Der "steirische herbst" bezieht sich mit seinem Leitmotiv auf Herman Melvilles Verweigerer Bartleby, "weil wir zerrissen sind zwischen dem Wissen, dass wir mehr teilen und gleichzeitig auf mehr verzichten müssen, wenn wir die Spirale der Auseinanderbewegung der Reichsten und Ärmsten, wenn wir die Erderwärmung unseres Planeten stoppen wollen. Wir wissen schon lange, dass wir bei uns anfangen müssen, unsere Lebensweise, unseren Umgang mit Ressourcen, unsere Konsumgewohnheiten oder auch das Ausbildungs- und Karrieredenken für unsere Kinder einem ethischen Realitätscheck unterziehen müssen. Im Ernstfall teilen wir dann doch lieber nicht", erklärte Veronica Kaup-Hasler. "Auch Europa teilt nicht - und baut seine Festungen gegen Flüchtlinge aus."
So einfach sei das mit dem Teilen nämlich nicht, so die Intendantin, denn "wir hier in Europa teilen sehr gerne - mit Menschen, die ihrerseits etwas anzubieten haben." Bezüglich der verschiedenen Share-Modelle von Couch-Surfing bis zu Car-Sharing gab sie zu bedenken, dass die Tauschbörsen aller Art auch nicht unproblematisch seien: "Auch hier kann die Umwandlung der egalitären und demokratischen Idee des Teilens zum Businessmodell kritisch hinterfragt werden, geht es doch oft darum, Dienstleistungen ganz spontan anzubieten, ohne die schnöde Belastung von sozialer Absicherung, Pensions- und Krankenversicherung. Ganz easy, unkompliziert werden da auch die Errungenschaften, die lange und hart erkämpft wurden, einfach ausgesetzt. Bei aller Freude über tolle Initiativen gilt es also den kritischen Blick zu bewahren."
Es gibt auch einen Bereich, wo das Teilen zum Imperativ geworden sei: "Denken Sie an alle sozialen Netzwerke, in denen Teilen 'Sharen' heißt. Es wird, zumeist freiwillig, aber oft auch unbewusst alles geshared, egal, ob das digitale vis-a-vis seinen Teil privater Enthüllungen überhaupt abbekommen wollte. Das Nicht-Teilen ist im digitalen Heute nicht mehr vorgesehen." Hinterfragt werden soll daher auch, wohin man gehen könne, wenn man diesem kollektiven Sog entkommen will oder was Distanzierung überhaupt bedeute, erläuterte die Intendantin.
Auch die Eröffnung der Needcompany unter dem Motto "All Tomorrow's Parties" werfe diese Fragen auf. "Ein ambivalentes Projekt erwartet uns, eines, in dem das Spiel der Grenzüberschreitung ganz im Sinne des 'steirischen herbst' weitergetrieben und wieder einmal neues Terrain betreten wird. Ein langes Happening, ein Abend, der zu lustvollem Umherschweifen und konzentrierter Wahrnehmung gleichermaßen einlädt. Und zum Feiern dessen, was wir gemeinsam haben und teilen wollen", schloss Kaup-Hasler.
(Quelle: salzburg24)