Welt

Internationale Pressestimmen nach BP-Wahl

Veröffentlicht: 25. April 2016 10:41 Uhr
Internationale Tageszeitungen und Online-Portale kommentieren die Bundespräsidentenwahl am Montag. Offiziell halten sich die EU-Politiker mit Stellungnahmen zur österreichischen Bundespräsidentschaftswahl zurück. Doch in europäischen Leitmedien wird der Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer in der ersten Runde klar im Kontext der Flüchtlingskrise und als Absage an das traditionelle Parteiensystem gesehen.

"Politico" (US-Nachrichtenportal):

"Obwohl viele vom österreichischen Polit- und Medien-Establishment versuchten, das (Wahl)Ergebnis als Protest gegen die regierenden Eliten darzustellen, wird es im Ausland Erinnerungen an den langjährigen Flirt des Landes mit der rechtsgerichteten Politik wieder erwecken. In den 1980er Jahren wählten die Österreicher den Ex-UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, obwohl er Antworten auf Fragen zu seinen Aktivitäten als Wehrmachts-Offizier im Zweiten Weltkrieg schuldig blieb. Die USA setzten Waldheim auf die sogenannte Watchlist, so dass er dort nicht einreisen durfte.

Österreich zog in den 1990ern während Haiders meteoritenhaftem Aufstieg erneut ungewollte internationale Aufmerksamkeit auf sich. Haider, ein charismatische Politiker, brachte seine populistische Botschaft von seiner Heimatbasis in einer armen südlichen Provinz auf die nationale Bühne. Im Jahr 2000 ging die Freiheitliche Partei eine Koalition mit der Volkspartei ein - so wurde ein Tabu gegen populistische Parteien in der EU gebrochen, und Österreich wurde international getadelt.

Vor seiner Kandidatur war Hofer außerhalb Österreich praktisch unbekannt. Von seiner Ausbildung her ein Ingenieur, machte er sich innerhalb der Freiheitlichen Partei einen Namen als ihr "Chefideologe", Hauptautor des Parteiprogramms. (...) Die österreichischen Präsidenten sind normalerweise grauhaarige Getreue der etablierten Parteien. Die Kraft hinter Hofer (...) ist FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache."

"Die Welt" (Berlin):

"Hofer ist in der FPÖ maßgeblich für das als fremdenfeindlich geltende Programm zuständig. (...) Trotz harter fremdenfeindlicher Linie gab es im Vergleich zu seinen Parteikollegen nie Aufregung um markige Sprüche. In der Partei gilt Hofer neben Generalsekretär Herbert Kickl als wichtiger Berater von Parteichef Heinz-Christian Strache."

"La Repubblica" (Rom): "Das Wahlergebnis des Kandidaten der populistischen Rechten, Norbert Hofer, ist ein Triumph, der die kühnsten Prognosen vor den Wahlen wegfegt. Die Regierung Faymann könnte bald ins Wanken geraten. Nach einem Wahlkampf, der vom Flüchtlingsthema dominiert war, steht die Partei der 'Enkelkinder Haiders' einen Schritt vor einem unglaublichen Ergebnis. Hofer hat in einem Monat beste Chancen, zum achten österreichischen Staatschef zu avancieren".

"Information" (Kopenhagen):

"Die Präsidentenwahl in Österreich wurde für die Rechtspartei FPÖ zum Triumph. Deren Parteikandidat Norbert Hofer schlug seine Gegenkandidaten mit harten Attacken auf eine angeblich sentimentale Ausländerpolitik der Regierung und nicht zuletzt auch gegen den Islam. (...) Einiges deutet darauf hin, dass die antimuslimische Botschaft in Österreich populär ist, nachdem die Wähler gestern Hofer und die FPÖ an den Urnen belohnte."

"Dnevnik" (Ljubljana):

"Das Ergebnis des ersten Durchgangs, in dem Norbert Hofer von der FPÖ die Mehrheit der Stimmen gewann, ist keine Überraschung. (...) Die desillusionierten und verärgerten Wähler, die drei Viertel jener repräsentierten, die zu den Urnen gingen, wollen eine Veränderung, aber es wäre gemäß der österreichischen Kultur inkonsistent, so einen radikalen Schwung nach rechts zu wollen. In dieser Hinsicht kann Alexander Van der Bellen von den Grünen, der ruhig, vereinend und proeuropäisch ist, im zweiten Durchgang mit den Stimmen jener rechnen, die gestern verloren haben."

"Zeit online" (Hamburg):

"Was eine reine Persönlichkeitswahl sein sollte, entwickelte sich so zu einer wütenden Abrechnung mit den beiden politischen Lagern, die das Geschehen in Österreich stets dominiert hatten. Sozialdemokraten und die konservative Volkspartei haben, obwohl ihre Unterstützung seit Jahren immer mehr erodierte, die gesamte Macht und alle Posten, die im Einflussbereich des Staates stehen, fein säuberlich untereinander aufgeteilt. Ein Staatsoberhaupt, das nicht aus den Reihen dieses Machtkartells stammt, war bis vor Kurzem in Wien unvorstellbar. (...)

