Stille Auflehnung

Wie man sich im Salzburger Innergebirg den Nazis widersetzte

Podiumsgespräch in St. Johann im Pongau zum Thema "Unterstützungswiderstand". v.l.: Winfried Garscha vom DÖW, Historiker Albert Lichtblau, Sozial- und Kulturarbeiterin Elfriede Oblasser.
Veröffentlicht: 24. Jänner 2025 16:30 Uhr
Der Widerstand im Nationalsozialismus hatte viele Gesichter – so auch im Salzburger Innergebirg. Dort versteckte sich im Sommer 1944 eine Gruppe von Männern, die von der Gestapo gesucht wurde. Geholfen wurde ihnen von zahlreichen Menschen in den Dörfern rund um Goldegg. Welche entscheidende Rolle solche Unterstützer:innen im NS-Widerstand spielten, blieb aber lange unbeachtet.

Was bewegt Menschen dazu, sich gegen ein totalitäres Regime aufzulehnen? Welche Motive treiben sie an, ihr Leben zu riskieren, um anderen zu helfen? Und: Welche Formen kann Widerstand annehmen? Bei einem Podiumsgespräch in St. Johann im Pongau wurde am Donnerstag ergründet, welche Beweggründe die Widerständigen im Nationalsozialismus hatten und was es braucht, um sich gegen ein diktatorisches System aufzulehnen. Im Zentrum standen dabei die Geschichten der Goldegger Deserteure – und die Menschen, die ihnen halfen, oft unter Lebensgefahr.

Widerstand gegen NS-Diktatur: „Ging darum, Leben zu retten“

Teil der Gesprächsrunde war Elfriede Oblasser, selbst Enkelin eines Verfolgten. Dieser hatte mehrere Gesuchte auf seinem Hof in Taxenbach (Pinzgau) versteckt und war deshalb selbst in Konzentrationslager inhaftiert worden. Für sie sei es sowohl eine Ehre als auch eine Bürde, darüber zu sprechen, erklärt sie in ihrer Begrüßung an das Publikum. Die Geschichte ihres Großvaters sei immer präsent gewesen – atmosphärisch, im Schweigen. Dass das Verstecken der Verfolgten selbst als Akt des Widerstands benannt wurde, daran könne sie sich nicht erinnern. „Da ging es einfach um die Entscheidung, Leben zu retten und die Situation des anderen Menschen zu erkennen.“

Widerstand ohne Unterstützer:innen nicht möglich

Heute fällt das, was Oblassers Großvater und seine Schwester im Innergebirg getan haben, unter den Begriff Unterstützungswiderstand – eine sehr neue Perspektive. Denn erforscht wurde lange vor allem der politische Widerstand, wie Winfried Garscha, Historiker des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, erklärt. Man habe sich vor allem die Akten der Verfolger angesehen. Erst als Überlebende befragt wurden, seien auch deren Unterstützerinnen und Unterstützer in den Fokus gerückt.

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Und eben diesen kam eine ganz bedeutende Rolle zu, wie Garscha betont: „Widerstand nur mit Personen, die Behörden bekannt werden, ist nicht möglich. Es braucht immer auch ein Hilfsnetzwerk.“ Als Beispiel nennt er dafür die Partisanen, die sich im Salzkammergut in den Bergen versteckt hielten. Ohne die Frauen aus dem Tal, von denen sie versorgt wurden, wären sie einfach gestorben. Und ihre Unterstützerinnen nahmen allein dadurch wohl sogar das größere Risiko auf sich: „Die Gestapo war im Tal, nicht auf den Bergen.“

Emotionen als Katalysator für Auflehnung

Auch er betont die emotionale Komponente, die Menschen dazu brachte, sich im Widerstand zu engagieren oder Widerständige zu unterstützen. Fast nie seien es rein politische oder intellektuelle Motive gewesen. „Mitgefühl, Empörung. Das bringt Menschen dazu, über ihren Schatten zu springen“, schildert er. Auch freundschaftliche oder familiäre Verbindungen spielten mit hinein – wie eben bei den Goldegger Deserteuren.

