Es ist knapp zwei Wochen her, dass es in der Watzmanntherme im grenznahen Berchtesgaden (Lkr. BGL) zu einem beinahe fatalen Badeunfall gekommen ist. Der inzwischen vierjährige Levi-Matthias aus Hallein (Tennengau) konnte von zwei Zwölfjährigen gerade noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen werden, eine zufällig anwesende Notärztin leistete dem Buben Erste Hilfe.
Inzwischen konnte der Vierjährige nach Hause entlassen werden, wie Kinderintensivmediziner Johannes Brandner, einer seiner behandelnden Ärzte, am Mittwoch gegenüber SALZBURG24 bestätigt. Der Bub dürfte das Unglück laut Brandner wohl ohne bleibende Schäden überstehen. „Wichtig hierfür war sicher insbesondere die rasche Rettung am Unfallort, aber auch die sehr gut funktionierende Rettungskette mit Weiterversorgung im Schockraum und anschließend an der Kinderintensivstation des Salzburger Landeskrankenhauses“, ist der Arzt überzeugt.
Kaltes Wasser stellt gewissen Schutz dar
Wie unfassbar groß das Glück des kleinen Halleiners ist, macht sein Arzt im S24-Gespräch einmal mehr deutlich. „Durch die höhere Wassertemperatur wie zum Beispiel in Thermen ist die Wahrscheinlichkeit von anhaltenden Hirnschädigungen nach Ertrinkungsunfällen höher. Das Kind dürfte sich wahrscheinlich nur eher kurze Zeit unter Wasser befunden haben, ehe es gerettet wurde“, beschreibt er.

Denn: Ertrinken bei kalten Temperaturen beziehungsweise im Eiswasser kann manchmal einen Schutzmechanismus darstellen, der es Betroffenen ermöglicht, längere Zeiten unter Wasser zu überleben, erklärt dazu Richard Rezar, Facharzt für Innere Medizin und Intensivmedizin an den SALK, gegenüber SALZBURG24.
Durch eine Unterkühlung wird der Stoffwechsel im Gehirn und anderen Organen auf ein sehr niedriges Niveau herabgefahren – dadurch kommt es zu einer „hirnschützenden“ Wirkung sogar bei bzw. nach einem Kreislaufstillstand. „Ein bisschen kann man das mit der Situation beim Winterschlaf der Tiere vergleichen. Der Organstoffwechsel fährt bei Unterkühlung auf niedriges Level herab, läuft aber trotzdem weiter“, führt Brandner aus. Kinderorgane hätten außerdem eine höhere Erholungstendenz. „Das bedeutet in der Ersthilfe, egal wie unterkühlt ein Kind ist und auch wenn keine Kreislaufzeichen spürbar sind, sollte man unbedingt die Wiederbelebungsmaßnahmen beibehalten“, verdeutlicht der Kinderarzt.
Bei höheren Temperaturen tritt dieser Schutzeffekt nicht so ein. Ein Sauerstoffmangel führt daher im warmen Wasser wahrscheinlich eher zu bleibenden Schäden im Gehirn.
Ertrinkungsunfall: Unter Wasser zählt jede Sekunde
Bei einer Rettung aus dem Wasser geht es auf jeden Fall um Zeit, jede Sekunde zählt. „Man kann nichts falsch machen, außer man macht nichts“, bringt es Markus Gewolf von der Salzburger Wasserrettung im S24-Gespräch auf den Punkt. Wichtig sei es, die Rettungskette in Gang zu setzen. Also andere auf die Notsituation aufmerksam machen und versuchen, die Person aus dem Wasser zu bringen. Was ihr als Ersthelfer noch tun solltet, lest ihr am Ende des Artikels.
Gerade bei Kindern wird der Faktor Zeit durch einen angeborenen Reflex strapaziert. Für Erwachsene scheint es unvorstellbar, aber Kleinkinder ertrinken still. Sie schreien nicht. Sie rudern nicht mit den Armen. Sie drehen sich nicht um. 20 Zentimeter Wasser oder sogar nur das eingetauchte Gesicht – auch in der heimischen Badewanne – können im schlimmsten Fall reichen.
