Die Zweit-Premiere gestern, Samstag, Abend im Haus für Mozart aber belegte, dass das Publikum dies ohnehin nicht so eng sieht. Der "alte Lucio Silla" geriet zum Triumph für die Sänger und hinterließ überwiegend glückliche Opern-Fans.
"Lucio Silla" als Seifenoper des 18. Jahrhunderts
Da schien es auch keine Rolle zu spielen, dass der "Lucio Silla" aus der Feder des 16-jährigen Mozart eine Seifenoper des 18. Jahrhunderts ist - Konvention ihrer Zeit im Tyrannen-Milieu, in der es keinen einzigen Anknüpfungspunkt zu heutiger Lebensrealität gibt. Unterstrichen wurde das durch die Arbeit von Regisseur Marshall Pynkoski, der auf Interpretation einfach verzichtet hat und sich mit einer ästhetischen Puderwolke begnügt. Wenige Requisiten, stilisierte Räume und Kulissen, und die Sänger in ihren historisch-faden Kostümen stehen überwiegend vorne an der Rampe. Dort zücken sie Dolche, schmettern und schmachten herzzerreißend übertrieben, während Ausstatter Antoine Fontaine permanent Fassaden, Säulen, gigantische Brokat-Vorhänge und düster-martialische Friedhöfe hin- und herschieben lässt. Und wenn dramaturgisch gar nichts mehr weitergeht, dann schickt das Regie-Team knackige Balletttänzer auf die Bretter, zwecks höfisch-altmodischer Ablenkungs-Zeremonie.
Aber die Sänger und Musiker haben diese geistigen und real inszenierten Leerräume gut genützt und aus dem "Mantel-, Dolch- und Degen-Mozart" ein Fest der Stimmen und des federleichten Rhythmus' gemacht. Trotz vieler Längen ist dieser "Lucio Silla" in seiner grenzenlosen Harmlosigkeit durchaus hübsch und vergnüglich. Auch in seiner Zweit-Nutzung bei den Festspielen geriet der spätbarocke Schmachtfesten zum eindeutigen Publikumserfolg.
Rolando Villazon in Titelrolle souverän
Marc Minkowski hat seine Musiciens du Louvre aus Grenoble doppelchörig und verhältnismäßig groß besetzt. Der eher raue und schlanke Mozart-Klang kommt nicht so zur Geltung wie von diesem Ensemble gewohnt. Aber trotzdem ist der "französische Mozart" tänzerisch und rhythmisch meist präzis und zugleich warm und homogen. Das fast ausschließlich weibliche Solisten-Ensemble ist gut und ausgewogen. Zwar haben alle fünf Sänger ein paar wenige, vielleicht durch die Premieren-Nervosität bedingte Startschwierigkeiten. Aber sie schwingen sich ein und repräsentieren das viel zitierte Mozart-Ensemble, in dem es so gut wie keine Schwachstelle gibt.
Rolando Villazon in der Titelrolle macht seine (im Vergleich zur Premiere im Jänner weniger auffälligen) Stimmprobleme in der hohen Tenor-Lage durch satten Klang in der Mitte und vor allem durch seine schauspielerische Geschmeidigkeit wett. Olga Peretyatko als "Giunia" sorgt für wunderbar innige Momente, blitzsauber, angenehm im Timbre und wohldosiert im Vibrato. In Stimmgröße wird die Russin nur von Mezzosopranistin Marianne Crebassa als "Cecilio" übertroffen, die in allen Belangen grandios singt, unmittelbar berührt und zu Recht den größten Applaus verbuchen kann. Inga Kalna in der Hosenrolle des "Lucio Cinna" fegt fast ebenso souverän durch Mozarts Schwall von Tönen, und auch Eva Liebau passt als "Celia" wunderbar in das Mozart-Ensemble, das diesen oft strapazierten Namen tatsächlich verdient.
(Von Christoph Lindenbauer/APA) )
(Quelle: salzburg24)