Bei ihrem Großvater habe sie eine Art „Gebirgsanarchismus“ beobachtet, meint Oblasser und führte aus, was das bedeutet: „Eine Geisteshaltung des Eigensinns und wenn man klare Vorstellungen von Gut und Schlecht hat und dem auch folgt, trotz Hindernissen.“ Landwirte seien in ihrem Lebensstil sehr autark und deshalb auch in ihrer Lebensphilosophie – was dem Unterstützungswiderstand zugutekam.

Sie selbst habe beim Wort Widerstand früher noch eher an bewaffnete Männer gedacht. Ein „Grüß Gott“ als Akt der Auflehnung? „Das hat mich verwirrt.“ Erst nach und nach sei ihr dann klargeworden, dass Widerstand von den Geschlechtern eben eher unterschiedlich gelebt wurde. Als etwa der Hof ihres Großvaters in Taxenbach von der Gestapo abgesucht worden war, wurde auch der angebaute Hof der Nachbarn durchforstet. Von der Nachbarin wollten die Beamten Kaffee. Diese habe der Erzählung nach aber nur erwidert: „Habt ihr beim Durchsuchen irgendwo Kaffee gesehen? Außerdem habe ich keine Milch, ihr habt den Mann ja nicht melken lassen.“ Auch das seien Situationen, die wichtig sind.

Oblasser für mehr Bewusstsein der eigenen Handlungsmacht

Welche Erkenntnis sie aus der Geschichte ziehen? Garscha: „Am Ende fällt alles auf die Frage zurück: Wie mutig bist du selbst, richtig Erkanntes auch umzusetzen?“ Oft gehe es dabei auch um vermeintlich kleine Aktionen, die etlichen Menschen helfen können.

Für Oblasser läuft es mehr auf eine Art Selbstermächtigung hinaus: „Jeder Mensch hat bis zum Tod Entscheidungsmöglichkeiten“, so die Aktivistin. Gerade in Zeiten, in denen man die Handlungsmacht eher woanders sieht, sei das eine wichtige Einsicht. „Ich kann mich immer entscheiden, jemanden zu retten, zu unterstützen, anzulächeln. Und all das macht dann etwas aus.“

Die Geschichte der Goldegger Deserteure

Im Sommer 1944 bildete sich in Goldegg-Weng eine Gruppe von Wehrmachtsdeserteuren, die sich dem NS-Regime widersetzten. Zentrale Figuren waren Karl Rupitsch, der nach seiner Flucht aus dem Gefängnis bei Alois und Theresia Buder Unterschlupf fand, sowie die Deserteure Richard Pfeiffenberger, Georg Kössner jun., Peter Ottino und Franz Unterkirchner. Diese Männer wurden von einigen Dorfbewohner:innen unterstützt und versteckt, darunter die Familien Oblasser, Hochleitner und Buder.

Im Juli 1944 führte die Gestapo eine Razzia durch, bei der die Brüder Simon und Alois Hochleitner wegen ihrer Unterstützung der Deserteure erschossen wurden. Peter Ottino kam bei einem Gefecht mit der SS ums Leben. Viele Unterstützer:innen wurden verhaftet und in Konzentrationslager deportiert, wo sie ums Leben kamen. Auch Johann Oblasser, Elfriede Oblassers Großvater, wurde verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht. Bei einem Fußmarsch von Flossenbürg nach Dachau konnte er fliehen. Im Juni 1945 kehrte er auf seinen Hof in Taxenbach zurück.

Die Biographien der Akteure und Akteurinnen rund um die Goldegger Deserteursgruppe können auf der Seite des Vereins der Freunde des Deserteurdenkmals in Goldegg nachgelesen werden.

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Podiumsgespräch in St. Johann im Pongau zum Thema "Unterstützungswiderstand". v.l.: Winfried Garscha vom DÖW, Historiker Albert Lichtblau, Sozial- und Kulturarbeiterin Elfriede Oblasser.
Podiumsgespräch in St. Johann im Pongau zum Thema "Unterstützungswiderstand". v.l.: Winfried Garscha vom DÖW, Historiker Albert Lichtblau, Sozial- und Kulturarbeiterin Elfriede Oblasser.

(Quelle: salzburg24)

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