In den nächsten vier Wochen bis zur Stichwahl steht Österreich ein erbitterter Lagerwahlkampf bevor (...) Es wird eine spannende Auseinandersetzung von zwei an sich unvereinbaren und unversöhnlichen Gruppen: auf der einen Seite das grüne weltoffene Lager, auf der anderen Seite die Rechtspopulisten. Das wird die Öffentlichkeit in den Bann ziehen - aber parallel wird bei Sozialdemokraten und Volkspartei wohl bald ein Selbstzerfleischungsprozess einsetzen. Zu groß ist die Blamage, zu umstritten sind beide Parteichefs." Nachrichtenagentur "Reuters" (London): "Obwohl der Bundespräsident eine weitgehend repräsentative Rolle hat: Die Tatsache, dass keine der beiden Regierungsparteien weiter im Rennen um den Posten (...) ist, markiert eine bedeutende Veränderung in der österreichischen Politik - und zugleich die steigende Rolle der extremen Rechten in Europa."

"Mlada fronta Dnes" (Prag):

"Die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Österreich wurde zur Explosion, deren Opfer das etablierte politische System war (...) Die westliche Welle der Unzufriedenheit mit der Politik, die die Flüchtlingswelle beschleunigt hat, hat auch das scheinbar stabile Österreich erreicht (...) Österreich ist auch eine Bestätigung dessen, dass die traditionellen Parteien im freien Fall sind. Es ist ein weiteres Land, dessen Wähler die Politik der Mitte abgelehnt haben".

"Lidove noviny" (Prag):

"Der Ausgang der gestrigen österreichischen Präsidentschaftswahl hat die bisherigen Gesetzmäßigkeiten auf den Kopf gestellt (...) Außer dem Misserfolg der Kandidaten der beiden Regierungsparteien zeigt das Wahlergebnis auch auf ein Versagen aller bisherigen Meinungsumfragen hin, in denen konstant Van der Bellen führte, während Hofer auf Platz drei oder zwei lag. Hofer, der Favorit der Stichwahl ist, wird wahrscheinlich bemüht sein, die Wähler nicht nur mit einer härteren Antiimmigrations-Rhetorik anzusprechen, sondern wird auch von der langzeitigen Unzufriedenheit der Österreicher mit der Regierung der Sozialdemokraten und der Volkspartei profitieren. Auch sein niedriges Alter kann ihm zum Schlusserfolg verhelfen".

"Pravo" (Prag):

"In Österreich hat es gedonnert. Ein Anti-Einwanderungs-Populist kann Präsident werden (...) Das Ergebnis der ersten Runde deutet an, dass die FPÖ in die Situation gerät, in der sie in 90-er Jahren unter der Führung des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider war. Die Freiheitlichen stellen sich scharf gegen die Immigration und sind auch die bedeutendste Stütze der Gegner von Atomkraftwerken, vor allem Temelin".

"Kommersant" (Moskau):

"Ein Gegner der Sanktionen gegen Russland könnte Präsident Österreichs werden"

Russlands linksgerichtetes Internetmedium "Swobodnaja Pressa" erinnerte in seinem Kurzbericht zudem daran, dass Hofer die Krim als Teil Russlands bezeichnete habe und damit den Unmut des ukrainischen Außenministeriums auf sich gezogen habe.

Ukrainische Medien bezeichneten in ihren Online-Beiträgen Hofer als "pro-russischen Kandidaten" (Pjatyj Kanal), "pro-russischen Nationalisten" ("Ukrajinska Prawda"), oder auch als "Freund Putins" (tsn.ua).

"Corriere della Sera" (Mailand):

"Die extreme Rechte reitet in Österreich auf der Migrantenwelle. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Österreich droht die politischen Verhältnisse im Land zu ändern."

"La Stampa" (Turin):

"Die FPÖ, die Partei des verstorbenen Jörg Haiders, feiert ihr bestes Ergebnis aller Zeiten. Ihr Erfolg bezeugt die zunehmende Verdrossenheit der Wählerschaft gegenüber den etablierten Parteien, aber auch die Sorgen wegen der Flüchtlingskrise. Nicht umsonst setzt Hofer die Regierung Faymann mit seiner Forderung nach einer restriktiveren Migrationspolitik arg unter Druck."

"Financial Times":

"Österreichs weit rechts stehende Freiheitliche Partei hat einen unerwartet kraftvollen Sieg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl des Landes eingefahren, was das Potenzial für Europas Flüchtlingskrise aufzeigt, Schockwellen über den ganzen Kontinent zu schicken."

"Die Wahl eines FPÖ-Kandidaten in der Endrunde am 22. Mai könnte eine politische Krise in Wien nach sich ziehen - insbesondere wenn Herr Hofer versuchen sollte, die Regierung unter dem sozialdemokratischen Kanzler Werner Faymann zu behindern oder gar zu entlassen. Darüber hinausgehend dürften die Ergebnisse vom Sonntag die Nervosität in Hauptstädten quer durch Europa über den Aufstieg von populistischen, extremistischen sowie Randparteien erhöhen."

