Bei wolkenverhangenem Himmel und Unwettern in Teilen Österreichs haben am Sonntag die EU-Wahlen gestartet. Seit 8 Uhr sind die meisten der 9.856 Wahllokale offen, einige waren jedoch wegen der Unwetter nicht zugänglich oder zerstört. Alle heimischen Spitzenkandidaten haben bis Mittag ihre Stimmen abgegeben. Ergebnisse werden erst nach dem EU-weiten Wahlschluss um 23 Uhr veröffentlicht, nach Schließen der letzten Wahllokale in Österreich um 17 Uhr gibt es eine Trendprognose.
So lange hat man nur in Wien Zeit für die Stimmabgabe, in allen anderen Bundesländern mit Ausnahme Vorarlbergs kann man teils bis 16 Uhr wählen. Im Ländle schließen die Wahllokale spätestens um 13 Uhr. Improvisieren musste man in der Steiermark infolge der Unwetter, Wahllokale in Deutschfeistritz nördlich von Graz sowie im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld mussten verlegt werden. Auch im Burgenland im Bezirk Oberwart gab es unwetterbedingt Beeinträchtigungen der Wahllokale und Wahlzeiten in den Sprengeln Siget in der Wart (Gemeinde Rotenturm), Schreibersdorf (Gemeinde Wiesfleck), Unterschützen (Gemeinde Oberschützen) und St. Martin in der Wart (Stadtgemeinde Oberwart).
Van der Bellen mit Appell anlässlich EU-Wahl
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartete bei seiner Stimmabgabe am Sonntag eine Mehrheit, „die sich der Notwendigkeit eines vereinten Europas bewusst ist“. Sorgen wegen eines möglichen Rechtsrucks äußerte er nicht.
Als erster Spitzenkandidat hat Reinhold Lopatka (ÖVP) um 8 Uhr in Greinbach in Penzendorf (Hartberg (Bezirk Hartberg-Fürstenfeld) gewählt. Trotz magerer Umfragewerte gab er weiter den ersten Platz für die ÖVP als Ziel aus.
Auch SPÖ-Kandidat Andreas Schieder ging „mit positivem Gefühl“ in den heutigen Tag. Mit den Sozialdemokraten gebe es wieder ein „Europe first“ anstatt China, außerdem sei ihm als Naturfreunde-Chef Klimaschutz ein Herzensthema, warb er noch einmal um Stimmen.
Vilimsky strebt großes Mitte-Rechts-Bündnus an
FPÖ-Listenerster Harald Vilimsky gab bei der Stimmabgabe „möglichst viele Stimmen“ und eine „rot-weiß-rote Mehrheit“ als Wahlziel aus, aber auch eine große Zahl an FPÖ-Repräsentanten im EU-Parlament und die Einbettung in ein möglichst großes Mitte-Rechts-Bündnis.
„Das war ein langer Wahlkampf und ich freu mich, dass der Tag jetzt da ist“, sagte die etwas müde wirkende Schilling vor der Stimmabgabe gegenüber Journalisten. In Bezug auf das Wahlziel von 500.000 Stimmen für die Grünen zeigte sie sich vorsichtig: „Wir werden sehen“, aber natürlich sei es weiterhin ihr Wahlziel.
NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter strahlte beim Urnengang mit seiner Familie in Wien-Pötzleinsdorf Zuversicht aus. Positiv stimmte ihn das Interesse an den von den NEOS propagierten „Vereinigten Staaten“ von Europa während des Wahlkampfs. Schon am Montag wird er nach Brüssel reisen, um sich sein künftiges Tätigkeitsgebiet näher anzusehen.
KPÖ-Spitzenkandidat Günther Hopfgartner, der zur selben Zeit in Wien-Mariahilf seine Stimme abgegeben hat, zeigte sich unterdessen zuversichtlich, dass seiner Partei den Einzug ins Europaparlament gelingen könne.
Selbiges hoffte auch die Spitzenkandidatin der Liste DNA (Demokratisch – Neutral – Authentisch), die Ärztin Maria Hubmer-Mogg, bei ihrer Stimmabgabe im nordöstlichen Grazer Stadtbezirk Mariatrost. Sie habe sich bis zum Schluss in der „Wahlkampagne“ eingesetzt und so sicher noch Unterstützung gewinnen können.
Informationen über den möglichen Wahlausgang in Österreich wird es kurz nach 17 Uhr geben: Die Nachrichtenagentur APA, der öffentlich-rechtliche ORF und der Privatsender Puls24 veröffentlichen dann gemeinsam eine Trendprognose auf Basis von Wahltagsbefragungen der Institute FORESIGHT, ARGE Wahlen und von Peter Hajek.
Die schon bisher im EU-Parlament vertretenen Parteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS werden wohl alle fix erneut den Sprung über die für den Parlaments-Einzug nötige Vier-Prozent-Hürde schaffen. Weniger Chancen darauf hat die KPÖ, auch wenn sie nach ihren guten Ergebnissen bei den heurigen Regionalwahlen in Salzburg und Innsbruck in den Umfragen deutlich besser liegt als in den Jahren zuvor. Für die neue coronamaßnahmen-kritische Liste DNA scheinen die vier Prozent laut Meinungsforschern eher unerreichbar.
FPÖ laut Umfragen Spitzenreiter bei EU-Wahl
Geht es nach den veröffentlichten Umfragen, so könnte der Urnengang eine Premiere bringen: Die FPÖ könnte demnach recht klar Platz eins erobern. Damit hätten seit Österreichs EU-Beitritt im Jahr 1995 erstmals weder ÖVP noch SPÖ die Nase vorne. Die ÖVP muss den Meinungsforschern zufolge nach ihrem Rekord-Ergebnis von 2019 mit deutlichen Verlusten rechnen und dürfte mit der SPÖ um den zweiten Platz ringen. Der Sozialdemokratie wird von den Meinungsforschern eher eine Stagnation attestiert. Halten die Umfragen, so könnten die NEOS die Grünen von Platz vier verdrängen. Die Öko-Partei kam seit Anfang Mai etwas ins Trudeln, nachdem Vorwürfe gegen deren Spitzenkandidatin Lena Schilling publik wurden, die größtenteils deren Privatbereich betrafen.
Statt mit bisher 19 Abgeordneten wird Österreich nach der Wahl künftig mit 20 Mandataren in Straßburg bzw. Brüssel vertreten sein. Grund dafür ist die für die kommende Legislaturperiode beschlossene Erhöhung der Gesamt-Mandatszahl im EU-Parlament, das in Zukunft 720 statt 705 Sitze stark sein wird.
Beim vorangegangenen Wahlgang vom 26. Mai 2019 war die Wahlbeteiligung mit 59,77 Prozent (+14,38) überdurchschnittlich hoch. Auf Platz 1 schaffte es die ÖVP mit 34,55 Prozent (+7,57) vor der SPÖ mit 23,89 Prozent (-0,20) und der FPÖ (17,20/-2,52). Die Freiheitlichen waren kurz vor dem Wahltermin vom Ibiza-Skandal erschüttert worden. Die Grünen kamen damals mit 14,08 Prozent (-0,44) auf Platz vier vor den NEOS mit 8,44 Prozent (+0,30), die KPÖ erzielte 0,80 Prozent.
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(Quelle: apa)