Von Emotionen übermannt erreichte Jakob Herrmann am Sonntagnachmittag nach 24 Stunden, 24.242 Höhenmetern und 86,7 vertikalen Kilometern sein lang ersehntes Ziel. Der Salzburger knackte in Radstadt (Pongau) auf der Königslehen-Piste bei der Mega-Herausforderung den Weltrekord auf Tourenskiern.
Herrmann ging beim Weltrekord "durch Hölle"
34 Mal lief der Werfenwenger (Pongau) dieselbe Strecke rauf und runter. Die härteste Zeit erlebte der 36-Jährige zwischen der 17. und 20. Stunde. "Da sah ich nicht mehr so gut aus, ging durch die Hölle und brauchte die Aufmunterung und das Lächeln meiner Frau und meines Freundes Philipp Reiter mehr denn je“, betonte der Extremsportler am Montag gegenüber SALZBURG24.
Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Zu groß war der Ansporn, sich selbst zu beweisen und das Abenteuer zu einem guten Ende zu bringen. Mit einigen Blasen an den Füßen konnte der Salzburger nach der langen Anstrengung nur sieben Stunden schlafen. „Nach zwei Bier und einer Pizza im Magen bin ich um 22 Uhr ins Bett gefallen und um 5 Uhr wieder aufgewacht. Der Einbruch kommt wohl erst heute Nachmittag“, schildert Herrmann.
Kälte raubt Salzburger Skibergsteiger Kraft
Doch wie ist eine solche Leistung wissenschaftlich einzuordnen? „Das ist wirklich unglaublich und extrem, was Jakob Herrmann da geschafft hat. Man muss für so eine Belastung nicht nur körperlich, sondern auch mental sehr fit sein“, sagte Sportwissenschafterin Anita Birklbauer gegenüber S24.
Die Expertin weist auch darauf hin, dass bei den Ultradistanzen die Energiebereitstellung durch den Fettstoffwechsel entscheidend ist: „Wichtig ist, dass man über die gesamte Distanz kaum Laktat aufbaut und im unteren Bereich bleibt. Das zeigt, wie essenziell das Grundlagentraining ist." Vergleicht man Herrmanns Leistung mit Sommersportarten, kommt die Kälte als Faktor hinzu. „Der Temperaturwechsel stellt die Sportler vor zusätzliche Herausforderungen.“
Das hat auch Herrmann in der 14-stündigen Dunkelheit gespürt. „Ich bin nicht so kälteempfindlich, aber als ich erfahren habe, dass es minus acht bis minus zehn Grad hat, ist mir kurz anders geworden. Das kostet einfach zusätzliche Energie“, so der Pongauer.
Mit selbstgemachten Kuchen in die Geschichtsbücher
Der Plan war, 100 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde in Form von Kartoffeln, Reis, Gels und Energieriegeln zu sich zu nehmen. In der Praxis klappte das beim passionierten Koch nicht wie geplant. „Ich habe weniger feste Nahrung zu mir genommen, dafür mehr Gels, Riegel und vor allem am Ende mit Pringels, Kuchen und Kletzlbrot auch etwas für den Kopf als Abwechslung gegessen“.
Apropos Kopf: „Wer 24 Stunden am Stück an seine Grenzen geht, muss mental extrem stark sein. Das war und ist Jakob immer. Es ist einfach eine unglaubliche mentale Leistung, die er vollbracht hat“, sagte Sportpsychologe Fabio Richlan. Richlan war – wie einst Herrmann – im ÖSV aktiv und betreute das Nationalteam der Skibergsteiger.
Pyrenäen warten auf Weltrekordler Herrmann
Für den Sportpsychologen spielt vor allem die Klarheit über das Warum eine wichtige Rolle. „Wenn man weiß, warum man etwas tut, kann das in schwierigen Situationen enorm helfen. Eine Wenn-Dann-Strategie ist ebenso empfehlenswert wie ein mentaler Plan, den man sich vor dem Start zurechtlegt“, erklärt Richlan. Ärzte oder Sportpsychologen hat Herrmann nicht in Anspruch genommen. „Vielmehr helfen mir Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, mit ihrem Fachwissen. Jeder braucht etwas anderes“, sagt der 36-Jährige. Einer davon war sein langjähriger Freund Kilian Jornet, der zuvor mit 23.486 den Weltrekord gehalten hatte. "Er hat mich sofort nach dem Zieleinlauf angerufen und sich riesig mit mir gefreut."
Sobald die Blasen am Fuß verheilt sind, wartet das nächste Abenteuer auf den Bergsteiger. Zusammen mit seinem Freund Philipp Reiter wollen die beiden die Pyrenäen überqueren. Vom Atlantik bis zum Mittelmeer werden sie nächste Woche aufbrechen und die höchsten Gipfel der Gebirgskette erklimmen. Auch das ist nicht normal.
Bildergalerien
(Quelle: salzburg24)