Die zehn Tänzerinnen und Tänzer des Stücks "Carcaça" brauchen Kondition und Kraft. Knapp eineinhalb Stunden hüpfen sie zu den hämmernden Beats der Musik, zucken, werfen Arme und Beine in alle Richtungen und winden sich am Boden. Mit einer energiegeladenen Choreographie des Portugiesen Marco da Silva Ferreira wurde am Dienstagabend die diesjährige Salzburger Sommerszene eröffnet. Bis 16. Juni stehen unter dem Motto "Change views" insgesamt 13 Produktionen auf dem Programm.
Elemente aus Streetdance du Clubbing in "Carcaça"
Für "Carcaça" – zu Deutsch "Gerippe" – nimmt der Choreograf Elemente des Streetdance und Clubbing und vermischt sie mit Fragmenten aus Volkstänzen zu einer vibrierenden Hüpfshow, die vor allem laut und wild rüberkommt. Die Tänzerinnen und Tänzer arbeiten sich an sich und der Welt ab, manchmal bilden sich wilde Gangs, die einzelne Tänzer zu Höchstleistungen antreiben - immer an der Gratwanderung zwischen wohlwollender Anfeuerung und Zurschaustellung eines möglichen Versagens. Der Choreograf entführt in Welten voller Wut, Gewalt und Fragmentierung. Da passt das Protestlied einer Arbeiterin, das die Tänzerinnen und Tänzer im Chor voller Hass herausschreien ebenso wie der in fluoreszierenden Buchstaben an die Wand gemalte Schriftzug "Alle Mauern fallen". Eine stringente Erzählung erschließt sich nicht, es geht vor allem um gewaltigen Körpereinsatz und schnelle Beats, die lange nachhallen.
Erst ganz am Schluss wird es eine Spur versöhnlicher - im orangeroten Gegenlicht entsteht aus den einzelnen Kämpfern ein tanzendes Kollektiv, die Ahnung eines Festes oder einer besseren Zukunft. Nach eineinhalb Stunden sind die Tänzerinnen und Tänzer schweißgebadet und außer Atem, das Publikum dankte mit viel Applaus für die körperliche Leistung.
Breite Palette bei Produktionen
Bei "Change Views" reicht die Palette der 13 Produktionen von Tanzstücken, Theaterabenden, humorvollen Performances bis zu einer Installation in der Kollegienkirche. Kritik an Politik und sozialer Ungleichheit werden nicht ausgespart. Regisseurin Marta Gornicka beleuchtet mit ihrer chorischen Inszenierung "Mothers - A Song For Wartime" die Gräuel des Ukrainekrieges.
"Change Views ist als eine Einladung an uns alle gedacht, uns auf Neues einzulassen, Sehgewohnheiten zu hinterfragen und so eine andere Perspektive einzunehmen", erklärte die Künstlerische Leiterin Angela Glechner am Donnerstag anlässlich der Programmpräsentation des diesjährigen Performing Arts Festivals in Salzburg.
Installation "Gaia" in der Kollegienkirche
Als einen herausragenden Programmpunkt nannte Glechner die Installation "Gaia" des britischen Künstlers Luke Jerram, die erstmals in Österreich gezeigt wird. "Getreu dem Festivalmotto schwebt eine dreidimensionale Abbildung der Weltkugel in der Kollegienkirche und bringt Jung und Alt zum Staunen." Der Brite Luke Jerram kreierte dieses rotierende Kunstwerk, das einen Durchmesser von sieben Metern misst, als Reflexionsfläche aktueller gesellschaftlicher Ereignisse. Die Installation zeigt detaillierte NASA-Bilder der Erdoberfläche und ist 1,8 Millionen Mal kleiner als die reale Erde. Gaia will damit ein Gefühl des Overview-Effekts erzeugen, den Astronauten erleben, wenn sie die Erde aus dem Weltraum betrachten.
(Quelle: apa)