"Zeichen der Wertschätzung"

Kommt jetzt Denkmal für Gastarbeit in Salzburg?

Veröffentlicht: 24. Mai 2024 13:28 Uhr
Zehntausende Menschen mit Migrationsgeschichte leben und arbeiten seit Jahrzehnten im Land Salzburg – und tragen damit unmittelbar zum Wohlstand der Gesellschaft bei. Ein Denkmal für die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter könnte nun in der Landeshauptstadt Realität werden. Das wäre ein Novum in Österreich.

Zuwanderung und Arbeitsmigration hat es im Land Salzburg schon immer gegeben. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, als Österreich von einer großen Auswanderungswelle betroffen war, spielte die Gastarbeit eine bedeutende Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft. Arbeitskräfte wurden während des Wirtschaftsbooms in den 1950er- und 1960er-Jahren dringend benötigt – ob auf Baustellen, in der Schwerindustrie, im Gastgewerbe oder in Skifabriken.

Versäumnisse nach Anwerbeabkommen

Anwerbeabkommen wurden schließlich mit Italien (1956), Spanien (1962), Türkei (1964), Griechenland (1964) und dem damaligen Jugoslawien (1966) geschlossen. Die Idee dahinter: Arbeitskräfte bleiben für ein oder zwei Jahre und gehen dann zurück in ihre Heimat. Ein Trugschluss, wie sich rasch herausstellte. "Politik und Wirtschaft haben nicht damit gerechnet, dass die Menschen bleiben", sagt die Salzburger Migrationshistorikerin Sylvia Hahn im SALZBURG24-Gespräch. Das habe schwerwiegende Folgen mit sich gebracht. "Schulen waren nicht auf anderssprachige Kinder vorbereitet. Offene Fragen gab es auch zur Unterbringung, Versorgung und Ausbildung der Menschen." Anfangs gab es nur wenige oder gar keine staatlichen Integrationsmaßnahmen, wie Sprachkurse oder kulturelle Orientierungsprogramme, die den Neuankömmlingen helfen sollten, sich in die Gesellschaft einzufügen.

Viele Gastarbeiterfamilien wurden in abgetrennten Wohnverhältnissen untergebracht, was ihre soziale Integration erschwerte. Auf der anderen Seite sei die österreichische Bevölkerung nur unzureichend über die Gründe und die Bedeutung der Gastarbeit informiert, was oftmals zu Missverständnissen und Vorurteilen führte. Bis heute sei in Sachen Integration zwar viel, aber dennoch zu wenig gemacht worden.

Gastarbeit lockt zehntausende Arbeitskräfte

In Salzburg lagen die Hotspots der Gastarbeit neben der Landeshauptstadt vor allem im Pongau. Bei der Atomic-Skifabrik in Altenmarkt war etwa jeder Dritte ein Gastarbeiter. Ab den 1970er-Jahren wurde der Familiennachzug erleichtert, was zu einer dauerhaften Ansiedlung vieler Gastarbeiterfamilien führte. Die erste Generation der Gastarbeiterkinder wurde hier geboren und aufgezogen, was weitere Integrationsfragen und kulturelle Anpassungen nach sich zog. Gleichzeitig entstand in Teilen der österreichischen Bevölkerung eine Anti-Migrationsstimmung und ausländerfeindliche Tendenzen.

Im Jahr 1971 waren in der Stadt Salzburg rund 11.000 ausländische Arbeitskräfte registriert – 2001 waren es schon über 31.000 Menschen, die überwiegend aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei und Deutschland stammten. Die Zahlen verdeutlichen die weitere Entwicklung: War vor 60 Jahren genau ein Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Salzburg Gastarbeiter:innen, haben heute über 20 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Migrationshintergrund.

Hahn: Salzburg schrumpft ohne Zuwanderung  

"Viele Betriebe würden heute ohne Migration und Multikulti überhaupt nicht funktionieren", schildert Hahn. "Salzburg wäre ohne Zuwanderung schon längst eine schrumpfende Stadt." Der Historikerin zufolge brauche es drei Generationen, bis eine Zuwanderergruppe als vollständig integriert gesehen werden kann.

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Zurück ins Hier und Jetzt: Ein Denkmal oder Gedenkort für Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter gibt es in keiner einzigen Stadt in Österreich. Aus Salzburg kommt ein Vorstoß, der das nun ändern soll. SPÖ-Gemeinderat Tarik Mete hat bereits im Februar einen entsprechenden Antrag eingebracht, der damals von ÖVP und FPÖ abgeschmettert wurde. Mittlerweile haben sich die Mehrheiten im Salzburger Gemeinderat geändert und am gestrigen Donnerstag wurde ein neuer Antrag eingebracht. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir uns jetzt auf ein Gastarbeiterdenkmal einigen können", schildert Mete am Freitag zu SALZBURG24 und weiter: "Es ist Zeit, mit einem Zeichen der Wertschätzung 'Danke' zu sagen."

Wo könnte ein Denkmal stehen?

Die Stadt Salzburg soll vorrangig die Fläche zur Verfügung stellen, sagt Mete. Das Projekt soll nämlich nicht aus öffentlichen Mitteln, sondern aus privaten Mitteln durch eine eigene, bereits bestehende Initiative finanziert werden. Mit ins Boot geholt werden sollen auch jene Salzburger Unternehmen, die von der Gastarbeit profitierten. "Tausende Salzburgerinnen und Salzburger, ihre Kinder und Enkel werden durch diesen Gedenkort geehrt."

Die Salzburger Historikerin findet die Idee für ein solches Denkmal "super", räumt aber ein, dass "Migration sehr vielfältig ist". Vielmehr sei sie für eine Gedenkstätte für alle Migrant:innen, die zum Wohlstand der Zweiten Republik beigetragen haben. Einen geeigneten Standort dafür könne sich Hahn in den Stadtteilen Elisabeth-Vorstadt oder im Andräviertel vorstellen. Im Bundesland würde sie Bischofshofen oder St. Johann (beides Pongau) präferieren.

"Wir riefen Arbeitskräfte und es kamen Menschen", sagte schon einst der Schriftsteller Max Frisch im Jahr 1965. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

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Aktuelle Zahlen und Entwicklungen

Arbeitsmarkt: Der Tourismus ist einer der größten Arbeitgeber in Salzburg und stark auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. In der Wintersaison steigt die Zahl der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter erheblich an. Zusätzlich sind Bauwesen, die industrielle Produktion und der Dienstleistungssektor bedeutende Bereiche, in denen Gastarbeiter:innen beschäftigt sind.

Bevölkerungsstatistik: In Salzburg lebt eine signifikante Anzahl von Personen mit Migrationshintergrund, einschließlich der zweiten und dritten Generation von Gastarbeiterfamilien. Daten von Statistik Austria zeigen, dass Salzburg eine der österreichischen Regionen mit einem hohen Anteil an ausländischen Staatsbürger:innen und Menschen mit Migrationshintergrund ist.

Integration und Bildung: Es gibt eine Vielzahl von Integrationsmaßnahmen, die darauf abzielen, die sozioökonomische Eingliederung von Migrant:innen zu verbessern. Dazu gehören Sprachkurse, Bildungsprogramme und Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration. Bildungseinrichtungen im Land Salzburg arbeiten daran, Kindern von Migrant:innen ähnliche Bildungschancen wie einheimischen Kindern zu bieten. Es gibt zahlreiche Projekte und Initiativen, die sich auf die Integration und den Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund konzentrieren.

(Quelle: salzburg24)

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