Nach der Volksschule in Radstadt (Pongau) maturierte der heute 68-Jährige am Akademischen Gymnasium Salzburg und ging zum Medizinstudium nach Wien. Auf Tätigkeiten in Salzburger Spitälern folgte dann die Niederlassung in seiner Pongauer Heimat. Der Vater zweier Töchter ist Arzt für Allgemeinmedizin und betreibt eine Praxisgemeinschaft in Radstadt und Obertauern.
SALZBURG24: Beherrscht die Bevölkerung eigentlich Erste Hilfe?
WERNER AUFMESSER: Das ist ein Problem, denn die Gesellschaft beherrscht sie nicht ausreichend. Dabei ist Erste Hilfe leicht zu erlernen, jedem zuzumuten und vielfach lebensrettend. Leider gibt es weder in der Schule eine wirkliche Ausbildung, noch wird im Erwachsenenalter die Auffrischung der Kenntnisse verlangt. Letztendlich ist ein bestens organisierter Rettungsdienst immer von der Leistung des Ersthelfers abhängig. Die paar Minuten, die der Rettungsdienst zum Einsatzort braucht, muss der Ersthelfer überbrücken. Und da hapert es leider.
Hapert es auch an Zivilcourage?
Ja, aber vielfach ist auch die Angst sehr groß, etwas falsch zu machen. Das ist völlig unberechtigt. Der einzige Fehler ist, nichts zu machen.
Wie kamen Sie überhaupt zum Roten Kreuz?
Mein Vater hat nach dem Zweiten Weltkrieg die Bezirksstelle in Radstadt eröffnet. Von daher habe ich das Rote Kreuz von klein auf hautnah mitbekommen und schon in meiner Studienzeit aktiv mitgemacht. 1975 bin ich in Salzburg eingetreten, wurde dann Ausbilder, später Chefarzt und seit über vierJahren bin ich nun Präsident.
Was macht das Leben in Radstadt denn aus?
Die Umgebung ist wunderschön, außerdem ist es nicht weit in die Stadt Salzburg und es ist nah an den Erholungsgebieten. Durch den Wintersport gibt es zudem viele ärztliche Tätigkeiten und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Für mich war immer klar, dass ich nach Radtstadt zurückkommen werde.
Was sind die Aufgaben des Salzburger Rot-Kreuz-Präsidenten?
Das ist vergleichbar mit den Aufgaben eines Aufsichtsratsvorsitzenden in der Privatwirtschaft. Der Unterschied ist nur, dass das Rote Kreuz eine non-profit-Organisation ist und ichehrenamtlich tätig bin.
Wo sind Unterschiede in der Ausbildung zu damals und heute?
Die Ausbildung hat sich in den Jahren ganz massiv gewandelt. Sie ist umfangreicher, professioneller und viel besser geworden. Auch werden die erlangten Kenntnisse stetig überprüft. Wir schauen schon sehr darauf, dass das passt. Die Basis unserer Tätigkeit ist Ehrenamtlichkeit und Freiwilligkeit.
Was ist das Ehrenamt wert?
Die Ereignisse der letzten Jahre haben glaube ich deutlich gezeigt, dass das Ehrenamt ganz grundsätzlich auch in den anderen Organisationen unverzichtbar ist. Daher denke ich, dass die Diskussion über den Wert des Ehrenamts ein nicht wirklich schwerwiegendes Thema ist. Die Ehrenamtlichen haben die gleiche hervorragende Ausbildung wie hauptberufliche Sanitäter, sind langjährig tätig und trainiert – da können wir gute Qualität bieten.

Wie schätzen Sie die Anerkennung innerhalb der Gesellschaft ein?
(überlegt) Die Anerkennung ist schon vorhanden und wird anlassbezogen wieder groß, wenn man merkt, dass es ohne ehrenamtliche Helfer nicht geht. Es könnte schon ein bisschen besser sein.
War das früher anders?
Nein, ich glaube nicht.
