Nach dem Kreuzbandriss von Eva Pinkelnig und den Rücktritten von Jacqueline Seifriedsberger und Sara Marita Kramer gehen die ÖSV-Skispringerinnen arg dezimiert in den Olympia-Winter. Neben der Salzburgerin Lisa Eder gelten auch Julia Mühlbacher, Chiara Kreuzer und Hannah Wiegele als Kandidatinnen für ein Ticket zu den Winterspielen in Italien, wo die Frauen in zwei Einzel-Bewerben und im Mixed-Team um Medaillen springen werden.
Mühlbacher, eine 21-Jährige aus Schalchen trainiert am Olympiazentrum in Hallein-Rif (Tennengau). Die Oberösterreicherin gilt nach dem starken Aderlass als eine der Hoffnungsträgerinnen des ÖSV im Hinblick auf die kommende Saison.
„Schließt sich eine Tür für die anderen, öffnet sich eine Tür für mich“
In ihrer Salzburger Wahl-Heimat trainiert die WM-Zweite im Team in der Trainingsgruppe unter Lukas Tschuschnig (Co-Trainer Nationalteam) und Daniel Keil (Sportwissenschafter aus Salzburg). Für die junge Athletin öffnet sich nun – nach der radikalen Halbierung des Damen-Nationalteams – eine Tür, auch im Hinblick auf einen Startplatz bei den Olympischen Spielen in Mailand/Cortina. Während sie letzte Saison noch die Jüngste im Nationalteam war, ist es nun fast umgekehrt: Jetzt gilt sie als eines der Aushängeschilder des ÖSV. „Eigentlich habe ich schon geglaubt, dass sie (Sara Marita Kramer und Jaqueline Seifriedsberger, Anm.) Olympia noch mitmachen“, schätzt sie die teils unerwarteten Veränderungen ein, „aber dadurch bekomme ich natürlich mehr Chancen und es ist ein harmonischeres Umfeld.“
Nichtsdestotrotz trägt der Abgang vieler Erfolgsträgerinnen auch eine bittere Note für das Frauenteam mit sich. „Wir sind radikal geschrumpft, auch in Rif – da waren wir letztes Jahr noch sechs Athletinnen und jetzt nur noch zu dritt“, erzählt sie. „Jetzt liegt der Fokus nur noch auf uns, aber es wäre eigentlich für die Zukunft des Nationalteams auch wichtig, wenn wieder Nachwuchs nachkommen würde.“
„Skispringen ist immer noch ein männerdominierter Sport“
Doch in den jüngeren Altersklassen kommt im Frauen-Skispringen wenig nach – eine Sportart, die erst seit etwas mehr als zehn Jahren olympisch ist. Woran das liegt? „Gerade für Mädchen ist es nicht so alltäglich, damit anzufangen. Auch ist vor allem zu Beginn mehr Respekt und Angst dabei als bei den Jungs“, erklärt sie die Problematik. „Auch bei mir war es eher Zufall. Ansonsten wäre ich niemals darauf gekommen, das auszuprobieren.“
Mühlbacher hatte in der Volksschule mit sieben Jahren ihre ersten Berührungspunkte mit dem Skispringen: „Wir waren alle in einem Turnsaal und auf einmal waren da Leute, die uns Skispringen gezeigt und uns zu einem Schnuppertraining eingeladen haben.“ Nach dem Probetraining in ihrem Heimverein ASVÖ SC Höhnhart war sie sofort Feuer und Flamme: „Der Obmann meinte direkt zu meinem Papa, dass ich Talent hätte und ob ich nicht zum Verein möchte, und irgendwie ist das dann so in die Wege geleitet worden.“
Während zu ihren Anfängen das Frauen-Skispringen noch kaum in den Medien vorkam, hat sich dies mittlerweile positiv entwickelt, erläutert sie: „Skispringen ist für Mädchen schon populärer geworden. Ich denke, da haben wir als Nationalteam schon gute Werbung in den vergangenen Jahren gemacht“, schätzt sie die Entwicklung ihrer Sportart ein. „Aber ich denke, das Schwierige ist, dass sie dann dabeibleiben.“
