"Humangenetik ist ein sehr breites Fach und baut eine Brücke zwischen der Grundlagenforschung und der klinischen Medizin. Sie spielt heute in mittlerweile allen medizinischen Fächern eine Rolle", erklärt Professor Davor Lessel. Der 41-jährige gebürtige Kroate ist seit 2. Jänner Vorstand des Universitätsinstituts für Humangenetik in den Salzburger Landeskliniken (SALK) und damit der erste "Genetik-Primar" überhaupt in der Landeshauptstadt.
Was ist die Humangenetik?
Humangenetik ist in Österreich erst seit 2006 ein eigenständiges medizinisches Fach, das am Uniklinikum als Teilbereich der Uniklinik für Kinder- und Jugendheilkunde geführt wurde. 2019 wurde die Klinische Genetik als eigenständige Einheit direkt der Ärztlichen Direktion unterstellt. Damit wurde auch die Ausbildung von Humangenetiker:innen in Salzburg möglich. Die Bildung der selbstständigen Einheit war aber nur ein Zwischenschritt zur Gründung eines Universitätsinstituts, die im vergangenen Jahr erfolgte.
Die Humangenetik vergleicht Lessel gerne mit dem Sport: "Im Skifahren gibt es Slalom- und Riesentorlauf-Spezialisten, in der Leichtathletik Sprinter- und Langstreckenläufer. Wir Humangenetiker sind so wie Kombinierer oder Zehnkämpfer – wir sind in keinem Fach so gut wie die jeweiligen Experten, kennen uns aber in vielen Fächern aus."
Niemand zu Gentest gezwungen
Der Begriff Genetik löst bei vielen Laien auch Unbehagen aus. Wie geht Lessel damit um? "In Österreich gibt es sehr strenge Gesetze. Und es geht uns überhaupt nicht darum, Designer-Babys zu schaffen. Sondern wir bieten Hilfeleistung für kranke Personen, indem wir herausfinden helfen, um welche Krankheit es sich überhaupt handelt."
Die Humangenetik sei ein Mittel, um Diagnosen zu erstellen. Sie könne auch helfen, Therapien zu entwickeln und in einigen Fällen auch direkt zu zielgerichteter medikamentöser Therapie führen. "Und wir können Paaren helfen zu klären, ob das Risiko besteht, dass sie ihren Kindern genetisch bedingte Krankheiten vererben. Über all dem steht aber das Recht der Patientinnen und Patienten auf Nichtwissen. Das heißt: Niemand darf zu einem genetischen Test gezwungen werden."
Davor Lessel international renommiert
Der neue "Genetik-Primar" Davor Lessel ist ein international anerkannter und bestens vernetzter Forscher, der an rund 100 Publikationen mitgewirkt hat. Er ist sogar Namensgeber für mehrere seltene Erkrankungen, die er entdeckt bzw. mitentdeckt hat. Gearbeitet hat er bisher vor allem an drei Schwerpunkt-Themen, die er auch in Salzburg etablieren wird:
- Nicht-syndromale Entwicklungsverzögerungen bei Kindern – das heißt, Kinder entwickeln sich etwa beim Spracherwerb oder bei der Motorik verzögert, ohne dass andere Organe betroffen wären. "In diesem Bereich habe ich mehr als 50 neue Krankheits-Gene und Entitäten mitentdeckt."
- Erkrankungen mit Zeichen einer vorzeitigen Alterung (Segmental progeroide Syndrome). "Hier konnte ich mehrere neue Krankheits-Gene identifizieren und funktionell charakterisieren, welche zu besserem Verständnis der allgemeinen Alterungsprozesse führten."
- Urogenitale Tumore (Prostata- und Hodenkrebs): "Neben Beteiligung in internationalen Konsortien konnte 2019 meine Gruppe in Hamburg die erste genetische Prädisposition für Hodenkrebs identifizieren."
Die Liebe zur kroatischen Heimat und zu Salzburg
Nach Salzburg führten Lessel sowohl persönliche, als auch fachliche Gründe: "Ich bin meiner Heimat Kroatien sehr verbunden und Salzburg liegt sehr nahe an Kroatien. Außerdem war ich als 14-Jähriger mehrere Wochen hier, um Deutsch zu lernen und habe die Stadt geliebt." Zudem wollte er die Chance ergreifen, in Salzburg etwas Neues aufzubauen. Mit seiner Gattin Ivana und Sohn Leo (6) ist er bereits fix ins Nonntal gezogen. "Meine Frau ist Biologin und arbeitet eng mit mir zusammen. Als Familie schätzen wir die Natur und die Lebensqualität, die Salzburg zu bieten haben."
Aktuell hat das Universitätsinstitut für Humangenetik 18 Mitarbeiter:innen und drei weitere holt Professor Lessel aus Hamburg nach: Sie beginnen im April als PhD-Studierende in seinem Institut zu arbeiten – ihre Tätigkeiten werden über Drittmittel finanziert.
(Quelle: salzburg24)