Abwärtsspirale

Neue Gefahr vor Armut in Corona-Krise

Im Haus Elisabeth (Plainstraße 42) bekommen Menschen in Not täglich ein Mittagessen.
Veröffentlicht: 03. April 2020 14:10 Uhr
In der Corona-Krise werden viele Salzburgerinnen und Salzburger gewissermaßen über Nacht mit zuvor nicht gekannten Zukunftsängsten konfrontiert. Zudem trifft es jene, die bereits von Armut betroffen sind, noch härter. "Die Ärmsten sind in einer Krise immer als erstes und am stärksten betroffen", sagt Carmen Bayer von der Salzburger Armutskonferenz gegenüber SALZBURG24.

"Das Risiko, dass mehr Menschen in die Armutsgefährdung abrutschen, steigt und schnell bildet sich eine Abwärtsspirale", führt Bayer aus. Ängste und Unsicherheiten seien allgegenwärtig.

Neue Art der Armutsgefährdung 

Es tritt nun eine neue Art der Armutsgefährdung auf, denn plötzlich wurde der Job gekündigt oder Aufträge fallen gänzlich weg. "Das darf nicht unterschätzt werden", warnt Bayer, "denn prekäre Lebensbedingungen finden sich nicht selten auch unter Kulturschaffenden, bei Ich-AGs, chronisch Kranken und Familien." Hier spiele Angst, Scham und Stigmatisierung eine große Rolle. "Viele dieser Leute haben ihr Leben lang gearbeitet und müssen nun Arbeitslosengeld beantragen. Doch das sind keine Almosen vom Staat, sondern ist ein Recht", erklärt die Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz und hofft dahingehend auf ein Umdenken. "Grundsätzlich steigt durch eine existenzielle Bedrohung bei vielen die psychische Belastung, weshalb wir den Ausbau der psychosozialen Beratung fordern."

Psychische Belastung steigt 

Menschen, die bereits armutsgefährdet sind, – also etwa Bezieherinnen und Bezieher der Mindestsicherung – seien nun noch mehr gefährdet. Es gibt kein finanzielles Polster, auf das zurückgegriffen werden könnte. "Die Wohnungen sind eng, es gibt keinen Garten oder Balkon und es herrschen oft prekäre Verhältnisse", berichtet Bayer. Zu bereits bestehenden sozialen Problemen kommen nun weitere Existenzängste hinzu. Die Folge: die psychische Belastung und das Konfliktpotenzial steigen. "Wir befürchten einen deutlichen Anstieg bei körperlicher und sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder", betont Bayer.

Arme und Obdachlose "besonders schutzbedürftig"

Dass Delogierungen vorerst gesetzlich ausgesetzt werden, habe einen hohen symbolischen Wert für die Betroffenen. Schließlich kann die Wohnung nun nicht gekündigt werden. Doch was ist mit jenen, die keine Bleibe haben und schon auf der Straße leben? Armutsbetroffene sterben um zehn Jahre früher als der Rest der Bevölkerung, bei Wohnungslosen macht der Unterschied sogar 20 Jahre aus. 29 Prozent aller Mindestsicherungsbezieher weisen laut Statistik Austria einen sehr schlechten Gesundheitszustand auf, über die Hälfte ist chronisch krank. "Diese Menschen sind besonders schutzbedürftig", mahnt Bayer.

24-Stunden-Betreuung in Salzburg 

Für Menschen ohne Dach über dem Kopf gibt es in allen Salzburger Gauen eine Beratungsstelle. Die Winter-Notschlafstellen sind derzeit jedoch nicht geöffnet. Am Land gebe es nur wenig Betroffene, die Armut sei oft verdeckt. "Familiäre Strukturen und Nachbarschaftshilfe können hier auffangen, das ist in der Stadt anders", erklärt Bayer. Am Land gebe es aktuell keinen akuten Bedarf für eine 24-Stunden-Betreuung. Eine solche gibt es hingegen seit mehr als einer Woche in der Landeshauptstadt.

