Welt

Wifo rechnet für 2016 mit stärkerer Wirtschaftserholung

Wirtschaft dürfte sich langsam erholen
Veröffentlicht: 29. September 2015 15:57 Uhr
Österreichs Wirtschaft nimmt Fahrt auf und dürfte sich nächstes Jahr stärker erholen. Heuer werden 0,7 Prozent reales Wachstum erwartet. Für 2016 ist der Optimismus noch größer: Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo rechnet dann mit 1,4 Prozent BIP-Plus, das Institut für Höhere Studien (IHS) mit 1,6 Prozent. Beim Wifo sind das um 0,1 Prozentpunkte mehr als im Juni, beim IHS um 0,2 Punkte weniger.

Treiber der etwas stärkeren Erholung ist hauptsächlich die Entlastung durch die Steuerreform 2015/16, die den privaten Konsum antreibt und die Ausweitung der Beschäftigung beschleunigt. Die Arbeitslosigkeit dürfte aber dennoch nächstes Jahr weiter steigen. Heuer wird nach nationaler Berechnung eine Arbeitslosenrate von 9,2 Prozent erwartet, 2016 könnte sie laut Wifo auf 9,7 Prozent klettern und laut IHS auf zumindest 9,3 Prozent. Nach Eurostat-Definition wären das heuer 5,8 bzw. kommendes Jahr bis zu 6,0 Prozent.

Einen weiteren Flüchtlingszustrom auch im nächsten Jahr halten die Wirtschaftsforscher für den heimischen Arbeitsmarkt für verkraftbar - sofern dafür Vorbereitungen getroffen werden. 30.000 zusätzliche Kräfte im Jahr wären kein Problem, wenn es eine Strategie gebe, Abwarten sei zu wenig, so Wifo-Chef Karl Aiginger am Dienstag. Wenn von 70.000 Flüchtenden letztlich 30.000 in Österreich blieben, "können wir 10.000 als Facharbeiter und 20.000 in persönlichen Dienstleistungen unterbringen - erst 2016, denn die haben heuer noch keine Arbeitsberechtigung." Heuer seien dadurch also noch keine Effekte am Arbeitsmarkt zu erwarten.

Der wirtschaftspolitische Experte des IHS, Helmut Hofer, erinnerte an den früheren starken Zuzug aus Osteuropa, der ebenfalls die Arbeitslosigkeit erhöht habe. Es komme aber darauf an, wie man diese Menschen integriere: Früher habe als Faustregel gegolten, dass eine Person mehr rund 0,3 mehr Arbeitslose bedeute. Dazu Aiginger: "Wenn man es geschickt macht, muss diese Relation nahe Null sein - wenn man es ungeschickt macht, kann man das Sozialsystem zusammenhauen."

"Die Steuerreform ist durch die Flüchtlingsfrage nicht gefährdet, da geht es um ein paar hundert Millionen Euro", meinte Aiginger. Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller rechnete vor, dass die Kosten für die Grundversorgung, die laut Regierung heuer 400 Mio. Euro ausmachen würden, nächstes Jahr wohl um 200 bis 300 Mio. Euro steigen würden. Die 400 Mio. Euro seien aus ihrer Sicht eher die Untergrenze, zudem seien externe Kosten wie die Bezahlung von Fremdkräften hier noch gar nicht eingerechnet.

Die Wirtschaftspolitik sollte weiter reformieren, "sonst bleiben wir auf der Kriechspur", urgierte Aiginger angesichts der weiter schaumgebremsten Konjunkturprognosen. Nur wenn die Wirtschaft wieder stärker wachse, werde die Arbeitslosigkeit sinken. "Es muss sehr viel geschehen, damit wir wieder auf die durchschnittliche EU-Wachstumsrate beim BIP kommen." Die europäische Messlatte liege 2016 bei 1,8 Prozent. "Ich glaube nicht, dass wir uns zurücksetzen können und sagen '2016 ist eh alles wieder normal'."

