Sexualität ist ein Thema, das uns alle betrifft. Umso wichtiger ist die Aufklärung darüber. Das beginnt schon im Kindesalter. Neben den Eltern übernehmen auch Lehrkräfte einen wesentlichen Teil davon. Sexualunterricht ist ein fixer Bestandteil des Lehrplans, erklärt Birgit Heinrich vom pädagogischen Fachstab der Salzburger Bildungsdirektion am Donnerstag im SALZBURG24-Interview. Los geht es bereits in der Volksschule – auf einem Niveau, das auf das Alter der Kinder angepasst ist. „Auf der einen Seite geht es darum, sie zu schützen, auf der anderen Seite um das eigene Verständnis.“
Der Unterricht sei in den vergangenen Jahren um den Faktor des Schutzes erweitert worden. Darunter fällt etwa das Erkennen und Verteidigen von Körpergrenzen, das Wahrnehmen von eigenem Wohlbefinden und Unwohlsein oder das Nein-Sagen. Ab der dritten Klasse Volksschule wird Sexualität im Sachkundeunterricht behandelt, ab der vierten Klasse wird es dann konkreter, sagt die Pädagogin.
Social Media-Inhalte als Herausforderung
Nach der Volksschule ist Sexualkunde im Biologieunterricht verankert, kann aber auch in andere Fächer integriert werden, wenn es sich anbietet. „Gerade in Deutsch kann es durchaus einmal sein, dass man ein Buch liest, das diese Themen auch behandelt oder umreißt.“ Die klassische Aufklärung finde nach wie vor statt, sagt Heinrich. In den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten seien aber neue Bereiche dazugekommen. Ein ganz wesentlicher ist Social Media und der Umgang damit. „Kinder bekommen durch soziale Medien, aber auch durch ungefiltertes Fernsehen relativ viel mit, was sie zum Teil nicht verarbeiten können. Sie können wirklich verstört sein, wenn sie Dinge sehen oder erfahren und nicht einordnen können. Das führt dazu, dass sie sich verschließen.“
Zuständig für den Sexualkundeunterricht sind die jeweiligen Lehrkräfte. Genau das kann aber zur Herausforderung werden, berichtet Heinrich. Denn die Lehrerinnen und Lehrer sind auch diejenigen, die ihre Schülerinnen und Schüler benoten. „Das ist ein Problem, denn wahrscheinlich werden viele Kinder die Dinge, die sie wirklich bedrücken oder interessieren, nicht fragen. Und die Lehrerinnen und Lehrer kennen ja immer die Eltern und stehen mit ihnen in Kontakt. Das ist auch ein Punkt, warum sich Kinder in der Sexualerziehung vielleicht nicht öffnen.“
Externe Angebote für Sexualpädagogik
Aus diesen Gründen gibt es die Möglichkeit, auf externe Angebote zurückzugreifen. Denn die Hemmschwelle der Kinder sei bei fremden Personen wesentlich geringer als bei jemandem, den sie schon kennen. Salzburgs Schulen würden diese Option schon seit Jahrzehnten nutzen. Dass die Inhalte auch in diesem Fall mit den Eltern abgeklärt werden, würden Kinder nicht realisieren. „Es sind verpflichtende Elternabende notwendig, damit die Eltern informiert sind. Wenn sie zum Beispiel nicht einverstanden sind, dass ihr Kind am Unterricht teilnimmt, kann es in dieser Zeit in eine andere Klasse ausweichen. Und es ist wichtig zu erfahren, auf welchem Wissensstand die Kinder sind.“
Aufregung um TeenSTAR als Anstoß für neue Regeln
Die Kriterien, die externe Organisationen erfüllen müssen, um an Schulen Aufklärungsarbeit leisten zu dürfen, sind jetzt österreichweit verschärft worden. Hintergrund waren Diskussionen um den christlichen Sexualkundeverein TeenSTAR, in dessen Schulungsmaterialien etwa Homosexualität als „heilbares Identitätsproblem“ und Selbstbefriedigung als „schädlich“ dargestellt wurden. Außerdem wurde kein Sex vor der Ehe und natürliche Empfängnisverhütung propagiert. Mittlerweile hat der Verein, der auch in Salzburg tätig war, diese Materialien nach eigenen Angaben überarbeitet.
Das Bildungsministerium hat nun unter anderem eine beim Jugendrotkreuz angesiedelte Geschäftsstelle „Qualitätssicherung Sexualpädagogik“ und ein Expert:innen-Board eingerichtet. Diese sollen Schulen und Schulbehörden bei der Beurteilung der fachlichen und didaktischen Qualität unterstützen. Wer als Verein, Institution oder Einzelperson im Themenfeld Sexualpädagogik an Schulen tätig werden will, muss davor ein Qualitätssicherungsverfahren durchlaufen und entsprechende Unterlagen bei der Geschäftsstelle einreichen.
"Absicherung" für Salzburgs Schulen
Birgit Heinrich verspricht sich durch die neue Vorgehensweise eine Erleichterung für Salzburgs Schulen. Durch die Übersicht sei noch schneller ersichtlich, wer zertifiziert und somit genau überprüft worden ist. „Es ist auch eine Absicherung. Die Schulen müssen nicht mehr selber ihren Kopf hinhalten.“ Einige etablierte Salzburger Vereine seien schon zertifiziert. Dennoch gebe es auch Anlaufstellen, die jetzt wegfallen würden – außer, sie passen ihr Programm an. Mangelnde Vollständigkeit der Inhalte sei auch in den vergangenen Jahren der Hauptgrund gewesen, warum eine Zusammenarbeit mit externen Stellen nicht zustande kam. „Zum Beispiel werden die Eltern nicht informiert oder es wird nur ein Teilbereich abgedeckt. Und es gibt auch Angebote, bei denen wir ideologische Hintergründe orten und das braucht man nicht.“
Ein Faktor, die bei der Qualitätsbewertung berücksichtigt wird, sei zum Beispiel Diversität. „Das muss eine Rolle spielen, weil wir viele Kinder aus anderen Kulturen haben, die mit Sexualität ganz anders umgehen.“ Neben kulturellen Unterschieden müsse zudem auf die verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Kinder bzw. deren Aufnahmefähigkeit eingegangen werden. „In einer Sonderschule wird der Sexualkundeunterricht anders ablaufen als in einer regulären Klasse.“ Ebenso müsse man etwa neben Hetero- auch auf Homosexualität eingehen.
Weitere Vorgabe: Nach dem Einsatz schulexterner Angebote muss der zuständige Lehrer bzw. die zuständige Lehrerin verpflichtend ein kurzes Feedback zum jeweiligen Anbieter abgeben. Erziehungsberechtigte oder Schülerinnen und Schüler können Rückmeldungen geben, wenn sie das möchten. Das Feedback wird dann gesichtet, ausgewertet und dem Board im Rahmen des Qualitätssicherungsprozesses zur Beurteilung übermittelt. Gerade bei einem solch wichtigen Thema wie Sexualität und der nötigen Aufklärung bleibt also zu hoffen, dass die verschärften Beurteilungskriterien die gewünschten Effekte erzielen und Kindern irritierende oder negative Erfahrungen erspart bleiben.
(Quelle: salzburg24)