Blut, Schweiß und Tränen

Als ich an einem Tag 50 Kilometer durch den Pinzgau wanderte

Jubel! Endlich haben wir 25 Kilometer und damit die Hälfte der Strecke hinter uns.
Veröffentlicht: 30. Juni 2023 13:16 Uhr
50 Kilometer in zwölf Stunden wandern? Das schaffe ich auch, habe ich mir gedacht. Beim "Megamarsch" in Mittersill habe ich den Selbstversuch gewagt und bin einfach mal mitgegangen. Dabei lernte ich den Pinzgau lieben und Asphaltboden hassen.

Das Wetter meint es gut mit uns: Normalerweise würde sich wohl kaum jemand über 13 Grad im Sommer freuen – doch bei 50 Kilometern, die vor uns liegen, ist der Jubel über die ausbleibende Hitze bei den 1.065 Megamarsch-Teilnehmenden Samstagfrüh groß. Am Zierteich in Mittersill (Pinzgau) scharren wir zwischen Pavillons und Bierbänken mit den Trekkingschuhen und warten darauf, grüppchenweise losgehen zu dürfen.

Unser Ziel ist es, nach spätestens zwölf Stunden unsere Rundwanderung entlang der Hohen Tauern und der Kitzbüheler Alpen wieder in Mittersill zu beenden. Nur dann gibt es eine Medaille und den Eintrag in die "Hall of Fame" des Veranstalters.

50 Kilometer an einem Tag? Kinderspiel

Um 7.45 Uhr fällt für mich dann endlich der Startschuss – und ich habe noch nicht einmal einen Kaffee getrunken. Trotzdem bin ich guter Dinge. 50 Kilometer? Kinderspiel. Begleitet von motivierenden Zurufen des Moderators marschieren wir los, erst einmal durchs Ortsgebiet. Schon nach wenigen Minuten ist der Großteil meiner Mitwandernden an mir vorbei gezogen. Macht nichts, denke ich mir. Ich habe ja noch genug Zeit, um sie wieder einzuholen. Der Menschenmenge vor mir folgend spaziere ich einen Waldrand entlang bis nach Uttendorf. Es wird gequatscht, gelacht und vor den Kameralinsen der Sportfotografen posiert. Die Energie ist wohl noch da.

 

Nach zwölf Kilometern oder zwei Stunden erreichen wir den ersten Versorgungspunkt und mir entfährt fast ein Freudenschrei, als ich das Kaffee-Zelt entdecke. Sogar Hafermilch steht bereit – ich bin glücklich. Gestärkt setze ich meine Reise fort und frage mich gleichzeitig, ob ich durch meine Pause wohl viel Zeit verloren habe. Meinen Müsliriegel esse ich vorsichtshalber unterwegs.

20 Kilometer: Wie schön der Pinzgau ist!

Weiter geht es auf Beton- und Kieswegen durch Pirtendorf und über den Stuhlfeldner Dürnberg. Langsam sammeln wir Höhenmeter. Aus der Puste bin ich zwar noch lange nicht, doch nach 18 Kilometern protestieren zum ersten Mal meine Füße – ihnen wäre der weiche Waldboden wohl lieber gewesen. Der Blick über die Felder und Dörfer lässt mich aber über den Schmerz hinwegsehen und mir kommt wieder in den Sinn, was meine Mama immer über ihre Heimat sagt: „Sollte man an einen Schöpfer glauben, müsste man glatt meinen, dass er sich beim Pinzgau besonders viel Mühe gegeben hat.“ Recht hat sie, denke ich. Schritt für Schritt geht es weiter. Bergauf, bergab, bergauf. Ich schwitze noch nicht einmal, als wir den nächsten Versorgungspunkt erreichen.

Die Kilometer nach unserer zweiten Pause werden dann aber die erste richtige Härteprobe. Ich habe keine Lust mehr, und zu allem Übel bahnt sich auch noch die Sonne ihren Weg durch die Wolken. Es wird heiß und weil ich den Aufstieg schnell hinter mir haben will, lege ich einen Zahn zu. Knapp vor der 25-Kilometer-Marke löst Stolz den Frust wieder ab. Endlich Halbzeit. Ein erster Triumph. Ich juble, und meine Weggefährt:innen ebenso. Handys werden gezückt, Selfies geschossen. Erst da fällt mir auf, dass ich gar nicht nach dem Schloss Mittersill Ausschau gehalten habe, das auf diesem Streckenabschnitt zu sehen gewesen wäre.

Kurzlebige Megamarsch-Freundschaften

Am Pass Thurn wünsche ich mir dann zum ersten Mal, ich hätte mehr trainiert. Es ist kurz vor zwei Uhr und der erste Wanderer hat gerade die Ziellinie überquert, wie ich später erfahren werde. Ich hingegen habe längst aufgehört, auf die Kilometer zu achten. Stattdessen fiebere ich den letzten Höhenmetern unseres Marsches entgegen. Am höchsten Punkt angekommen belohne ich mich für die Anstrengung mit einer Pause bei bester Aussicht. Ein Flachmann geht durch die Runde und ich bin froh, dass ich Menschen gefunden habe, die im selben Tempo unterwegs sind wie ich.

Doch schon beim nächsten Versorgungspunkt verliere ich meine neu gewonnenen Freunde aus den Augen. Die Bekanntschaften hier sind kurzlebig, man fragt nicht einmal nach Namen. Statt Vorstellungsrunden zu machen wird großzügig Proviant geteilt und sich gegenseitig Mut gemacht. Den Atem spart man sich scheinbar für das Wichtigste. Doch den Abstieg schaffe ich auch alleine. Es geht vorbei am Hochmoor Wasenmoos und einer Gondel-Station. Am liebsten würde ich einsteigen. Aber beim nächsten Pausen-Stop in Hollersbach erwarten mich Nüsse und Cola. Die Aussicht auf Zucker motiviert.

Mit blutigen Füßen zurück nach Mittersill

Die letzten zehn Kilometer des Weges muss ich nun selbst auf die Markierungen achten und kann mich nicht mehr auf meine Vorgänger:innen verlassen. Nur noch vereinzelt laufe ich an anderen Wandernden vorbei, oder eher sie an mir. Bei Kilometer 45 ziehe ich meine Schuhe aus – um kurz ‚durchzulüften‘. Ein großer Fehler, wie sich herausstellt. Das Wiederanziehen ist eine Qual, und die Blasen an meinen Füßen spüre ich jetzt noch deutlicher. Ich komme nur mehr humpelnd voran. Tröstend: Den anderen, die ich sehe, scheint es ähnlich zu gehen.

200 Meter vor der Ziellinie kämpfe ich dann wirklich mit den Tränen. Alles schmerzt, die Nerven liegen blank. Zum Aufgeben ist es aber zu spät. Immerhin kann ich schon den Moderator hören, der mich vor elf Stunden auf den Weg geschickt hat. Kaum sehe ich den Torbogen des Ziels, wandelt sich die Verzweiflung wieder in Ehrgeiz. Die Schritte werden schneller, ich will es endlich hinter mir haben. Um 19.10 Uhr komme ich schließlich wieder am Zierteich an. Jemand hängt mir eine Medaille um und ich falle meinen wartenden Freunden in die Arme.

Zuhause zähle ich meine Blasen. Sieben Stück sind es pro Fuß. Aber das Bier in meiner Hand schmeckt so gut wie keins davor.

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken