APA: Gehen Sie öfters zusammen ins Kaffeehaus?
Angelika Kirchschlager: Zusammen? Nein! Wir haben uns seit New York 1997 nicht mehr gesehen.
Anne Sofie von Otter: Wir haben zwar nur zweimal zusammen gespielt, aber wir hatten sehr ähnliche Karrieren - bezüglich der Rollen, der Liederabende und mit ein bisschen Cross-over. Wir sind wie zwei Satelliten.
Kirchschlager: Und immer, wenn ich mich frage, was ich als nächstes machen soll, schaue ich nach, was die Anne Sofie gerade macht. Das ist dann vielleicht eine gute Idee (lacht).
APA: Sie verstehen sich also gut. Ist das Bild des Divenkrieges in der Oper ein Klischee?
Von Otter: Man streitet ja nicht. Aber wenn man jünger ist, ist es vielleicht nicht so leicht, unkompliziert Sachen zusammen zu machen. Aber jetzt, wo zumindest ich etwas älter bin...
Kirchschlager: Entschuldige?! Ich bin auch älter geworden - Gott sei Dank! (lacht).
Von Otter: Jetzt haben wir das Prestigegefühl jedenfalls viel weniger und freuen uns an den Kollegen.
Kirchschlager: Es gibt Diven in jeder Stimmlage. Das ist eher eine Sache des Publikums. Die lieben das. Die wollen Diven, Konkurrenz. Ich glaube aber, es gibt insgesamt viel mehr Freundschaften als das Gegenteil. Die ekelhaften Tanten sind eher die Ausnahme.
APA: Sie haben beide ja tatsächlich ähnlich unkonventionelle Karrierewege gewählt. Sind Sie auch ähnliche Charaktere?
Kirchschlager: Das hat vielleicht damit zu tun, dass wir ähnlich ticken und wissen, was man vom Leben will. Wir wollen nicht versuchen, der Vorstellung von anderen zu entsprechen. Wenn man Dinge versucht und die Leute das mögen, ist das okay. Und wenn nicht, auch. Wobei: Ich kenn Dich ja eigentlich gar nicht... (lachend zu Von Otter gewandt).
Von Otter: Und es ist wichtig, dass man auch eine private Person bleibt. Ich wollte nie dauernd Interviews geben. Insofern bin ich froh, dass meine Karriere losging zu einer Zeit, als das Werbungmachen noch nicht so wichtig war. Es gibt Kolleginnen, da hat man das Gefühl, die haben überhaupt keine Zeit, mal mit Freunden zusammenzusitzen oder spazieren zu gehen.
APA: Haben Sie beide nie den Druck empfunden, in der konventionellen Opernwelt zu bleiben?
Von Otter: Wir waren von Tag 1 an keine reinen Opernmezzi. Wir haben beide viele Lieder und viel Barock gemacht. Ich sehe mich selbst gar nicht als Opernsängerin. Ich bin Sängerin. Und Musikerin. Die Stimme ist mein Instrument.
Kirchschlager: Das ist gut! Das stimmt genau so! Manche sind fast beleidigt, wenn ich mit Konstantin Wecker eine Tournee mache. Man kann mit seiner Stimme doch machen, was man will. Und wenn man jodeln will, soll man jodeln. Da gibt es in Vorarlberg auf einer Alm Wochenendseminare. Das möchte ich unbedingt mal machen!
APA: Die "Dreigroschenoper" ist eigentlich als bissige Sozialsatire gedacht. Funktioniert das heute noch, da sich das Stück zum Publikumsliebling entwickelt hat?
Von Otter: Wir denken ein bisschen anders als damals. Es ist schwierig, die Kritik ernst zu nehmen, da nicht alles so schwarz-weiß ist.
Kirchschlager: Zugleich sind die Themen aktueller denn je. Ich denke, dass die Radikalität von Fragen wie Korruption und Betrug heute härter ist denn je. Die Summen werden immer größer, die den Bach runtergehen.
APA: Bei der "Dreigroschenoper" gibt es die beiden Schulen, das Stück entweder mit Schauspielern zu besetzen, die dann singen müssen, oder mit Sängern, die schauspielern müssen. Bis auf Tobias Moretti besteht das Ensemble nun ausschließlich aus Profisängern. Funktioniert das besser?
Kirchschlager: Bei vielen der Lieder gibt es wahnsinnig tolle Melodien - da ist es schon gut, wenn jemand singen kann, um die Schönheit der Phrasen zum Leben zu erwecken. Umgekehrt fehlt einem Sänger vielleicht das Schauspielerische. Im Endeffekt ist es dann wohl Geschmackssache.
Von Otter: Das mit Tobias Moretti zusammen zu machen, ist eine Reise. Wir sind damit sehr glücklich, denn er ist sehr großzügig mit uns Sängern. Das ist richtig toll. Er singt sehr gut - er denkt nur, er hat Probleme, weil er ja nicht an das Singen gewöhnt ist.
Kirchschlager: Und er wirft sich kompromisslos in das Singen hinein, wie das vielleicht nur Schauspieler machen. Er wird so viel besser die ganze Zeit. Am Schluss wird man vielleicht gar keinen Unterschied mehr hören zwischen Moretti und uns!
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
(Quelle: salzburg24)