Warum Kinder still ertrinken
„Taucht das Kind mit dem Kopf unter Wasser, passieren aufgrund eines Reflexes drei Sachen gleichzeitig“, erklärt Kinderintensivmediziner Brandner. Vor allem Kleinkinder halten beim Eintauchen des Gesichtes in Wasser die Luft an – die Atmung ist blockiert. Gleichzeitig verschließen sich die Stimmritzen im Kehlkopf – um Hilfe schreien ist unmöglich. Zusätzlich hören die Kinder auf, sich zu bewegen – sie ertrinken, ohne sich gegen das Ertrinken zu wehren.
Dieser Reflex ist eigentlich eine Schutzmaßnahme des Körpers, damit kein Wasser in die Lunge gelangt. Besonders in den ersten vier Lebensjahren tritt dies auf, selten auch später. Wie viele andere angeborene Reflexe im Kindesalter verschwindet auch dieser mit zunehmender Reife des Kindes.
Ältere können im Gegensatz dazu die Luft bewusst anhalten. Wie Erwachsenenmediziner Rezar erklärt, sei dies bei einem Großteil jedoch auch nur weniger als eine Minute möglich. Danach kommt aufgrund des Atemantriebs Wasser in die Atemwege. Durch Husten wird mehr Wasser inhaliert. In der Folge kommt es zur Sauerstoffunterversorgung, sowie letztlich Bewusstlosigkeit und zum Kreislaufstillstand. Der gesamte Prozess, vom Untertauchen bis zum Herzstillstand, benötigt aber auch bei Erwachsenen meist nur wenige Sekunden bis Minuten. Bereits in diesem kurzen Zeitraum können durch den Sauerstoffmangel irreversible Hirnschäden auftreten.
Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen
Solch schwere Ertrinkungsunfälle bei Kindern, wie bei dem Vierjährigen, werden in den SALK drei bis vier pro Jahr behandelt, schildert Brandner. Gerade in öffentlichen Badeanstalten oder in der Badewanne daheim, sei vielen Bezugspersonen die Gefahr des Wassers für Kleinkinder eher bewusst. Ins Wasser gestürzte Kinder würden dort zudem meistens rascher gefunden.
Aber auch in der Badewanne könne ein Moment der Unaufmerksamkeit reichen, wenn etwa das Telefon klingelt oder jemand an der Tür läutet und man das Kind kurz unbeaufsichtigt lässt, warnt der Arzt.
Eine mitunter größere Gefahr stellen, nicht nur in der warmen Jahreszeit, sondern auch im Herbst und Winter scheinbar harmlose, seichte Gartenteiche, Biotope oder kleine Bäche dar, warnt der Kinderarzt. Bis man das scheinbar sicher, auffallend ruhig im Garten spielende Kind endlich im Teich liegend findet, sei es leider manchmal schon zu spät.
So läuft die Erste Hilfe bei Ertrinkungsunfällen ab
Was ihr im Ernstfall tun solltet, haben wir hier für euch aufgelistet.
- Rettungskette in Gang setzen; andere auf den Notfall aufmerksam machen
- Person aus dem Wasser bringen; sich selbst dabei aber nicht überschätzen
- Bewusstsein überprüfen: Ansprechen und sanft an den Schultern schütteln
- Atmung prüfen: Kopf überstrecken, „hören, sehen, fühlen“ für maximal zehn Sekunden
- Normale Atmung vorhanden: Stabile Seitenlage
- Keine normale Atmung vorhanden: Wiederbelebungsmaßnahmen – 30 Mal Herzdruckmassage, zwei Mal beatmen
Vorsicht: Die Kinderreanimation läuft anders ab als bei Erwachsenen. Bei der Wiederbelebung von Kindern steht die Beatmung im Vordergrund. Zuerst also zwei bis fünf Initialbeatmungen, dann erst mit der Herzdruckmassage beginnen. Diese sollte dann wie folgt fortgeführt werden: 15 Mal Herzdruckmassage, zwei Mal beatmen.
(Quelle: salzburg24)