Wie lebe ich im Alter? Bleibe ich gesund oder muss ich in ein Pflegeheim? Könnten sich meine Kinder im Bedarfsfall überhaupt um mich kümmern, oder bin ich irgendwann auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen? Fragen, mit denen wir uns alle auseinanderzusetzen haben. Angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft und des aktuellen Personalmangels, scheint die Pflege für die Zukunft kaum gerüstet. So wundert es auch nicht, dass Pflegende aus allen Bereichen schon seit Jahren nach einer System-Änderung rufen.
Mehr Angebote, individuell wählbar
„Es wird in Zukunft viel mehr Wahlmöglichkeiten brauchen. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Angeboten, die ich mir ganz individuell wie einen Baukasten zusammensetzen kann und die Pflege somit auf meine Bedürfnisse abgestimmt wird“, sagt Karin Donnerbauer, Leiterin des Hauses für Senior:innen der Diakonie Salzburg, bei unserem Besuch vor Ort. Kurzum: Das jetzige System sei zu starr. Denn neben der mobilen Pflege, der 24-Stunden-Pflege und Tagesbetreuung, gebe es für die älteren Menschen nur noch die Alternative voll stationär in einem Heim oder einer Hausgemeinschaft zu leben, betont Donnerbauer. Gleichzeitig dürften wohl die meisten von uns den Wunsch in sich tragen, möglichst lange zu Hause zu bleiben. Doch dafür brauche es flexible Konzepte – auch was die Finanzierung betrifft. Und vor allem brauche es Personal.
Personalmangel ist Belastung
Den Personalmangel bekommen auch die Mitarbeitenden im neu gebauten Haus für Senior:innen in der Guggenbichlerstraße im Salzburger Stadtteil Aigen zu spüren. „Das ist schon belastend“. So müssten aktuell etwa neun zusätzliche Dienstposten in den Bereichen Pflegeassistenz, Fach- und Diplomsozialbetreuung besetzt werden, um alle Bereiche öffnen zu können. Von den insgesamt sechs möglichen Hausgemeinschaften sind derzeit nur vier bewohnt – und entsprechend betreut. Jede Hausgemeinschaft zählt zwölf Zimmer mit Bad. Gemeinschaftlich geteilt werden Küche, Wohnbereich und Aufenthaltsraum.
Geschlossene Bereiche, trotz Bedarfs
Viel Platz gibt es auch in der sogenannten Oase, doch diese muss aufgrund des Personalmangels geschlossen bleiben. „Hier ist es sehr intim und familiär und die Pflege steht im Vordergrund.“ Die Oase für Menschen in der Pflegestufe 1, ist für Donnerbauer jedenfalls der Bereich „den wir recht schnell eröffnen möchten, denn der Bedarf ist hoch.“ Würden mehr Menschen in der Pflege arbeiten, würde das viele andere Themen rundherum auflösen. Wie bei anderen Berufen wirke sich auch in der Pflege ein möglichst stabiler Dienstplan entlastend auf die Kolleg:innen aus.
Die schönen Seiten des Pflegeberufs
Was jedoch grundsätzlich fehle, sei ein positiver Blick auf die Pflege. Aktuell würden Skandale die Schlagzeilen dominieren, viel zu selten werde über die schönen Seiten des Pflegeberufes berichtet, bedauert die Hausleiterin. Auch das würde viele abschrecken, in den Pflegeberuf zu gehen. „Die Arbeit ist anspruchsvoll und herausfordernd, aber es gibt viele anstrengende Jobs.“ Durch den Kontakt mit den Menschen, die Abwechslung und die emotionale Berührung überwiege die Freude an dem Beruf. „Pflege beinhaltet mehr als Körperpflege. Es geht auch um die Pflege des Geistes und der Seele. Das gehört alles zusammen. Und wenn ich mit dem Lebensschmerz eines Menschen konfrontiert bin, berührt das und es ist schön, berührt zu werden“, wirbt Donnerbauer für den Pflegeberuf.
"Die Freude überwiegt der Belastung"
Rudi Scheurer ist seit 2008 als Diplomsozialbetreuer bei der Diakonie in Salzburg beschäftigt. Sein Schwerpunkt ist die Altenarbeit. In der Hausgemeinschaft 4, in die er uns eingeladen hat, kümmert er sich um die Bewohner:innen. „Hier ist Leben. Leben zwischen Menschen, die Hilfe brauchen und die gleichzeitig viele Ressourcen haben. Ich helfe den Menschen durch Gespräche und bin bei alltäglichen Dingen des Lebens für sie da, sei es durch einen guten Witz, ein tiefgehendes Gespräch oder ein gemeinsames Gebet. Das Schöne an der Arbeit ist für mich, dass die Freude der Belastung überwiegt“, erzählt er im SALZBURG24-Gespräch.
Ähnlich sieht das auch Sandra Kendelbacher. Sie ist seit einem Jahr beim Diakoniewerk und für Mitarbeitende und Bewohner:innen der Hausgemeinschaften zuständig. „Durch die Arbeit lernt man die kleinen Dinge im Leben wieder mehr zu schätzen“, sagt sie. Was ihre Arbeit zudem besonders macht, erzählt sie uns im folgenden Podcast.
Haus der Senior:innen für alle offen
Das neue Haus, in dem auch Physio-, Ergo- und Logotherapie angeboten werden, wurde nach einem großen Umbau vor rund sieben Monaten bezogen. Seit kurzem hat dort auch ein öffentliches Café geöffnet. „Wir wollten immer, dass es ein offenes Haus wird und sich hier Leben abspielt. Und wenn verschiedene Leute zur Therapie kommen oder das Kaffeehaus besuchen, geschehen viele unbewusste Begegnungen.“

Derzeit leben 54 Bewohner:innen in dem Haus, Platz wäre für 85. Eine der Bewohnerinnen öffnete uns die Türe zu ihrem Zimmer. Sie ist gerne da, erzählt die 88-Jährige. Auch ihr Mann, der 2019 gestorben ist, sei gerne hier gewesen. Deshalb sei sie froh, dass auch sie vor zwei Jahren den Platz hier bekommen hat. Das Gespräch mit der Bewohnerin könnt ihr ebenfalls im Podcast hören.
Der Besuch im Haus für Senior:innen macht einmal mehr klar: Damit ein gutes Leben im Alter – auch für unsere Großeltern, Eltern oder später für uns selbst – gewährleistet ist, ist im Pflegebereich noch viel zu stemmen. Denn wer kann seine alten Eltern auf Dauer überhaupt pflegen, wenn wir selbst immer älter werden?
(Quelle: salzburg24)