Die Konsumschwäche in Österreich - der Privatkonsum dürfte laut Wifo 2015/16 nur um 0,4 bzw. 1,3 Prozent zulegen - sei keine Überraschung, so Aiginger, denn es habe sechs Jahre lang keine Reallohnzuwächse gegeben. Dass die realen Pro-Kopf-Nettolöhne 2016 um 2,4 Prozent steigen würden, sei der Steuerreform zu verdanken und "der Ausgleich für vergangene Verluste". Die Steuerprogression habe jährlich ein halbes Prozent weggenommen und die bei uns gegenüber Deutschland höhere Inflation nochmals ein halbes Prozent. Die Inflation sei bei uns heuer mit voraussichtlich 1,1 Prozent schon das achte Jahr höher als in Deutschland und liege das fünfte Jahr über dem Euroraum. Kumuliert seien das 3 bis 3 1/2 Prozent Unterschied - wegen "Verkrustungen", "zu wenig Konkurrenz" und öffentlichen Gebühren. Wenig Wachstum bei hoher Inflation sei "eine Zwickmühle".

Die Gefahr, dass die Stimmung in Österreich auch bei einer stärkeren Konjunkturerholung im Ausland weiter schlecht bleibt und deshalb die Investitionen noch länger nicht anziehen, sieht auch IHS-Experte Hofer. Stocken die Investitionen weiter, würde dies die Wettbewerbschancen der heimischen Industrie reduzieren, warnte er und plädierte für eine Entlastung der Firmen bei den Lohnnebenkosten. 2015/16 dürften die Bruttoanlageinvestitionen laut Aiginger real nur um "schwache" 0,4 und 1,5 Prozent wachsen: "Ein Konjunkturaufschwung sieht anders aus."

Der Außenhandel, in erster Linie der Warenexport, leidet stark unter der Krise in den Schwellenländern. Die Ausfuhren nach China und Russland brachen im 1. Halbjahr ein, auch mit den Euro-Ländern war der Handel rückläufig. Das leichte Plus wurde nur durch Zuwächse mit den USA und Osteuropa-Staaten erreicht. Für die Warenexporte hat das Wifo seine Wachstumserwartung für heuer von 3,0 auf 2,5 Prozent real zurückgenommen, für 2016 aber bei 4,0 Prozent belassen. Das IHS kürzte seine Prognose für den Anstieg der Warenausfuhren sehr deutlich für heuer von 3,0 auf 1,3 Prozent und für 2016 von 5,5 auf 4,0 Prozent.

Die USA seien derzeit "der Turbo der Weltwirtschaft", so der Wifo-Chef: Dort soll das BIP heuer und 2016 real um je 2,4 Prozent zulegen - die Wirtschaftsleistung wäre so ein Zehntel höher als vor der Finanzkrise. Das globale BIP soll 3,0 und 3,3 Prozent steigen. "Das Risiko kommt vom Welthandel", so Aiginger, die erwarteten 0,5 Prozent Plus seien der geringste Zuwachs seit der Finanzkrise.

Die öffentlichen Haushalte stehen in Österreich weiter im Bann der Belastungen durch Bankenhilfen und Heta-Abwicklung. Schon 2014 trieben die Heta-Kosten das Budgetdefizit auf 2,7 Prozent hoch, ohne diese Belastung wären es nur 1,0 Prozent gewesen. Heuer soll laut Wifo das Defizit - auch durch Konjunkturschwäche und geringere Einnahmen - bei 1,9 Prozent liegen. "Ohne Bankenhilfen und unerwartete Zusatzausgaben im Zuge der Flüchtlingskrise im 2. Halbjahr würde das Maastricht-Defizit 1,3 Prozent des BIP betragen", so das Institut. Für 2016 wird ein Gesamtstaats-Defizit von 2,0 Prozent erwartet.

(Quelle: salzburg24)

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