Das Nachrichtenportal "Politico":

"Österreichs Freiheitliche Anti-Immigrations-Partei hat in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag stark gewonnen, während Sorgen über die Flüchtlingskrise und die Wirtschaft die Wähler scharenweise dazu veranlasst haben, das herrschende Establishment zu verlassen."

Auch "Politico" sieht den Erfolg der FPÖ über Österreich hinausgehend. "Die Partei hat Kapital geschlagen aus Ängsten davor, was der Zustrom von Flüchtlingen für das Land bedeutet. Österreich hat seit Beginn der Krise mehr Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen als Deutschland. In dieser Hinsicht wird das Wahlergebnis auch eine Mahnung über die Kosten der Flüchtlingsaufnahme an ander EU-Länder sein. Hofers Erfolg unterstreicht auch die Macht der Anti-EU-Botschaft zu einer Zeit, in der Europa tief gespalten darüber ist, wie man eine Reihe von Herausforderungen angehen soll, von der weitverbreiteten wirtschaftlichen Stagnation über Griechenland bis zur Flüchtlingskrise."

Das Online-Magazin "EUObserver" bezeichnete den Sieg des "weit rechten" FPÖ-Kandidaten Hofer am Montag als "historischen Schlag für die traditionellen Mainstream-Parteien". Dabei stellt das Magazin Überlegungen für Neuwahlen an. "Wenn Hofer die Stichwahl gewinnt, könnte er auf Neuwahlen dringen, um die Früchte für die derzeitige Popularität seiner Partei zu ernten."

Für den "EUObserver" ist das schlechte Abschneiden der Mainstream-Parteien "nur ein weiteres Zeichen, dass Europas Wähler die Nase voll haben von den traditionellen Eliten und sich immer stärker populistischen Parteien zuwenden". Dabei sieht das Magazin das Wahlergebnis auch im Zeichen der Flüchtlingspolitik der österreichischen Bundesregierung. "Während (Bundeskanzler Werner, Anm.) Faymann neben Kanzlerin Angela Merkel Seite an Seite in der Flüchtlingskrise für eine Politik der offenen Türen stand, unterstützte er später Grenzschließungen, die effektiv zur Schließung der Balkanroute für Migranten von Griechenland nach Nordeuropa führte. Aber die Kehrtwendung hat ihm und seiner Partei in den Wahlen nicht geholfen."

"El Mundo" (Madrid):

Spaniens konservative El Mundo unterstreicht, dass sich Norbert Hofer im Wahlkampf als "Beschützer Österreichs" vor der Flut von Flüchtlingen profilierte und bezeichnet ihn als "Rechtsextremen im Schafsfell". "Der überraschende Sieg Hofers für die FPÖ könnte eine nationale Krise auslösen und die Alarmglocken in der Europäischen Union schrillen lassen."

"El Periódico" (Barcelona):

Die katalanische Tageszeitung bezeichnet den Sieg Hofers als einen "gigantischen Schritt der extremen Rechten, sich in Europa als politische Alternative zu etablieren". Der ultranationalistische Populismus habe sich in der österreichischen Gesellschaft festgesetzt und das beste Wahlergebnis seiner Geschichte eingefahren. "Damit wird Österreich zum neuen Beispiel, dass sich der autoritäre Ultranationalismus nicht nur in Ländern mit Wirtschaftskrisen oder mit hohen Flüchtlingszahlen durchsetzt."

"El País" (Madrid):

Spaniens große liberale Tageszeitung El País betont, die Bundespräsidentschaftswahlen hätten in der Vergangenheit den persönlichen Charakter des Kandidaten und seine Fähigkeit im Fokus gehabt, das Land zu repräsentieren und als moralische Autorität aufzutreten. "In dieser Wahlkampagne dominierten jedoch die Debatten um die Flüchtlingskrise und die drastischen Asyl-Begrenzung seitens der Regierung". Hofer habe die "Unzufriedenheit vieler Österreicher mit der Regierungspolitik Werner Faymanns ausgenutzt".

"Eitb":

Das baskische Regionalfernsehen Eitb versichert unterdessen auf seiner Homepage, "der Sieg einer ultranationalistischen, fremdenfeindlichen, anti-europäischen und populistischen Partei in Österreich ist eine Alarmwarnung über den Kurs in Europa".

"Sega" (Sofia)

Die bulgarische Zeitung "Sega" wie auch die privaten Fernsehsender bTV und Nova bezeichnen den Sieg von Hofer als "Triumph". Sie unterstreichen, dass nur der "Outsider" Lugner schlechter abgeschnitten habe als die Vertreter des Establishments - die beiden regierenden Koalitionsparteien. "Sega" unterstreicht, dass die Österreicher die Parolen der Nationalisten "hemmungslos" bevorzugt haben und offensichtlich nicht nur Angst vor den Migranten zeigten, sondern auch ihre Abneigung gegen die Regierung.

(APA)

(Quelle: salzburg24)

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