei Null anfangen“.

Grabmüller geht davon aus, dass die WG in der Konstellation etwa zwei bis drei Jahre bestehen bleibt. Ohne Druck sollen die Bewohner:innen dann für eigene Wohnungen vorbereitet werden. Intern arbeite man bei Jugend am Werk an weiteren Konzepten, wie Menschen mit Behinderungen so selbstständig wie möglich leben können. „Es wird Zeit, dass sich das System an die Bedürfnisse der Menschen anpasst und nicht umgekehrt. Es gibt nicht nur Schema A und Schema B, da brauchen wir eher das ganze Alphabet“, so Grabmüller abschließend. Wann neue Projekte wie die WG in Seekirchen konkret umgesetzt werden, steht allerdings noch nicht fest.

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(Quelle: salzburg24)

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