Hürde Datenschutz

„Verbrechensopfer kennen häufig ihre Rechte nicht“

Veröffentlicht: 02. Dezember 2020 12:38 Uhr
Ob vom Partner misshandelt oder in den eigenen vier Wänden ausgeraubt: Wer Opfer eines Verbrechens wurde, dem stehen in Österreich eine Reihe an Rechten zu. Allerdings würden viele Menschen diese nicht in Anspruch nehmen, moniert Opferhelfer Thomas Lehmert vom Weißen Ring im Gespräch mit SALZBURG24 – und erklärt warum.
Johannes Posani

Insgesamt 488.912 Straftaten fanden in Österreich vergangenes Jahr statt. Darunter 73.070 Gewaltverbrechen, das sind 200 Anzeigen pro Tag. Erst vergangenen Samstag wurde eine 83-Jährige in Saalfelden in ihrer Wohnung überfallen.

Erste Anlaufstelle Polizei

Doch wer kümmert sich um die Opfer von Verbrechen und wo erfahren sie Hilfe? Bei der Einvernahme durch die Polizei werden Verbrechensopfer erstmals auf ihre Rechte hingewiesen. „Dazu gibt es Informations-Folder, mit denen die Betroffenen umfassend informiert werden. Wir sind darum bemüht, Opfern das Material zukommen zu lassen, das sie benötigen und aufzuklären, an welche Stellen sie sich wenden können“, berichtet Polizei-Pressesprecherin Nina Laubichler gegenüber SALZBURG24. Sofern gewünscht, übernehmen die Beamten auch den Erstkontakt mit einer Opferschutzeinrichtung.

Weißer Ring wünscht direkten Kontakt

Der Weiße Ring ist eine solche Einrichtung, für die der Salzburger Thomas Lehmert tätig ist. Er hat die Erfahrung gemacht, dass das Informationsmaterial zwar an die Betroffenen ausgegeben werde, diese sich jedoch häufig nicht bei den Einrichtungen melden. So müssten die Verbrechensopfer selbst an die Einrichtungen herantreten, ein umgekehrtes Prozedere ist datenschutzrechtlich nicht möglich. „Es wäre jedoch wichtig, dass die Betroffenen diese Informationen aus professioneller Hand und nicht nur auf einem Informationszettel erhalten.“

 

Einzige Ausnahme: „Bei Taten im sozialen Nahraum, da sprechen wir von Betretungsverboten und Wegweisungen, ist die Polizei verpflichtet, die Daten des Opfers an eine Opferschutzeinrichtung zu übermitteln“, erklärt Lehmert. In diesem Fall kann die Kontaktaufnahme vonseiten der Institution vonstatten gehen. Zudem könne die Polizei auf Wunsch eine Zustimmungserklärung des Betroffenen an eine Einrichtung versenden.

Hilfsangebote nicht sichtbar

Durch die aktuelle Rechtslage sieht Lehmert viele Verbrechensopfer jedoch durch den Raster fallen, sie bekommen nicht die ihnen eigentlich zustehenden Hilfsangebote. „Gerade bei schweren Delikten wäre es wichtig, dass wir mit den Opfern in Kontakt treten können und diese zumindest über ihre Rechte informieren.“ Zwangsbeglückt werde ohnehin niemand. Weil die Opferschutzeinrichtungen jedoch häufig nicht sichtbar seien, würden viele ihre Rechte nicht kennen.

Warum das so wichtig ist? „Menschen, die das erste Mal mit einem Verbrechen zu tun haben, wissen in der Regel nicht, wie ein Strafverfahren abläuft, ihnen ist auch nicht klar, dass sie das Recht auf Beratung und Akteneinsicht haben.“ Noch einmal nachlesen zu können, was man selbst oder der Beschuldigte ausgesagt hat, könne aber durchaus hilfreich sein, so der Opferhelfer.

Diese Rechte haben Verbrechensopfer

Wer Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, dem steht so eine Prozessbegleitung zu. Auch Therapien können mitunter vermittelt werden. Bei Sexualdelikten oder besonders traumatisierenden Verbrechen gibt es die Möglichkeit einer schonenden Einvernahme. Auch kann in bestimmten Fällen beantragt werden, dass während der eigenen Aussage der Beschuldigte aus dem Saal geführt wird. Wer strafgeschädigt wurde, kann in bestimmten Fällen seine Ansprüche nach dem Verbrechensopfergesetz beim Sozialministeriumservice geltend machen. Schmerzengeld oder auch die Kosten für Zahnersatz oder eine berufliche Umschulung können durch den Staat ausbezahlt werden. Die Rechnung geht an den Täter.

 

„Ich kenne Fälle von Menschen, die das nicht wussten und sämtliche Kosten selbst tragen mussten, obwohl sie darauf Anspruch gehabt hätten“, erzählt der Experte. Damit die Betroffenen die seit 2004 gesetzlich verankerten Rechte nutzen können, müssen sie aber an die richtige Stelle kommen, die sie beraten kann.

Diese Einrichtungen helfen

Bei Gewalt in der Familie sind das die Gewaltschutzzentren, der Frauennotruf begleitet Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, das Kinderschutzzentrum kümmert sich um Kinder und Jugendliche. Opfer situativer Gewalt werden vom Weißen Ring betreut. „Man kann sich als Verbrechensopfer immer an uns wenden, wir können den Betroffenen dann bei einem Ersttermin über seine Rechte informieren oder an eine andere Einrichtung weitervermitteln“, betont der Opferhelfer.

  • Verbrechensopfer können sich österreichweit rund um die Uhr unter dem Opfernotruf 0800 112 112 melden.

(Quelle: salzburg24)

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