Die Bluttat habe alle Anzeichen eines Auftragsmordes, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow am Samstag. Der 55 Jahre alte frühere Vizeregierungschef war ein profilierter Gegner von Präsident Putin. Dieser sagte der Mutter Nemzows in einem Beileidstelegramm zu, dass alles getan werde, damit die Auftraggeber und Täter des "niederträchtigen und brutalen Mordes" bestraft würden.
Die Initiative für den Trauerzug am Sonntag ging vom Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Michail Kasjanow aus. Er hatte mitgeteilt, dass die Opposition nach den Mord auf einen geplanten Marsch gegen Putin verzichten werde.
Kasjanow, früher Ministerpräsident unter Putin, sagte Reportern, es könne nur eine Deutung der Tat geben: "Er wurde erschossen, weil er die Wahrheit gesagt hat." Der Oppositionelle und Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow warf Putin über Twitter vor, "ein Klima des Hasses und der Gewalt" im In- und Ausland geschaffen zu haben. "Blutvergießen ist die Voraussetzung, um Loyalität zu beweisen", erklärte er weiter. "Dann gehört man dazu."
Dagegen warnte der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. "Gewisse Kräfte werden die Tötung zu ihrem eigenen Vorteil nutzen", erklärte er. "Sie überlegen, wie sie Putin loswerden können." Er warnte vor einer Destabilisierung der Lage in Russland. Die Situation ist angesichts des Ukraine-Konflikts angespannt. Nemzow hatte Putin Aggression gegen die Ukraine vorgeworfen.
Fernsehberichten zufolge fanden die Ermittler möglicherweise das Fluchtauto der Täter. Der TV-Sender Rossija 24 zeigte das weiße Fahrzeug mit einem Nummernschild der Teilrepublik Inguschetien, die im islamisch geprägten Konfliktgebiet Nordkaukasus liegt.
Zuletzt hatten Ermittler als einen von mehreren Ansätzen auch einen islamistischen Hintergrund nicht ausgeschlossen. Nach Darstellung der obersten Ermittlungsbehörde hatte es gegen Nemzow Drohungen gegeben, nachdem sich der Politiker nach dem Anschlag auf das Magazin "Charlie Hebdo" in Paris solidarisch mit den Franzosen gezeigt hatte.
Nemzow war am Freitag um 23.40 Uhr Ortszeit (21.40 MEZ) von hinten mit einer Pistole erschossen worden. Der Täter habe aus einem Auto sieben oder acht Schüsse auf Nemzow abgefeuert, sagte Sprecherin Jelena Alexejewa vom Innenministerium. Vier Kugeln trafen Nemzow in den Rücken. Seine Begleiterin, nach Medienangaben eine 23-jährige Ukrainerin, blieb unverletzt. Am Tatort gebe es Videoüberwachung, die möglicherweise weitere Hinweise auf die Täter geben könnte, hieß es.
Nemzow galt als glühender Unterstützer der proeuropäischen ukrainischen Führung in Kiew. Dort äußerte sich Präsident Petro Poroschenko schockiert über den Mord. In Kiew legten Bürger in der Nacht Blumen vor das Gebäude der russischen Botschaft. Der staatliche Auslandsfernsehsender "RT" zeigte auf seiner Webseite per Online-Livecam am Samstagabend einen Berg von Blumen und eine Ansammlung trauernder Menschen am Anschlagsort.
US-Präsident Barack Obama forderte eine unparteiische und transparente Untersuchung, um die Verantwortlichen für den Mord zur Rechenschaft zu ziehen. Russland verliere mit Nemzow einen der stärksten Kämpfer für die Rechte des Volkes. Frankreichs Präsident Francois Hollande erklärte, dieser sei ein "mutiger und unermüdlicher Verteidiger" der Demokratie und ein unerschrockener Kämpfer gegen die Korruption gewesen. In Deutschland zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier "bestürzt" von der Ermordung Nemzows. Die Außenpolitik-Beauftragte der EU, Federica Mogherini, forderte in einer Aussendung "eine vollständige, schnelle und transparente Untersuchung des Mordes".
Regierungskritiker erinnerten daran, dass Nemzow immer wieder Drohungen erhalten, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen aber abgelehnt habe. Erst vor zwei Wochen hatte er in einem Interview mit der Wochenzeitung "Sobesednik" erklärt, er fürchte "ein bisschen" um sein Leben. "Immer, wenn ich (meine Mutter) anrufe, fragt sie mich: 'Wann wirst du aufhören, Putin zu kritisieren? Er wird dich töten.'"
Nemzow war Ende der 90er Jahre kurzzeitig Vizeministerpräsident unter Putins Vorgänger Boris Jelzin. Er machte sich auch im Kampf gegen die Korruption im Land einen Namen. Zuletzt wurden die hohen Ausgaben für die Olympischen Winterspiele in Sotschi angeprangert.
(Quelle: salzburg24)