Ex-Premier Thaci wurde im dritten Wahlgang gewählt, in dem nur noch die einfache Mehrheit der Stimmen erforderlich war. Im ersten und zweiten Wahlgang war der Regierungskandidat an der Zwei-Drittel-Mehrheit (80 Stimmen) gescheitert. Die nationalistische Opposition hatte versucht, die Wahl mit allen Mitteln zu vereiteln. Nachdem sie erneut Tränengas im Parlamentsgebäude eingesetzt hatte, kam es am Nachmittag zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ihren Anhängern und der Polizei.
Die Europäische Union nannte die Vorfälle beunruhigend. "Wir erwarten, dass die politischen Führer des Kosovo verantwortlich handeln und die Spannungen dämpfen", erklärte eine Sprecherin. "Gewalttaten in jeder Form und von jeder Seite sind unannehmbar. Aufrührerische Rhetorik vertieft nur die Spaltung und macht einen Dialog schwieriger."
Die Nationalisten widersetzen sich der von der regierenden Großen Koalition aus Thacis Demokratischer Partei (PDK) und der Demokratischen Liga (LDK) von Premier Isa Mustafa betriebenen Aussöhnungspolitik mit Serbien, aus dessen Staatsverband der Kosovo im Jahr 2008 unilateral ausgeschieden war. Umstritten ist vor allem eine mit Belgrad getroffene Vereinbarung zur Schaffung einer Gemeinschaft der Serben-Gemeinden im Kosovo. Diese Konstruktion soll der serbischen Volksgruppe eine Art Autonomie bringen.
Drei Oppositionsparteien - die ultranationalistische Vetevendosje (Selbstbestimmung), die Allianz für die Zukunft (AAK) und Nisma (Initiative) - fordern seitdem von der Regierung, die Vereinbarungen zu annullieren oder aber zurückzutreten - u.a. mit Straßenprotesten. Im Parlament versuchte die Opposition mehrmals, ihr Ziel mit Protestaktionen durchzusetzen. Dabei setzte sie auch mehrfach Tränengas ein. Am 9. Jänner setzte eine Gruppe Randalierer am Rande einer Kundgebung das Regierungsgebäude in Prishtina in Brand. An dem Gebäude wurden auch Fensterscheiben eingeschlagen. Die Opposition wirft der Regierung auch Korruption vor.
Thaci folgt als Präsident auf Atifete Jahjaga, die 2011 als erste Frau an die Staatsspitze des Kosovo gewählt worden war. Die Wahl Thacis war bereits bei Bildung der Koalition aus PDK und LDK vereinbart worden. Er verzichtete dafür als Chef der stimmenstärksten Partei auf das Amt des Ministerpräsidenten, das er zuvor 2008-14 in einer anderen Koalition innehatte. Vor dem Parlamentsgebäude bewarfen mehrere hundert Demonstranten während der Abstimmung die Polizei mit Steinen und Flaschen. Die mit einem riesigen Aufgebot angerückte Polizei antwortete mit Tränengas und Wasserwerfern. Mindestens zwölf Menschen wurden nach offiziellen Angaben verletzt, elf von ihnen waren Polizisten. Thaci hatte seine Anhänger angewiesen, seine erwartete Wahl zu Hause zu feiern.
Thaci war einer der Gründer der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK), die in den 90er Jahren für die Unabhängigkeit der mehrheitlich von Albanern bewohnten damaligen südserbischen Provinz kämpfte. Kritiker sahen in den Bemühungen Thacis, Staatsoberhaupt zu werden, den Versuch, sich dem Tribunal zu entziehen, das heuer gebildet werden und sich mit Kriegsverbrechen befassen soll, die UCK-Kämpfer zwischen 1998 und 2000 verübt hatten.
(Quelle: salzburg24)