Neolithiker waren Netzwerker

Funde in Mondsee legen älteste Währung der Welt offen

​Neolithische Feuersteinbergwerke in Mittel- und Osteuropa und die Verbreitungsrichtungen ihrer Rohstoffe. Die Mondseekultur bezog über den Alpenhauptkamm hinweg Feuersteine aus den Mt. Lessini, Prov. Verona sowie aus den bayerischen Bergwerken von Baiersdorf im Altmühltal und Arnhofen an der Donau.
Veröffentlicht: 19. September 2023 09:58 Uhr
Handelsbeziehungen, Wissenstransfer und Währungssysteme – das sind nicht nur Konzepte, die eine wichtige Rolle in der globalen Wirtschaft spielen, sie wurden bereits vor 7.000 Jahren gelebt. Denn schon damals gab es Netzwerke, die ganz Mitteleuropa verbanden. Das berichtet der Geoarchäologe Alexander Binsteiner auf der Grundlage von Funden von Feuersteingeräten im grenznahen Mondsee.

Mit der Mondseekultur und deren Ende hat sich der deutsche Geoarchäologe Alexander Binsteiner jahrzehntelang beschäftigt. Die Mondseekultur ist eine archäologische Kultur des Jungsteinzeit in Mitteleuropa, die von etwa 3.800 bis 3.300 v. Chr. im Salzkammergut und angrenzenden Gebieten existierte. Die Fundstellen am Mondsee und Attersee gehören seit 2011 zur grenzübergreifenden UNESCO-Welterbestätte. 2008 entdeckte Binsteiner am Schafberg nahe des Sees Hinweise auf einen vorgeschichtlichen Bergsturz, dessen Schüttung heute Mondsee und Attersee trennt. Dieser Bergsturz könnte die Kultur in einem Binnentsunami ausgelöscht haben. Durch geschätzte 50 bis 100 Millionen Kubikmeter Blockschutt dürfte der Seespiegel des Mondsee um zwei bis vier Meter gestiegen sein, so die Erkenntnisse seiner Forschung.

Feuersteine, Funde A. Binsteiner
Funde aus der Pfahlbausiedlung von See am Mondsee. Von links nach rechts: Pfeilspitze aus Baiersdorfer Plattenhornstein mit Schäftungsspuren (schwarze Pechreste), Länge: 4,0 cm; große Messerklinge aus Feuerstein der Mt. Lessini, Länge 11,0 cm; kleinere Klinge aus gebändertem Arnhofener Plattenhornstein, Länge: 4,2 cm. Hintergrund: Unterwasseraufnahme der Pfahlbauten in See am Mondsee (BR Kulturmagazin Capriccio Beitrag „Pompeji am Mondsee“).

In der rund 500-jährigen Mondseekultur entstanden – wie Neufunde zeigen – auch Feuersteingeräte. Und eben deren Verbreitung lässt nun spannende Rückschlüsse auf 7.000 Jahre alte mitteleuropäische Handelsverbindungen und Währungssystem zu. „Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis liegt in den Verbreitungsstudien von Feuersteingeräten, deren Rohstoffe aus Bergwerken von Polen über Bayern bis nach Italien gewonnen wurden. In Ober- und Niederösterreich gab es dazu in den vergangenen Jahren bahnbrechende Neufunde“, schildert Binsteiner gegenüber SALZBURG24.

Klingen als Euro der Steinzeit

Neben Funden von Gerätschaften im Raum Melk, deren Feuersteine nachweislich aus Minen in Ungarn, Tschechien und Bayern stammten, wurden im Bezirk Krems etwa Plattenhornsteine aus dem niederbayerischen Feuersteinbergwerk von Arnhofen, das im fünften Jahrtausend vor Christus ein Gebiet von rund einer halben Million Quadratkilometer mit qualitativ hochwertigen Jurahornsteinen versorgte, entdeckt. Die dort gefundenen Klingen fungierten damals als Währung und sind nach Ansicht Binsteiners das „älteste Währungssystem der Welt“. Klingen waren gewissermaßen der Euro der Steinzeit.

Netzwerken schon vor 7.000 Jahren "modern"

Neben den Funden in der Wachau fanden sich in der Pfahlbausiedlung von See am Mondsee Hunderte von Feuersteingeräten, darunter eine erstklassig erhaltene Messerklinge aus Feuerstein der Lessinischen Berge. „Ein Dutzend der insgesamt 525 Pfeilspitzen sowie Klingen und Erntesicheln von See stammten aus den bayerischen Feuersteinbergwerken von Arnhofen nahe der Donau und Baiersdorf im Altmühltal. Sie befinden sich heute in der Sammlung Much im Institut für Urgeschichte der Universität Wien“, weiß der 67-Jährige.

Handelsbeziehungen in Mondsee

Für Binsteiner ist das gleichzeitige Zusammentreffen von Feuersteinen aus weit entfernt liegenden Regionen in neolithischen Siedlungen wie am Mondsee ist „ein sicheres Indiz für Handelsbeziehungen und kulturellen Austausch“, sagt er. Demzufolge waren die Menschen der Jungsteinzeit die ersten Netzwerker, die über große Entfernungen hinweg in Verbindung standen.

(Quelle: salzburg24)

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