In der von der Caritas betriebenen Notwohnstelle in der Plainstraße 83 gibt es 37 Schlafplätze, die derzeit allesamt belegt seien. Das entspreche in etwa den Nächtigungszahlen der letzten Zeit im Haus Franziskus. Obdachlose aus dem Ausland seien zuvor größtenteils wieder in ihre Heimat gebracht worden. "Ich möchte mich bei Land und Stadt Salzburg, im speziellen bei Anja Hagenauer (SPÖ), für die schnelle und gute Zusammenarbeit im Bereich der Versorgung von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen bedanken", betont Bayer.

Caritas-Notschlafstelle, Jens, Caritas Salzburg
Jens ist Alkoholiker und lebt seit dem Tod seiner Freundin vor eineinhalb Jahren auf der Straße: "Seit fünf Jahren habe ich eine schwere Krise. Ich hatte einen Arbeitsunfall und habe mir die Wirbelsäule gebrochen. Seither bin ich arbeitsunfähig. Nun komme ich regelmäßig ins Haus Elisabeth. Die Essensausgabe ist eine gute Sache. Man muss in Zeiten wie diesen froh sein, dass man überhaupt etwas zu essen bekommt."

Tägliches Mittagessen für Menschen in Not 

Untertags bietet das Caritas-Haus im Salzburger Stadtteil Itzling Platz für mehr als 50 Menschen. Mittagessen wird von der Stadt Salzburg täglich im Bildungscampus Gnigl gekocht. Die Essensausgabe im Haus Elisabeth (Plainstraße 42) bleibt weiterhin für Menschen in Not aufrecht, die zwar nicht obdachlos sind, sich aber kein Essen leisten können.

Caritas, Essensausgabe, Haus Elisabeth Caritas Salzburg
Im Haus Elisabeth (Plainstraße 42) bekommen Menschen in Not täglich ein Mittagessen.

"Wir können mit großartiger Unterstützung der Stadt Salzburg und von Salzburger Unternehmen beim Haus Elisabeth täglich ein warmes Mittagessen ausgeben", sagt Salzburgs Caritas-Direktor Johannes Dines. "Der Großteil der anderen Angebote ist derzeit geschlossen und so ist das für die meisten Menschen in Not die einzige richtige Mahlzeit am Tag." Caritas-Sprecherin Johanna Pfeifenberger zu SALZBURG24: "Der Bedarf steigt – sei es bei Obdachlosen oder Menschen in Not."

Anzeige für den Anbieter Facebook Beitrag über den Consent-Anbieter verweigert

"Nutzt die Nummern und lasst euch helfen"

"Die Unterstützung für Betroffene gibt es, aber es kommt nicht bei allen an oder es gibt Probleme beim Beantragen," zeigt Bayer auf. Die Armutskonferenz hat HIER die Vermittlung von Ansprechpersonen aufgelistet – von Kinderbetreuung bis zu Hilfe bei Kurzarbeit und Jobverlust. "In Salzburg gibt es für Jugendliche und Erwachsene viele gute Angebote mit kompetenten und engagierten Teams", weiß Bayer und appelliert: "Nutzt die Nummern und lasst euch helfen."

Unterdessen begrüßt Bayer das am Mittwoch beschlossene XXL-Gesetzespaket vom Land Salzburg. "Eine sehr erfreuliche Maßnahme ist die Verschiebung des Inkrafttretens des neuen Sozialunterstützungsgesetzes. Tritt das Gesetz erst im Jänner 2021 in Kraft, besteht die Chance, dieses mit ausreichend Vorbereitungszeit und im Dialog mit sozialen Organisationen zu überarbeiten, um es an die gegenwärtigen wirtschaftlichen Problemstellungen anzupassen." Kritik übt die Armutskonferenz im gleichen Atemzug am Sozialhilfe-Grundsatzgesetz. Hier gebe es noch Luft nach oben, so Bayer. Das Sozialsystem müsse auf die Zeit nach Covid-19 mit demselben politischen Engagement unterstützt werden, wie gegenwärtig das Gesundheitssystem, appelliert die Sprecherin der Salzburger Armutskonferenz an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne.)

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Jobs
Salzburg Stadt
Obertrum am See, Anthering, Bergheim, Salzburg, Grödig, Henndorf am Wallersee, Lamprechtshausen, Oberndorf bei Salzburg, Hof bei Salzburg, Thalgau, Schleedorf
Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken