Nahost-Konflikt

Was eine noch breitere Anerkennung Palästinas bedeutet

Die Wandmalerei drückt Solidarität mit Palästina aus. Aufgenommen am 28. Juli 2023 in Caracas. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 22. September 2025 10:45 Uhr
Mit Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal haben am Sonntag vier westliche Staaten die Anerkennung eines Palästinenserstaates verkündet. Österreich und Deutschland agieren gegen diesen Trend. Was bedeutet aber die breitere Anerkennung für den Nahost-Konflikt?

Frankreich und Saudi-Arabien wollen am Montag in der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York die Debatte über die Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt neu anstoßen. Mehrere europäische Länder planen, dabei offiziell einen palästinensischen Staat anzuerkennen. Was würde eine breitere Anerkennung für Israelis und Palästinenser bedeuten?

Wie ist der Status der palästinensischen Souveränität?

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) rief 1988 einen unabhängigen palästinensischen Staat aus. Diesen erkannten die meisten Staaten des globalen Südens schnell an. Heute erkennen rund 150 der 193 UNO-Mitgliedstaaten einen palästinensischen Staat an.

Auslandsvertretungen des Staates stehen unter der Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Diese wird international als die Repräsentation des palästinensischen Volkes anerkannt und entsendet eine Delegation an die UNO. Bei den UNO genießt Palästina Beobachterstatus, aber keine Stimmrechte. Dafür bräuchte es eine volle UNO-Mitgliedschaft. Dieser müsste der Sicherheitsrat zustimmen, wo die USA, Israels engster Verbündeter, ein Veto haben.

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Die USA wollen einen palästinensischen Staat aber erst anerkennen, wenn sich Palästinenser und Israelis auf eine Zwei-Staaten-Lösung einigen. Bis vor einigen Wochen war das auch die Position der großen europäischen Staaten; Deutschland und auch Österreich halten daran fest. In der vorvergangenen Woche verabschiedete die Vollversammlung mit großer Mehrheit eine Resolution zur Zwei-Staaten-Lösung. Diese unterstützten die meisten europäischen Länder - selbst Österreich und Deutschland mit der historischen Verantwortung, die sie tragen für den Holocaust und für jüdisches Leben. Die USA und Israel stimmten dagegen. Israel und die Palästinenser führten zuletzt 2014 Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung.

Die PA wird von Präsident Mahmoud Abbas geführt und verwaltet in Abstimmung mit Israel nur Teile des besetzten Westjordanlands. Sie vergibt palästinensische Pässe und verantwortet die palästinensischen Gesundheits- und Bildungssysteme.

Der Gazastreifen wird seit 2007 von der militant-islamistischen Hamas kontrolliert, die Israel das Existenzrecht abspricht. Zuvor hatte die Hamas Abbas' Fatah-Bewegung aus dem Küstenstreifen vertrieben. Die PA zahlt dennoch weiter viele Gehälter dort.

Wer kündigt die Anerkennung Palästinas an und warum?

Mehrere Länder wollen bei der diesjährigen UNO-Vollversammlung ihre offizielle Anerkennung eines Palästinenserstaats verkünden, darunter Frankreich und voraussichtlich auch Belgien, Andorra, Malta, Luxemburg, San Marino und Neuseeland. Großbritannien, Kanada, Australien und Portugal hatten bereits am Sonntag ihre Anerkennung verkündet. Ziel sei es, Druck auf Israel auszuüben, um den Gaza-Krieg zu beenden und einen neuen Friedensprozess anzustoßen.

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Der französische Präsident Emmanuel Macron war der erste Top-Regierungspolitiker einer westlichen Großmacht, der sich für die Anerkennung Palästinas aussprach. Die PA müsse sich aber auch zu Reformen zur Verbesserung der palästinensischen Verwaltung verpflichten. Nur so könne sie ein glaubwürdigerer Partner für die Nachkriegsverwaltung des Gazastreifens werden.

Die Regierung in London wird sich eigenen Angaben zufolge dann zurückhalten, wenn Israel Schritte unternimmt, die humanitäre Krise im Gazastreifen zu beenden und sich einem langfristigen Friedensprozess widmet. Die Staaten hoffen außerdem, Israel dazu zu bringen, den Bau neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland zu begrenzen.

