Judith Haudum ist Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt sowie Lehrbeauftragte am Fachbereich Sport- und Bewegungswissenschaft der Uni Salzburg und Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Sporternährung.
Vegane Leistungssteigerung?
In der Wissenschaft ist man sich darüber einig, dass eine vegetarische oder ausgewogene vegane Ernährung eine gesundheitsfördernde Ernährungsweise darstellt. Mit einer abwechslungsreichen, vollwertigen Lebensmittelauswahl könne die Zufuhr aller Nährstoffe sichergestellt werden. Bislang gebe es jedoch nur wenig wissenschaftliche Studien über vegane oder vegetarische Ernährung im Hochleistungssport, erklärt Ernährungsexpertin Haudum gegenüber SALZBURG24. Auch fehle es an Langzeitstudien: "Es gibt bislang kein wissenschaftliches Indiz für eine Leistungssteigerung durch vegane Ernährung", sagt Haudum.
Nahrungsergänzungsmittel benötigt
Im Speiseplan der veganen Ernährungsweise stehen viel Obst, Gemüse, Getreide, Nüsse und Hülsenfrüchte. Mögliche Risiken durch Fleischverzicht sind Mangelerscheinungen durch das Fehlen hochwertiger Eiweiße sowie Eisen, Zink, Kalzium, Vitamin B12 und D. Insbesondere Eiweiße – auch Proteine genannt – sind für den menschlichen Organismus lebensnotwendig und helfen bei der Regeneration, weiß Haudum. "Viele wollen nicht wahrhaben, dass die Qualität tierischen Eiweißes höher ist als die des Pflanzlichen." Bei Erbsen oder Hanf fehlt zum Beispiel eine essentielle Aminosäure in der Zusammensetzung des Proteins. Nahrungsergänzungsmittel – sogenannte Supplements – sind dann nötig, auch um die Versorgung durch Vitamin B12, Vitamin D und Eisen im Körper sicherzustellen.
"Sehr hohes Maß an Eigenverantwortung"
"Meiner Ansicht nach ist eine ausschließlich vegane Ernährung im Hochleistungssport schwieriger umzusetzen als beim Vegetarismus oder der Mischkost", so Haudum. Es müsse nämlich mehr Zeit in die Planung gesteckt werden, besonders vor längeren Wettkampfreisen oder Trainingslagern. "Ein sehr hohes Maß an Eigenverantwortung ist nötig. Der Energiebedarf des Körpers muss gedeckt sein und genügend Nährstoffe müssen aufgenommen werden." Die Zufuhr von Kohlenhydraten, Eiweißen, ungesättigten Fetten und Antioxidantien sind für eine optimale Erholung nach dem Sport notwendig. "Durch den Hochleistungssport steht das Immunsystem zusätzlich unter permanentem Stress, auch deswegen werden hochqualitative Proteine benötigt."
Mögliche Probleme und Folgen
Vegane Ernährung im Sport kann durchaus Probleme verursachen: Eine ausreichende Protein-Versorgung kann kritisch sein, denn Veganer müssen ein höheres Nahrungsvolumen zu sich nehmen, zumal rein pflanzliche Kost kalorienärmer ist. "Oftmals wird der individuelle Nährstoffbedarf unterschätzt, das Verständnis über die benötigte Menge fehlt vielen." Zudem gibt es viel Literatur zum Thema, "darunter leider auch viel schlechte oder gänzlich falsche", gibt Haudum zu bedenken. Man kommt um Supplemente fast nicht herum, im Hochleistungssport ist das ohne die Zufuhr gewisser Mikronährstoffe fast unmöglich.
Zumindest 15 Prozent der Gesamtenergie sollte aus Proteinen bestehen. "Bei einer vegetarischen Ernährung ist das deutlich besser planbar, weil es mehr Auswahlmöglichkeiten gibt", so Haudum. Doch im Vergleich zu tierischen Eiweißen müsse bei den pflanzlichen Proteinen mehr davon eingenommen werden.
Vegan-Trend noch nicht bei Österreichs Sportlern
Der vegane Lebensentwurf hat in den letzten Jahren besonders in den USA einen Siegeszug gefeiert. "Dort ist eine vergleichsweise große vegane Lebensmittelindustrie entstanden", weiß Haudum, die ihren Sporternährung-Master in Salt Lake City abschloss. "Amerikaner sind Neuem grundsätzlich offener gegenüber eingestellt, möglicherweise sind sie aber auch leichter zu manipulieren." Ernährung werde in Übersee oft als Mittel zum Zweck gesehen und ist geprägt von Übermaß an Zucker und Fett – das steht im krassen Gegensatz zur veganen Bewegung.
Für große Aufmerksamkeit sorgt derzeit der US-Dokumentarfilm "The Game Changers", bei denen Athleten im Fokus stehen, von denen viele früher auf eine fleischreiche Ernährung setzten und nun vegan leben.
Bei Österreichs Hochleistungssportlern sei die Akzeptanz bis dato eher beschränkt, was vegane Ernährung angeht. Haudum gibt aber an, dass eine Tendenz zur gesunden und bewussten Ernährung zu beobachten sei: "Ich betreue Sportler, die sich mittlerweile selbst Brot backen." Das Bewusstsein verändere sich dahingehend durch die aktuelle gesellschaftliche Klimaschutz-Debatte samt Medienberichterstattung.
(Quelle: salzburg24)