Gerade auf Landesebene, wo die Trainingsgruppen noch gemischt sind und Mädchen eher in der Unterzahl, sei Feingefühl der Trainer gefragt, um die jungen Athletinnen zu motivieren. Was Mühlbacher in diesem taffen Umfeld geholfen hat, war ihr Ehrgeiz, den sie als ihre größte Stärke, aber auch Schwäche bezeichnet: „Ich weiß, wo ich hinwill, und gebe immer 110 %, manchmal überschreite ich dann aber meine Grenzen.“ Auch die positive Atmosphäre, die sie in ihrem Heimatverein und beim ÖSV erfahren hat, trug dazu bei, dass sie nie den Spaß und die Motivation am Skispringen verlor. „Ich hatte eine irrsinnig coole Zeit im Verein, die Freundschaften waren richtig prägend und wir sind zusammen aufgewachsen“, erinnert sie sich. „Und ich habe die Freiheit gehabt, dass ich mich weiterentwickeln konnte – dann wollte ich auch von mir aus immer besser werden.“
Faszination Skispringen: Nervenkitzel und Freiheitsgefühl
„Beim Skispringen braucht man dann auch den Schritt, auf eine Sportschule zu gehen. Das ist eine große Hürde, die nicht viele Mädchen bereit sind zu meistern“, erzählt sie aus eigener Erfahrung. Mühlbacher wagte den Schritt zum Ski-Gymnasium in Stams. „Mir hat dabei geholfen, dass ich ziemlich jung ziemlich gut war und auch in den gemischten Bewerben immer schon Zweite geworden bin.“
Mit 13 Jahren durfte sie bereits erste internationale Erfahrungen sammeln und gewann in derselben Saison einen Bewerb. Dieser Sieg war für die Oberösterreicherin sehr bedeutend – danach stand ihr Entschluss fest, auf das Ski-Gymnasium zu wechseln. „Für mich war es dann gar keine Frage, wie ich mein Leben ausrichten werde.“
Die Entscheidung zahlte sich aus. Schon in jungen Jahren konnte sie etliche Medaillen und Titel bei Junioren-Weltmeisterschaften feiern und erreichte einen Podestplatz im Weltcup. Nun scheint es so, als habe sie den Sprung in die aktive Klasse geschafft. Trotz ihrer Erfolge und Ziele darf bei ihr der Spaß am Skispringen nie fehlen: „Das braucht man als Skispringerin – das ist das kleine Etwas, was die Lockerheit bringt. Dass man es auch genießen kann.“ Was sie am Skispringen fasziniert? Die Verbindung aus Nervenkitzel und Freiheit: „Dieses Gefühl vom Fliegen, was der Mensch schon immer erleben wollte, und dass jeder Sprung eine neue Herausforderung ist.“
Balance im Leben finden
Obwohl das Skispringen viel Zeit in Anspruch nimmt, hat die junge Athletin weitere Interessen. „Seit zwei Jahren spiele ich wieder regelmäßig Tennis“, erzählt sie, nachdem sie die Sportart zwischenzeitlich aufgegeben hatte, um sich auf das Skispringen zu konzentrieren. „Es ist so praktisch zum Ausgleich und Kopf lüften – und eine echt coole Sportart, die viele Parallelen zum Skispringen hat.“
Auch die gesamte Trainingsgruppe in Rif teilt diese Begeisterung – oft wärmen sie sich mit einem kleinen Tennis-Match auf. „Wir sind sehr leidenschaftlich beim Tennis“, lacht sie. „Dann bauen wir uns in der Laufbahn in Rif immer ein Tennisfeld auf. Es ist echt lässig, dass jeder bei uns diese Freude teilt – dann macht’s auch gleich noch mehr Spaß und ist gut für den Team-Spirit.“
Nach den Olympischen Spielen möchte die 21-Jährige auch ein Studium beginnen – was genau, weiß sie noch nicht. „Ich habe gemerkt, irgendwas nebenbei, was mich genauso fordert, fehlt mir. Nur Sport macht einen auch vom Kopf her müde“, erläutert sie. „Aber heuer wollte ich den Fokus noch komplett auf den Sport legen.“
Julia Mühlbachers Ziel: Potenzial zeigen
Nachdem die Bundesheer-Athletin eine eher verhaltene Saison hatte, will sie heuer beweisen, was sie draufhat: „Dass ich einfach mal im Wettkampfgeschehen ankomme und zwei Sprünge habe, mit denen ich zufrieden sein kann – auch wenn die Ergebnisse das dann nicht direkt widerspiegeln.“
Ergebnistechnisch würde sie sich weitere Top-Ten-Erfolge im Weltcup wünschen sowie die Qualifikation für das Saisonhighlight: die Olympischen Spiele in Milano-Cortina. Die Chancen stehen dieses Jahr nicht schlecht, dass ihre Ziele in Erfüllung gehen: „Ich denke, aus jetziger Sicht ist das kein Thema – da wird’s dann natürlich sehr interessant Richtung Mixed-Team.“






