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Prozess im Fall Ernst-Kirchweger-Haus eröffnet

Veröffentlicht: 09. September 2014 14:32 Uhr
Im Wiener Straflandesgericht ist am Dienstag der Prozess um einen gewalttätigen Überfall auf das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) in Wien-Favoriten durch rechtsgerichtete Fans des Fußballklubs Austria eröffnet worden. Eine Horde mehr oder weniger junger Austria-Anhänger war am 27. Oktober 2013 vor dem Heimspiel gegen den SK Rapid Wien auf dem Weg in die Generali Arena ins EKH eingedrungen.

Zu dieser Zeit fanden dort im ersten Stock ein Frühstück des türkisch-kurdischen Kulturvereins ATIGF, an dem Frauen und Kinder teilnahmen, sowie eine Versammlung der kommunistischen Gewerkschaft KOMintern statt. Einige Aktivisten stellten sich den gewaltbereiten Hooligans in den Weg, einer von ihnen wurde im Stiegenhaus zusammengeschlagen. Der Mann, der Faustschläge gegen die Stirn und das Jochbein und Tritte gegen die Rippen kassierte, wurde verletzt. Laut seiner Anwältin, die in der Verhandlung seine Interessen vertrat, leidet der Betroffene seither an Angst- und Durchschlafstörungen, traut sich ohne seinen Hund nicht mehr auf die Straße und ist nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben.

Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter legte sieben Austria-Fans im Alter zwischen 27 und 39 Jahren Hausfriedensbruch zur Last. Einer von ihnen musste sich zudem wegen Körperverletzung verantworten. Alle sieben bekannten sich nicht schuldig und behaupteten, das EKH gar nicht betreten zu haben. Man sei in einer größeren Gruppe von bis zu 40 Mann "wie eine Schulklasse" Richtung Stadion marschiert, "damit wir Präsenz zeigen", sagte einer von ihnen. Ihm nicht näher bekannte jugendliche Fans "sind dann anscheinend drauf gekommen, dass man was machen will". Diese wären ins EKH eingedrungen, von dort anwesenden Aktivisten aber vertrieben worden.

Laut Anklage wurden die Eindringlinge von mehreren Aktivisten fortgejagt, die nun ihrerseits gewalttätig vorgegangen sein sollen. Zwei von ihnen - ein 43-jähriger Philosoph und ein 30-jähriger Lastwagenfahrer - sollen jenen Hooligan mit einem Besenstiel sowie einer Stange attackiert haben, der zuvor im EKH ihren Kollegen verletzt hatte. Die beiden saßen nun neben den Hooligans auf der Anklagebank und bekannten sich ebenfalls nicht schuldig.

Die angeklagten Austria-Fans sollen allesamt dem Fanklub "Unsterblich" angehört haben. Dieser wird vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) als neonazistisch eingestuft. Der Fan-Zusammenschluss war für seine rassistischen und neonazistischen Parolen bekannt. Auf der Tribüne waren Sprüche wie "Adolf Hitler ist mein Freund", "Zick-Zack Zigeunerpack" und "Rassist, Faschist, Hooligan" zu vernehmen. Die Vereinsführung reagierte schließlich mit Haus- und Stadionverboten, im Jänner 2013 wurde der Gruppierung der Status als offizieller Fanklub der Austria aberkannt.

Die Angeklagten stellten in Abrede, diesem Klub angehört zu haben. Man sei bei keinem Klub dabei oder "einfach Austria-Fan", hieß es. Einer von ihnen hatte allerdings zum Zeitpunkt des Geschehens ein T-Shirt mit der Aufschrift "Unsterblich" an. Dieser Mann behauptete, er habe das Leiberl von einem mittlerweile verstorbenen Bekannten geschenkt bekommen und getragen, "damit die Rapidler wissen, ich bin Austrianer". Er sei zwar kein "Unsterblich"-Mitglied, kenne aber solche: "Ich mag sie auch."

Jener 24-jährige Austria-Anhänger, der im EKH einen Aktivisten verletzt haben soll, beteuerte, das Gebäude nicht betreten zu haben, obwohl er aufgrund seines markanten Äußeren von seinem mutmaßlichen Opfer eindeutig identifiziert wurde. Der groß gewachsene, übergewichtige Schlosser weist zahlreiche Tätowierungen auf und hatte zum Tatzeitpunkt fast keine Vorderzähne. Das spreche nicht für seine Täterschaft, versicherte der 24-Jährige Richter Michael Tolstiuk: "Fußball-Fans haben öfters keine Zähne. Sie sind oft tätowiert und haben das gleiche Auftreten."

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag mit Zeugenaussagen fortgesetzt. Nachdem Richter Michael Tolstiuk die Vertagung verkündet hatte, erhoben sich im Publikum plötzlich geschätzte 20 Zuhörer und skandierten "Alerta Antifascista!"

(Quelle: salzburg24)

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