Deutschland und Österreich halten daran fest, einen palästinensischen Staat vorerst nicht anzuerkennen. Bei einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez am Donnerstag sagte Kanzler Friedrich Merz: "Für die Bundesregierung steht die Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit gegenwärtig nicht zur Debatte". Ende August hatte er bereits gesagt, die Voraussetzungen seien dafür "in keinster Weise" erfüllt. Eine Anerkennung müsse der letzte Schritt in einem Friedensprozess sein, aus dem eine Zwei-Staaten-Lösung hervorgehe.

Für Österreich sei eine Anerkennung aktuell kein Thema. "Ich sehe nicht, wie eine Anerkennung aktuell zu keiner Änderung der Lage vor Ort führen würde", erklärte Außenministerin Beate Meinl-Reisinge (NEOS) jüngst. Langfristig führe kein Weg an einer Zwei-Staaten-Lösung auf Basis des Völkerrechts vorbei - "aber erst nach einem politischen Prozess.

Was bedeutet die Anerkennung praktisch?

Westliche Länder, die eine Anerkennung erwägen, sehen darin mehr als nur eine Geste. Zwar haben sie der PA nicht explizit mehr Geld zugesichert. Eine Anerkennung könne Staaten aber dazu bringen, bestimmte Aspekte ihrer Beziehungen mit Israel zu überdenken, sagt Vincent Fean, ein ehemaliger britischer Generalkonsul in Jerusalem. Im Falle Großbritanniens könne das ein Verbot von Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten bedeuten. Allerdings seien solche Schritte letztlich auch symbolisch, da sie nur einen kleinen Teil der israelischen Wirtschaft beträfen, sagt Fean.

Die PA legt große Hoffnungen in eine breitere Anerkennung. Der palästinensische Botschafter in Großbritannien, Hussam Somlot, sagt, dass eine Anerkennung zu strategischen Partnerschaften führen könnte: "Wir werden auf Augenhöhe stehen."

Skeptiker verweisen auf China, Indien, Russland und viele arabische Staaten. Sie haben Palästina zwar vor Jahrzehnten anerkannt, nehmen auf den Nahostkonflikt aber wenig Einfluss. Denn ohne einen vollen UN-Sitz oder die Kontrolle über die eigenen Grenzen kann die PA nur eingeschränkt bilaterale Beziehungen führen.

Es gibt derzeit keine Auslandsvertretungen in den palästinensischen Gebieten mit Botschaftsstatus. Diplomaten können nicht frei dorthin entsandt werden. Israel schränkt den Zugang zu Handel, Investitionen und Bildungs- oder Kulturaustausch ein. Es gibt keinen palästinensischen Flughafen. Das Westjordanland hat keinen Zugang zum Meer und kann nur durch Israel oder durch die von Israel kontrollierten Grenzen mit Jordanien erreicht werden. Auch jeglicher Zugang zum Gazastreifen wird durch Israel kontrolliert.

Wie haben Israel und die USA auf die Ankündigungen reagiert?

Israel zeigte sich empört über die Anerkennungspläne. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, damit werde die Hamas für ihren Überfall auf israelische Dörfer im Oktober 2023 belohnt. Die USA lehnen jeden Schritt der Europäer hin zu einer Anerkennung Palästinas ab. Als Reaktion verhängten sie Sanktionen gegen palästinensische Funktionäre. Dazu gehörte, Visa von Abbas und rund 80 anderen PA-Vertretern zu verweigern und zu widerrufen. Damit wird ihnen die Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York verwehrt. US-Außenminister Marco Rubio warnte bei einem Treffen mit Netanyahu, dass eine breitere Anerkennung Palästinas durch US-Verbündete eine "israelische Gegenreaktion" zur Folge haben werde. Genauer ging er darauf nicht ein.

Die Angriffe am 7. Oktober 2023 waren der Auslöser für den seither laufenden Gaza-Krieg, der weltweit Empörung über Israels militärisches Vorgehen ausgelöst hat. Israel war jahrzehntelang formell einem Friedensprozess mit dem Ziel palästinensischer Unabhängigkeit verpflichtet. Heute wird das Land von der am weitesten rechts stehenden Regierung seiner Geschichte geführt. Ihr gehören Parteien an, die unter anderem das Ziel haben, eine palästinensische Staatsgründung zu verhindern.

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(Quelle: apa)

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