Was ist Ihnen in ihrer langen Tätigkeit besonders in Erinnerung geblieben?
Beim Unglück in Kaprun (11. November 2000, Amn.) war ich leitender Notarzt im Rettungsdienst. Das Rote Kreuz hat damals bewiesen, in kürzester Zeit eine Infrastruktur aus einsatzbereiten Personal und Material auf die Beine zu stellen. Trotzdem hatten wir wenig Erfolg. Die Überlebenden konnten den Tunnel fast ohne Verletzungen verlassen. 155 Menschen kamen damals ums Leben. Wichtig ist, aus solchen Einsätzen zu lernen, sich selbst zu hinterfragen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Der Salzburger Landesverband ist heute extrem gut aufstellt. Mit großen Anstrengungen und der Unterstützung unserer Spender können wir die Finanzierung und Ausbildung sicherstellen. Durch die sehr gute technische Ausstattung sind wir für alle Eventualitäten und Großeinsätze im Inland sowie Ausland gerüstet.
Hat das Rote Kreuz ein Nachwuchsproblem?
Nein, denn in allen Salzburger Bezirken haben wir aktive Jugendgruppen. Das hängt aber auch sehr von einzelnen handelnden Personen ab, die bereit sind, ihre Zeit dafür herzugeben. Die Jugendlichen werden bei uns ausgebildet und bekommen eine positive Prägung fürs Leben samt Werteschulung.
In Deutschland ist er längst Geschichte, wie steht es um die Bedeutung des Zivildienstes?
Der Zivildienst ist für das Rote Kreuz enorm wichtig. Nach der Ausbildung im Sanitätsdienst sind die Zivildiener vollwertige Sanitäter. Für uns ist das auch ein Personenreservoir für den Rettungsdienst. Außerdem lernen sie die Begeisterung kennen und bleiben im besten Fall als ehrenamtliche Helfer bei uns.

Wie bewerten Sie den aktuell in der Politik diskutieren Pflegenotstand?
Es ist schwierig qualifiziertes Personal zu bekommen, das steht fest. Die ambulante und mobile Krankenpflege sowie die Seniorenwohnhäuser sind wichtige Standbeine für uns. Man müsste die Qualität der Ausbildung verbessern und die Bezahlung entsprechend anheben.
Besonders im Winter wird der Ruf nach der Hilfe für Obdachlose laut. Was tut das Rote Kreuz?
Die Problematik ist unbestreitbar da und klar sichtbar. Gemeinsam mit anderen Organisationen kümmern wir uns um die medizinische Versorgung der Obdachlosen. Man muss die Ursachen bekämpfen und die liegen oft nicht in Österreich.
In welcher Form engagiert sich das Rote Kreuz heute für Flüchtlinge?
Wenn die unzähligen Ehrenamtlichen im Jahr 2015 nicht mitgeholfen hätten, wären wir wahrscheinlich im Chaos untergegangen. Das Rote Kreuz betreut viele Flüchtlinge, die Zahl geht aber ganz klar zurück. Anerkannte Flüchtlinge bilden wir als Gastronomiehelfer aus und vermitteln sie an Betriebe – der Bedarf ist groß.
Gibt es Flüchtlinge, die im Rettungsdienst tätig sind?
Noch nicht. Die Betonung liegt aber auf noch. Wir setzen Flüchtlinge bislang als Hilfsdienste im Rettungs- und Katastrophendienst ein.
Was wäre Ihr Wunsch an die Politik und Zivilgesellschaft?
Wir erbringen unseren herausfordernden Dienst im Auftrag der Gesellschaft. Die Unterstützung, sei es finanziell oder auch nur durch Anerkennung, könnte schon besser sein. Ich wünsche mir, dass Arbeitgeber ihre Dienstnehmer problemlos freistellen oder deren freiwillige Leistung entsprechend angerechnet werden kann. Das würde das Ehrenamt enorm stärken.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Quelle: salzburg24)